Diesmal ist es nicht eine gewöhnliche Liga-Versammlung. Sondern eine Klausur. Also eine Tagung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gemeinsam oder in Gruppen, manchmal auch unter Anleitung eines Moderators oder einer Moderatorin werden bestimmte Themenbereiche besprochen.
Wie wichtig es diesmal ist, zeigt sich erstens daran, dass von allen zwölf Klubs die General Manager (CEO) vertreten sind. «Wenn einer einen Stellvertreter schickt, dann kann der gleich wieder heimgehen», sagt einer der Wortführer der Liga. Die Vertreter der Swiss League sind nicht dabei. Sie werden inzwischen in allen wichtigen Fragen übergangen. Diese Trennung der beiden höchsten Ligen ist politisch nicht klug und wird zu Spannungen führen.
Und zweitens zeigt sich die Wichtigkeit im Tagungsort. So abgelegen haben sich Eishockey-Funktionäre noch nie getroffen. Von Langnau bis ins idyllische Kemmeriboden-Bad ist es genau gleich weit wie von Langnau auf den Bundesplatz zu Bern.
Die zwei wichtigsten Kemmeriboden-Themen der «Handsome Twelve» unseres Hockeys: das Konzept für die nächste Saison und die Ausgestaltung der Liga in den nächsten Jahren (Salary Cap, Modus, Auf- und Abstieg). Tagwache ist am Freitag um 5.30 Uhr. Möge im tiefsten Emmental am Fusse des Hohgant und des Schibengütsch die Weisheit Gotthelfs über unsere Hockey-Macher kommen.
Liga-Manager Denis Vaucher hat die «60-Prozent-Formel» ausgearbeitet. Statt eine Begrenzung der Zuschauerzahl (zurzeit 1000 pro Spiel) eine prozentuale Auslastung der Stadien. Dieses Konzept haben die Fussballgeneräle kopiert und soeben der Öffentlichkeit vorgestellt.
Einzige Abänderung: Sie gehen von 50 Prozent Auslastung aus. Im Hockey soll sie höher sein. Die wesentlichen Punkte sind im Fussball und im Hockey gleich: Maskenpflicht, keine Stehplätze, keine Gästefans, Aufteilung in Sektoren mit eigenen Toiletten, Verpflegungsmöglichkeiten, Ein- und Ausgängen.
Im Eishockey ist klar: Bleibt es bei einer 1000-Zuschauer-Grenze bis im März 2021, gibt es keine nächste Saison. Der einzige Klub, der seinen Betrieb unter diesen Voraussetzungen nicht einstellen würde, ist der SC Bern. Rund 60 Prozent des Konzernumsatzes von 60 Millionen erwirtschaftet der SCB mit der Gastronomie. Davon sind wiederum rund 60 Prozent direkt vom Spielbetrieb abhängig.
Kann nicht gespielt werden, wird der SCB mit einem Umsatz von ungefähr 15 Millionen zum drittgrössten Gastronomie-Betrieb im Bernbiet und SCB-Manager Marc Lüthi vorübergehend ein Gastwirt. Die Lage ist zu ernst, um zu werweissen, welche Aufgaben Marc Lüthi in diesem Falle seiner neuen Sportchefin Florence Schelling zuweisen würde.
Den Profibetrieb müssten bei einer 1000er-Begrenzung alle Klubs einstellen. Keine Zuschauereinnahmen, keine TV-Gelder und massiver Rückgang der Sponsoreneinnahmen. Die Spieler hätten dann die Möglichkeit, aufs Arbeitsamt zu gehen. Allerdings werden nur Löhne bis maximal rund 150'000 Franken durch die Arbeitslosenversicherung gedeckt.
An den beiden höchsten Ligen hängen im Eishockey direkt oder indirekt mehr als 2000 Arbeitsplätze. Die Nachwuchsmeisterschaften könnten hingegen ausgetragen werden. Für den Nachwuchs gibt es staatliche Förderungsgelder. Auch die Meisterschaft im Amateurhockey wäre zumindest theoretisch möglich.
Das rege Treiben im Fussball und im Hockey mahnt ein wenig an die Hektik im Büro der Ingenieure auf der Titanic. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Titanic sinken könnte. Sie galt als unsinkbar. In der gleichen Sicherheit wiegen sich die Macher in unserem Profi-Fussball und -Hockey. Es kann sich einfach niemand vorstellen, dass es keine Saison 2020/21 gibt. Und so wie die Ingenieure auf der Titanic rechneten, wie viel Wasser noch in den Rumpf laufen darf, bis das Schiff sinkt, so rechnen jetzt die tüchtigen Klubmanager, wie viele Zuschauer sie in den Stadien benötigen, damit der Betrieb weitergehen kann.
In Langnau wird erzählt, der umsichtige Geschäftsführer Peter Müller habe ein Progrämmli entwickelt: Er könne die Zuschauerzahl eingeben und der Computer rechne ihm in Echtzeit aus, wie viel Prozent der Löhne er entsprechend auszahlen dürfe. So einfach, so dramatisch ist es bei allen Klubs.
Wie wir heute wissen, ist die Titanic gesunken. Aber können auch die Meisterschaften im Fussball und Hockey untergehen? Das schliessen im Moment noch alle aus. Die Hoffnungen ruhen auf der «60-Prozent-Formel». Wird der Bundesrat diese Formel am 12. August bewilligen und für die Kantone verbindlich erklären? Auch davon geht eigentlich niemand aus.
Als wahrscheinlichstes Szenario gilt: Der Bundesrat überlässt am 12. August die Entscheidungshoheit weiterhin den Kantonen. Die Klubs müssen dann mit ihren kantonalen Behörden die «60-Prozent-Formel» aushandeln. Im Eishockey sind dafür 14 verschiedene Kantonsregierungen zuständig. Bleiben die Kantone hart (bei einer Begrenzung von 1000 Zuschauern), dann sinkt die Titanic und es gibt keine nächste Saison.
Einige Klubmanager sagen, es werde, es müsse eine Lösung geben. Wenn man Spiele mit mehr als 1000 Zuschauern verbiete, dann müsse man ja im nächsten Winter auch die Skipisten schliessen. Das ist richtig. Aber die tüchtigen Hockeygeneräle vergessen eines: Der Tourismus ist so wichtig und die Tourismus-Vertreter sind politisch so gut vernetzt, dass sie immer Ausnahmeregelungen herausholen.
Die Fussball- und Hockeygeneräle haben in der Vergangenheit das politische Lobbying arg vernachlässigt. Wozu auch ständig den Politikerinnen und Politikern «höbelen»? Man wähnte sich in der eigenen Wichtigkeit als unantastbar. Dieses «Titanic-Syndrom» rächt sich jetzt. So wie es sich auf der Titanic rächte, dass nicht genügend Rettungsboote mitgeführt worden sind. Die waren ja bei einem unsinkbaren Schiff nicht nötig.