Sparsam und vernünftig sein in Zeiten der Krise. So hat es vor der Saison landauf und landab geheissen. Als einzige haben sich die Langnauer an diesen Vorsatz gehalten. Zwar holten sie mit Marcus Nilsson doch einen vierten Ausländer. Der Topskorer der letztjährigen schwedischen Meisterschaft war halt wohlfeil zu haben und Präsident Peter Jakob hat ihn finanziert. Da war die Versuchung zu gross.
Aber weil Robbie Earl wegen den Spätfolgen einer Gehirnerschütterung nur noch in 15 Spielen (zwei Tore) eingesetzt werden konnte und sich Erik Brannström schon nach zehn Einsätzen in die NHL verabschiedete, haben die SCL Tigers als einziges Team der Liga nie in einem Spiel vier Ausländer einsetzen können.
Eigentlich wollte Mehrheitsaktionär «Käru B.», ein erfolgreicher High-Tech Unternehmer aus dem Berner Oberland, der seinen Namen nicht gerne irgendwo liest, im Januar einen weiteren Gastarbeiter finanzieren. «Käru» hat dann doch darauf verzichtet. Als Präsident der SCL Young Tigers (der Nachwuchsorganisation) hätte es sich nicht gut gemacht, Ausländer einfliegen zu lassen.
Aber es gibt eine bittere Lehre aus dem Mut zur Vernunft: Mit dem jüngsten Team der Liga, bei konsequenter Förderung der eigenen Talente, geht es nicht ohne gutes und vollzähliges ausländisches Personal. Letzte Saison hatten die Ausländer 48 Tore beigesteuert, in der vorletzten sogar 63 und es reichte für die Playoffs. Diese Saison haben die Spieler mit ausländischer Lizenz erst für 14 Tore gesorgt.
Erstmals seit dem Wiederaufstieg von 2015 werden die Langnauer die Qualifikation auf dem letzten Platz beenden. Die Musterknaben der Vernunft werden mit Misserfolg bestraft. Bei den Ausländern sparen heisst: am Tabellenende schmoren.
Das eigentliche Opfer der Vernunft ist Trainer Rikard Franzén. Der 52-Jährige hat, wie ihm aufgetragen worden ist, die Ausbildung stärker gewichtet als die Resultate und 28 Spielern mehr als neun Minuten Eiszeit gewährt. Ligarekord. Bei Servette sind es beispielsweise bloss 18 Spieler.
Es ist dem Schweden gelungen, die Leistungskultur unter schwierigen Umständen zu erhalten. Seine Jungs haben trotz bisher 33 Niederlagen in 41 Partien nicht resigniert. Sie versuchen weiterhin tapfer, in jeder Partie ein Maximum herauszuholen. Hin und wieder reicht es für einen Sieg. Sogar dreimal gegen die ZSC Lions und zweimal gegen den SCB.
So gesehen hat Langnaus schwedischer Trainer ein Wunder vollbracht. Eine Vertragsverlängerung schien nur eine Frage der Zeit und eine Selbstverständlichkeit zu sein. Aber am Ende des Tages geht es eben doch um Sieg und Niederlage: Rikard Franzén verliert seinen Job. Für ihn gilt am Ende seiner ersten Saison als Cheftrainer: Die Letzten beissen die Hunde. Wie im gleichnamigen Film mit Clint Eastwood.
Ein Kritiker hat über diesen Streifen geschrieben: «Im Verlauf der Handlung nehmen Tragik und Risiko zu. Man hat ständig das Gefühl, dass jedem Sieg eine Niederlage folgt, die dem Erfolg wieder mehr nimmt, als er gebracht hat.» Was akkurat auch zur Saison der SCL Tigers passt.
Dieser Undank hat Rikard Franzén tief getroffen. Die freundlichen Worte von Sportchef Marc Eichmann («Er hat unsere Vorgabe, den jungen Spielern mehr Eiszeit und Verantwortung zu geben, gut umgesetzt und ich möchte mich herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken») sind ihm ein schwacher Trost. Aber als Gentleman hat er seinen Unmut für sich behalten.
Nächste Saison steht Jason O'Leary (42) an der Bande. Er feierte 2017 mit Langenthal den Titel in der Swiss League und führte eine Saison (2018/19) Zugs Farmteam. Soeben ist er in Iserlohn (DEL) gefeuert worden.
Eichmann kennt seinen künftigen Trainer aus gemeinsamen Zeiten in Langenthal und rühmt ihn über den grünen Klee: «Einerseits bringt er Erfahrung aus dem Profihockey mit, andererseits überzeugte uns sein Mix aus Ausbildungs- und Sozial-Kompetenz.» In Tat und Wahrheit geht es wohl auch darum, im Hinblick auf den Saisonkartenverkauf Aufbruchstimmung zu verbreiten. Nach dem Motto: neue Saison, neuer Trainer, neues Glück.
O'Leary wird nur schon deshalb bessere Resultate herausholen, weil nächste Saison alle vier Ausländerpositionen besetzt werden. Bis auf die Ausländer (keiner hat einen weiterlaufenden Vertrag) steht die Mannschaft bereits. Neu kommen Miro Zryd vom SC Bern, Michael Loosli von den Lakers, Janis Elsener von den SCB-Junioren und Livio Langenegger, der Captain der EVZ Academy.
So können die Abgänge von Andrea Glauser (zu Lausanne), Federico Lardi (Rücktritt), Raphael Kuonen (Visp), Benjamin Neukomm (Lakers) und Julian Schmutz (Davos) bei weitem nicht kompensiert werden. Aber was den Langnauer hoch anzurechnen ist: Sie halten an ihrer Politik der Vernunft fest.
«Wir werden nur noch einen Schweizer Stürmer verpflichten. Weitere Transfers gibt es nicht mehr», sagt Sportchef Eichmann. Ein Glück für die Langnauer, dass es auch im Frühjahr 2022 keinen Absteiger geben wird.
Aber womöglich gibt es halt auch am Ende der nächsten Saison nach einem letzten Schlussrang wieder einen neuen Trainer – die Letzten beissen die Hunde. Jedenfalls sind im Zweijahresvertrag mit Jason O'Leary die Modalitäten für eine vorzeitige Auflösung schon festgeschrieben.
Ob Franzén ohne Corona Trainer geworden und Eichmann Sportchef, glaube ich eher nicht. Aber wozu zusätzlich Geld ausgeben, wenn klar ist, dass es diese Saison keinen Abstieg gibt? Dieses Minus wird in die nächste Saison mitgenommen.
Ich finde dieTigers haben das Beste aus den Umständen gemacht und konnten noch Junioren Spielpraxis bieten.
Gut gemacht.
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