Sport
Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: Am Donnerstag und Freitag tagen die Hockeygeneräle

Titanic
Ergeht es dem Schweizer Hockey gleich wie der Titanic? Noch bleibt etwas Zeit für die Rettung.Bild: Shutterstock
Eismeister Zaugg

Die Hockey-Generäle tagen – oder das Titanic-Syndrom im Kemmeriboden-Bad

Die Manager der zwölf NL-Klubs versammeln sich am Donnerstag und am Freitag zwei Tage lang im Kemmeriboden-Bad im tiefsten Emmental. Um die nächste Saison und die weitere Zukunft der höchsten Liga zu beraten. Möge die Weisheit Gotthelfs über sie kommen.
29.07.2020, 21:1329.07.2020, 23:48
Mehr «Sport»

Diesmal ist es nicht eine gewöhnliche Liga-Versammlung. Sondern eine Klausur. Also eine Tagung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gemeinsam oder in Gruppen, manchmal auch unter Anleitung eines Moderators oder einer Moderatorin werden bestimmte Themenbereiche besprochen.

Wie wichtig es diesmal ist, zeigt sich erstens daran, dass von allen zwölf Klubs die General Manager (CEO) vertreten sind. «Wenn einer einen Stellvertreter schickt, dann kann der gleich wieder heimgehen», sagt einer der Wortführer der Liga. Die Vertreter der Swiss League sind nicht dabei. Sie werden inzwischen in allen wichtigen Fragen übergangen. Diese Trennung der beiden höchsten Ligen ist politisch nicht klug und wird zu Spannungen führen.

Und zweitens zeigt sich die Wichtigkeit im Tagungsort. So abgelegen haben sich Eishockey-Funktionäre noch nie getroffen. Von Langnau bis ins idyllische Kemmeriboden-Bad ist es genau gleich weit wie von Langnau auf den Bundesplatz zu Bern.

Am Ende der Welt: Hier tagen die Hockeygeneräle.

Die zwei wichtigsten Kemmeriboden-Themen der «Handsome Twelve» unseres Hockeys: das Konzept für die nächste Saison und die Ausgestaltung der Liga in den nächsten Jahren (Salary Cap, Modus, Auf- und Abstieg). Tagwache ist am Freitag um 5.30 Uhr. Möge im tiefsten Emmental am Fusse des Hohgant und des Schibengütsch die Weisheit Gotthelfs über unsere Hockey-Macher kommen.

Ziel: 60 Prozent Stadion-Auslastung

Liga-Manager Denis Vaucher hat die «60-Prozent-Formel» ausgearbeitet. Statt eine Begrenzung der Zuschauerzahl (zurzeit 1000 pro Spiel) eine prozentuale Auslastung der Stadien. Dieses Konzept haben die Fussballgeneräle kopiert und soeben der Öffentlichkeit vorgestellt.

Einzige Abänderung: Sie gehen von 50 Prozent Auslastung aus. Im Hockey soll sie höher sein. Die wesentlichen Punkte sind im Fussball und im Hockey gleich: Maskenpflicht, keine Stehplätze, keine Gästefans, Aufteilung in Sektoren mit eigenen Toiletten, Verpflegungsmöglichkeiten, Ein- und Ausgängen.

Im Eishockey ist klar: Bleibt es bei einer 1000-Zuschauer-Grenze bis im März 2021, gibt es keine nächste Saison. Der einzige Klub, der seinen Betrieb unter diesen Voraussetzungen nicht einstellen würde, ist der SC Bern. Rund 60 Prozent des Konzernumsatzes von 60 Millionen erwirtschaftet der SCB mit der Gastronomie. Davon sind wiederum rund 60 Prozent direkt vom Spielbetrieb abhängig.

Kann nicht gespielt werden, wird der SCB mit einem Umsatz von ungefähr 15 Millionen zum drittgrössten Gastronomie-Betrieb im Bernbiet und SCB-Manager Marc Lüthi vorübergehend ein Gastwirt. Die Lage ist zu ernst, um zu werweissen, welche Aufgaben Marc Lüthi in diesem Falle seiner neuen Sportchefin Florence Schelling zuweisen würde.

1000er-Regel wäre K.-o.-Schlag

Den Profibetrieb müssten bei einer 1000er-Begrenzung alle Klubs einstellen. Keine Zuschauereinnahmen, keine TV-Gelder und massiver Rückgang der Sponsoreneinnahmen. Die Spieler hätten dann die Möglichkeit, aufs Arbeitsamt zu gehen. Allerdings werden nur Löhne bis maximal rund 150'000 Franken durch die Arbeitslosenversicherung gedeckt.

An den beiden höchsten Ligen hängen im Eishockey direkt oder indirekt mehr als 2000 Arbeitsplätze. Die Nachwuchsmeisterschaften könnten hingegen ausgetragen werden. Für den Nachwuchs gibt es staatliche Förderungsgelder. Auch die Meisterschaft im Amateurhockey wäre zumindest theoretisch möglich.

An eerie atmosphere in the almost empty stadium during the Swiss National League ice hockey match between EHC Bieland ZSC Lions, Friday, February 28, 2020 in the Tissot Arena in Biel, Switzerland. As  ...
Leere Ränge beim Meisterschaftsspiel zwischen dem EHC Biel und den ZSC Lions am 28. Februar: Geisterspiele können sich die Clubs nicht leisten.Bild: KEYSTONE

Das rege Treiben im Fussball und im Hockey mahnt ein wenig an die Hektik im Büro der Ingenieure auf der Titanic. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Titanic sinken könnte. Sie galt als unsinkbar. In der gleichen Sicherheit wiegen sich die Macher in unserem Profi-Fussball und -Hockey. Es kann sich einfach niemand vorstellen, dass es keine Saison 2020/21 gibt. Und so wie die Ingenieure auf der Titanic rechneten, wie viel Wasser noch in den Rumpf laufen darf, bis das Schiff sinkt, so rechnen jetzt die tüchtigen Klubmanager, wie viele Zuschauer sie in den Stadien benötigen, damit der Betrieb weitergehen kann.

In Langnau wird erzählt, der umsichtige Geschäftsführer Peter Müller habe ein Progrämmli entwickelt: Er könne die Zuschauerzahl eingeben und der Computer rechne ihm in Echtzeit aus, wie viel Prozent der Löhne er entsprechend auszahlen dürfe. So einfach, so dramatisch ist es bei allen Klubs.

Kantone werden Hoheit wohl behalten

Wie wir heute wissen, ist die Titanic gesunken. Aber können auch die Meisterschaften im Fussball und Hockey untergehen? Das schliessen im Moment noch alle aus. Die Hoffnungen ruhen auf der «60-Prozent-Formel». Wird der Bundesrat diese Formel am 12. August bewilligen und für die Kantone verbindlich erklären? Auch davon geht eigentlich niemand aus.

Als wahrscheinlichstes Szenario gilt: Der Bundesrat überlässt am 12. August die Entscheidungshoheit weiterhin den Kantonen. Die Klubs müssen dann mit ihren kantonalen Behörden die «60-Prozent-Formel» aushandeln. Im Eishockey sind dafür 14 verschiedene Kantonsregierungen zuständig. Bleiben die Kantone hart (bei einer Begrenzung von 1000 Zuschauern), dann sinkt die Titanic und es gibt keine nächste Saison.

Ambri's fans celebrate the victory after the preliminary round game of National League Swiss Championship 2018/19 between HC Ambri Piotta and SC Lakers at the ice stadium Valascia in Ambri, Switz ...
Hockey vor proppenvollen Stehrampen: Wann werden wir das wieder erleben dürfen?Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Einige Klubmanager sagen, es werde, es müsse eine Lösung geben. Wenn man Spiele mit mehr als 1000 Zuschauern verbiete, dann müsse man ja im nächsten Winter auch die Skipisten schliessen. Das ist richtig. Aber die tüchtigen Hockeygeneräle vergessen eines: Der Tourismus ist so wichtig und die Tourismus-Vertreter sind politisch so gut vernetzt, dass sie immer Ausnahmeregelungen herausholen.

Die Fussball- und Hockeygeneräle haben in der Vergangenheit das politische Lobbying arg vernachlässigt. Wozu auch ständig den Politikerinnen und Politikern «höbelen»? Man wähnte sich in der eigenen Wichtigkeit als unantastbar. Dieses «Titanic-Syndrom» rächt sich jetzt. So wie es sich auf der Titanic rächte, dass nicht genügend Rettungsboote mitgeführt worden sind. Die waren ja bei einem unsinkbaren Schiff nicht nötig.

watson Eishockey auf Instagram
Selfies an den schönsten Stränden von Lombok bis Honolulu, Fotos von Quinoa-Avocado-Salaten und vegane Randen-Lauch-Smoothies – das alles findest du bei uns garantiert nicht. Dafür haben wir die besten Videos, spannendsten News und witzigsten Sprüche rund ums Eishockey.

Folge uns hier auf Instagram.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
1 / 76
NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
HC Davos: 5 - Marc Gianola.
quelle: keystone / fabrice coffrini
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Dinge, die Hockey-Fans niemals sagen würden
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
bebby
29.07.2020 22:11registriert Februar 2014
Die treffen sich sicher dort wegen der feinen Meringue und Glace :-)
1742
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bobby Sixkiller
29.07.2020 22:13registriert Oktober 2017
Es ist eine verdammte Frechheit, dass die Vertreter der NLB Klubs nicht mit dabei sind!!!
14734
Melden
Zum Kommentar
avatar
Denverclan
29.07.2020 21:31registriert September 2016
Schutzkonzept und 60% Auslastung ohne Stehplatz-Zuschauer...etwas anderes ist nicht möglich. Und dann darauf hoffen, dass 2021/22 ein Impfstoff da ist! Da müssen wir einfach durch....🤷‍♂️
12822
Melden
Zum Kommentar
19
Kinnunen wechselt zu Langnau +++ Ajoie verlängert mit Verteidiger Honka
Die Saison ist noch nicht besonders alt und trotzdem basteln die Klubs schon an ihren Teams fürs nächste Jahr. Hier gibt es die Transfer-Übersicht für 2025/26.

Santtu Kinnunen wechselt auf die nächste Saison innerhalb der National League von den ZSC Lions zu den SCL Tigers. Der finnische Verteidiger unterschrieb bei den Langnauern einen Einjahresvertrag.

Zur Story