Jussi Tapola hat in den zwei Viertelfinal-Partien gegen Gottéron seine zweijährige Aufbauarbeit in nur drei Tagen auf fahrlässige Art und Weise aufs Spiel gesetzt. Bei seiner Amtsübernahme im Sommer 2023 leitete er eine Entwicklung ein, an deren Ende schon 2025 der nächste Titel stehen könnte. Sein Problem: Die gute Qualifikation mit der besten Klassierung seit 2019 (3. Rang) droht Selbstvertrauen mehr und mehr in Arroganz zu verwandeln.
Daran ist der SCB-Trainer allerdings nicht ganz unschuldig. In den Playoffs verzeihen die Hockey-Götter keine Fehler. Jedes – jedes! – Detail zählt. Erst recht in einer so ausgeglichenen Liga. Auch ein Titan sollte sich an goldene Regeln halten. Beispielsweise an jene ganz banale, die Playoffs mit einer Nummer 1 im Tor zu beginnen. Wer nach 52 Runden immer noch nicht herausgefunden hat, wer die Nummer 1 ist und beim Playoff-Start weiterhin ein wenig mit den Goalies experimentiert, den bestrafen die Hockeygötter.
Erst recht, wenn der Wechsel des Torhüters auch Wechsel bei den ausländischen Feldspielern provoziert. Also Umstellungen der besten Formationen. Powerplay inklusive. Mit Philip Wüthrich zu starten und schon in der zweiten Partie den Schweden Adam Reideborn ins Tor zu stellen ist arrogant und signalisiert den in Bern ohnehin latent zu Überheblichkeit neigenden Stars: Ist doch nicht so wichtig. Wir pröbeln noch ein wenig. Der Gegner ist ja nur Gottéron.
Schon vor einem Jahr ist der SCB gegen Zug bereits im Viertelfinal auch wegen Wechselspielchen auf der Goalie-Position kläglich gescheitert. Nichts gelernt? Mit Albert Einstein dürfen wir warnen: Wahnsinn ist es, zweimal das Gleiche zu versuchen und ein anderes Ergebnis zu erwarten.
Arroganz zeigte sich bisher auch in einer für die SCB-Historie und SCB-Kultur beschämenden Zweikampfschwäche. Gottéron spielt mit Leidenschaft und Disziplin. Aber Gottéron ist kein einschüchterndes Rumpelteam. Der wahre SCB müsste Gottéron in Sachen Härte mindestens auf Augenhöhe begegnen.
Bereits in der ersten, vor allem aber in der zweiten Partie sind die Berner herumgeschubst und dominiert worden. Die «Innenseite» vermochten sie bei Zweikämpfen viel zu oft weder in der eigenen noch in der gegnerischen Zone zu behaupten. Also waren sie nicht dazu in der Lage, sich vor dem eigenen und dem gegnerischen Tor durchzusetzen. Das 3:0 ist ein logisches und erst noch gnädiges Resultat. Um in der Hockeysprache zu bleiben: SCB-Weicheier.
Die Härte, die vom SCB in der Schlussphase doch noch ins Spiel gebracht wurde, war disziplinlose «Frusthärte». Die Prügeleinlagen von Simon Kindschi waren lächerlich. Der sinnlose Check mit Anlauf und in Bandennähe von Tristan Scherwey gegen Jakob Lilja (55.) ist mit zwei Minuten viel zu gnädig bestraft worden: Diese gesundheitsgefährdende Aktion müsste eigentlich einen Restausschluss plus Verfahren plus zwei Spielsperren nach sich ziehen.
Nach einem 0:2-Rückstand im Viertelfinal ist noch nichts verloren. Lugano ist 2006 sogar nach einem 0:3 gegen Ambri im Viertelfinal Meister geworden. Allerdings ist Trainer Larry Huras nach der zweiten Niederlage gefeuert und durch Harold Kreis ersetzt worden.
Nein, der Chronist fordert keinen Trainerwechsel. Das wäre weit übers Ziel hinausgeschossen und der Polemik viel zu viel. Jussi Tapola hat offensichtlich selbst in zwei Jahren den unter seinen Vorgängern tief in die SCB-Seelen eingesickerten Larifari-Betrieb noch nicht ganz abstellen können. Der Zeitpunkt, Tacheles mit den Spielern zu reden, ohne Rücksicht auf Namen, Verdienste und Saläre ist nun gekommen. Ein paar Umstellungen und taktische Handgriffe reichen nicht mehr. Nur eine heftige Reaktion mit Härte, Disziplin und Verstand kann die Wende bringen.
Der SCB hat dazu alle hockeytechnischen Voraussetzungen. Obersportchef Martin Plüss könnte gegenüber Marc Lüthi einen Trainer nicht mehr im Amt halten, dem – um in der Hockeysprache zu bleiben – Lars Leuenberger die Hosen heruntergelassen hat. Ein Scheitern gegen Gottéron würde eine Entwicklung in Gang setzen, an deren Ende nicht der nächste Titel stehen wird. Sondern Zustände wie in Lugano.
Ende der Polemik.
Was man nicht vergessen darf, ist, dass Gottéron zwar "nur" 6. wurde. Aber seit Leuenbergers Übernahme gehört Gottéron zu den besten Teams der Liga. Bern ist alles andere als der glasklare Favorit.
Und ja bis anhin sehe ich ein leidenschaftliches, härteres Gottéron. Und gestern war Bern, bis auf die Schlussphase als alles nach vorne geworfen wurde, harmlos.