Alles in Zürich. Zürich ist der Nabel der Schweiz. Der Verband («Swiss Ice Hockey») hat den Sitz in Zürich. Also trägt die Schweiz bei der Heim-WM vom 8. bis 24. Mai 2020 ihre sieben Gruppenspiele gegen Russland, Finnland, die USA, Lettland, Norwegen und Italien in Zürich aus. Das ist bequemer und entspricht dem Selbstverständnis und der Arroganz der Deutschschweizer und Zürcher. Alles logisch? Alles klar?
The groups for the 2020 #IIHFWorlds have been determined! New World Champion Finland and bronze medallist Russia will join host Switzerland in Zurich. World Ranking leader Canada and dethroned World Champion Sweden will play in Lausanne.
— IIHF (@IIHFHockey) 28. Mai 2019
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Nein. Die erfolgreichen Organisatoren der letzten beiden WM-Turniere in Dänemark (2018) und in der Slowakei (2019) haben es anders gemacht. Die Dänen spielten ihre sieben Vorrunden-Partien in Herning und nicht im Hauptspielort Kopenhagen. Die Slowaken in Kosice und nicht in der Hauptstadt Bratislava.
Die Begeisterung im Zweitspielort war gross, die Stadien gut ausgelastet und im Hauptspielort war das Zuschauer-Aufkommen sowieso kein Problem. Das Argument, dass die einheimische Mannschaft das grössere Stadion am Hauptspielort füllt und so für eine höhere Gesamtzuschauerzahl sorgt, ist in Dänemark und Kopenhagen entkräftet worden: die Präsenz der Heimmannschaft im Zweitspielort hat dort die Begeisterung entfacht und bei den anderen Partien für viel höhere Zuschauerzahlen als erwartet gesorgt.
Ob letztlich vom die Gesamtzuschauerzahl mit der Schweiz in Zürich oder Lausanne grösser wird – darüber lässt sich streiten. Eine «matchentscheidende» Differenz dürfte es nicht sein. Die Schweiz ist ein Eishockey-Land. Die Gesamtzuschauerzahl von 307'000 (rund 4700 pro Spiel) um schwarze Zahlen zu schreiben, wird in den 64 Partien so oder so übertroffen.
Es geht um etwas ganz anderes. 2020 ist die dritte WM hintereinander in der Neuzeit in unserem Land, bei der die Schweizer ausschliesslich in der Deutschschweiz auftreten. 1998 hiessen die Austragungsorte Basel und Zürich, 2009 Bern und Kloten und jetzt spielt unsere Nationalmannschaft die sieben Gruppenspiele in Zürich und nicht in Lausanne. Höchstens für den Viertelfinal muss die Schweiz je nach Klassierung für eine einzige Partie nach Lausanne reisen.
Die Westschweiz hat mit den drei erstklassigen Klubs Servette, Lausanne und Fribourg-Gottéron ein enormes Potenzial. Spielt keine Rolle. Wollen die Welschen unsere Nationalmannschaft sehen, sollen sie gefälligst quer durchs Land bis nach Zürich reisen. Passt irgendwie dazu, dass – anders als 2009 – das Matchticket nicht zum Eisenbahnfahren berechtigt.
Unser Eishockey ist in der Westschweiz entstanden. Vom 18. bis zum 22. Januar 1910 ist in Les Avants ob Lausanne das erste Titelturnier in der Geschichte des Internationalen Verbandes (IIHF) ausgetragen worden. Grossbritannien gewann vor Deutschland, Belgien und der Schweiz, die alle drei Partien verlor: 1:5 gegen die Engländer, 1:9 gegen die Deutschen und 0:1 gegen die Belgier.
Seither ist die Schweiz bei Titelturnieren im eigenen Land (EM, WM, Olympische Spiele) auf höchstem Niveau nicht ein einziges Mal in der Westschweiz aufgetreten. Nicht 1922 (St. Moritz), nicht 1926 (Davos), nicht 1928 (St. Moritz), nicht 1935 (Davos), nicht 1939 (Zürich, Basel), nicht 1948 (St. Moritz), nicht 1953 (Zürich, Basel), nicht 1998 (Zürich, Basel) und nicht 2009 (Bern, Kloten).
Nur wenn wir zweitklassig waren (B-WM) war das Welschland 1961 und 1971 (damals fand die A- und B-WM noch am gleichen Ort statt) mit B-Gruppen-Spielen in Lausanne, Genf (1961) und La Chaux-de-Fonds (1971) gut genug. 1985 wurde die B-WM in Fribourg ausgetragen. Bei der WM 1990 in Bern und Fribourg spielte nur noch die A-Gruppe und die Schweiz gehörte nicht dazu.
Es passt auch, dass diese WM wegen ungenügender Organisation in Bern mit einem riesigen Defizit geendet hätte. Der damalige Verbandspräsident René Fasel (Fribourg) organisierte schliesslich mit Jean Tinguely (Fribourg) eine grandiose Rettungsaktion, die über eine Million einbrachte: der berühmte Maler und Bildhauer kreierte extra und exklusiv für die WM Kunstwerke. Die Welschen retteten die Deutschschweizer.
Der Organisator kann bestimmen, welche Gruppe in welcher Stadt spielt. Die WM 2020 wäre eine wunderbare und einzigartige Gelegenheit gewesen, dem Eishockey in der Romandie die Referenz zu erweisen, indem die Schweizer im neuen Hockey-Tempel in Lausanne auftreten. Die Gelegenheit, die Einheit unseres Hockeys über den «Röstigraben» hinweg zu zelebrieren und «Merci» für die finanzielle Rettungsaktion von 1990 zu sagen.
Und es wäre auch eine Respektsbezeugung für René Fasel gewesen. Er beendet beim Herbstkongress 2020 seine 26-jährige Amtszeit. Er ist der amtsälteste und erfolgreichste IIHF-Präsident und einer der wichtigsten Schweizer Sportfunktionäre aller Zeiten.
Diese Chance verpasst zu haben, ist ein grober Fehler. Dass mit Jean-Marie Viaccoz ein Westschweizer das WM-OK präsidieren darf, ist Etikettenschwindel. Er hat nichts zu sagen und ist ohnehin nur ins Amt nachgerutscht, weil Verbands-Geschäftsführer Florian Kohler «Swiss Ice Hockey» im vergangenen November verlassen hat. Sonst hätte er das Präsidium übernommen.
OK-Generalsekretär Gian Gilli, WM-Sportdirektor Ueli Schwarz und Verbandspräsident Michael Rindlisbacher sagen, wo bei der WM die helvetische Musik spielt. Und auch sonst in unserem Hockey, wo «Bartli den Most holt». In und um Zürich und in der übrigen Deutschschweiz.
DAS ist ein Affront...
Oder sowas in der Art.
...Von dem her alles easy :)