Den letzten ganz grossen Sieg feierten die Schweizer vor bald fünf Jahren am 19. Mai 2018 im WM-Halbfinal in Kopenhagen gegen die Kanadier (3:2). Seither endete jedes wichtige Spiel ab Viertelfinal mit einer Niederlage. Mit oder ohne NHL-Profis.
Der Glanz des WM-Silbers von 2018 ist verblasst. Inzwischen verlieren die Schweizer auch reihenweise Operetten-Länderspiele. Das 1:2 gegen Tschechien war schon die sechste Niederlage in Serie im Rahmen der «Euro Hockey Tour», einer Turnierserie mit Schweden, Finnland, Tschechien und der Schweiz. Die Schweizer ersetzen in diesem Wettbewerb für mindestens zwei Jahre das aus dem internationalen Spielverkehr ausgeschlossene Russland.
Es ist, als ob Patrick Fischer, der WM-Silberheld von 2018 an eine gläserne Decke stossen würde: Alles ist in unserem Hockey vorhanden für einen neuen Exploit wie den Vorstoss in den WM-Final von 2018. Oder mindestens für den nächsten WM-Halbfinal. Aber es will einfach nicht mehr gelingen.
Einerseits ist es ein immenser Fortschritt, dass die Viertelfinal-Qualifikation bei einer WM oder bei einem Olympischen Turnier inzwischen fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Und in der WM-Vorrunde begeistern die Schweizer regelmässig mit hochklassigem, spektakulärem Tempohockey. Zuletzt waren sie bei der WM fast so etwas wie die Weltmeister der Herzen. Aber eben nur in der Vorrunde.
Andererseits ist die nun bald fünf Jahre andauernde Niederlagenserie bei Titelturnieren beunruhigend: Immer dann, wenn es ab dem Viertelfinal wirklich zählt, ist seit 2018 die Herrlichkeit zu Ende. Die Schweizer sind die offensiven Maulhelden des Welthockeys. Zum Vergleich: Die Slowaken haben mit gut 11'000 lizenzierten Spielern nicht einmal halb so gute Voraussetzungen wie die Schweiz (fast 30'000 Lizenzierte), ihre höchste Spielklasse ist eine Operettenliga und ihr Verband ist immer wieder mal durch Intrigen durchgeschüttelt worden. Aber sie erreichten in diesem Jahrhundert schon dreimal den Final (einmal sind sie Weltmeister geworden) und holten einmal WM- und einmal Olympia-Bronze (2022 in Peking). Das darf auch von den Schweizern erwartet werden.
Inzwischen reiht unsere Nationalmannschaft auch in Operetten-Länderspielen im Dezember und Februar Niederlage an Niederlage. Zuletzt 2:3 n.V. und 0:2 gegen Schweden, 1:2 und 1;2 n.V. gegen Tschechien, 1:4 und 5:6 n.P. gegen Finnland.
Jede Niederlage hat ihre ganz eigene Geschichte. Jede Niederlage ist erklärbar. Was nichts daran ändert, dass eine Niederlage eine Niederlage ist.
Niemand stellt Patrick Fischer in Frage. Er ist die charismatischste Persönlichkeit unseres Hockeys und der richtige Mann an der nationalen Bande. Und er versteht es, unsere NHL-Profis Jahr um Jahr für die WM-Teilnahme zu motivieren. Unter Fischer gibt es kein Absage-Theater mehr.
Zur Aufgabe des Nationaltrainers gehört es aber auch, aus den zur Verfügung stehenden Mitteln in jeder Situation ein Maximum herauszuholen. Er darf seine Mannschaft aus den besten Spielern des Landes zusammenstellen. Und nimmt zu viel Rücksicht auf die Klubs, die im Dezember oder im Februar immer wieder diesen oder jenen Spieler nicht fürs Nationalteam freistellen müssen.
Wenn die Schweizer bei der WM regelmässig über die Viertelfinals hinauskommen, wenn sie wieder einmal ein Maximum aus ihrem riesigen Potenzial machen wollen, dann sind zwei Voraussetzungen zwingend.
Eine dieser Voraussetzungen kann Patrick Fischer nicht beeinflussen: Ob die NHL-Spieler für die WM frei werden, hängt davon ab, ob sie mit ihren Klubs noch in den Stanley Cup-Playoffs engagiert sind. Ob Roman Josi, Nino Niederreiter, Timo Meier, Nico Hischier, Jonas Siegenthaler, Denis Malgin, Janis Moser, Pius Suter oder Kevin Fiala zur Verfügung stehen oder nicht, macht einen Unterschied.
Die zweite Voraussetzung kann Fischer hingegen sehr wohl beeinflussen: Den Aufbau einer stabilen Basis für ein WM-Team mit Spielern der National League. Dann wird die Abhängigkeit von den NHL-Stars geringer.
Ein Viertel der von Trainer Fischer aufgebotenen Spieler für die Partien der «Euro Hockey Tour» im Dezember und jetzt im Februar taugt nicht für eine Rolle bei einer WM. Und die allermeisten dieser Spieler werden auch in Zukunft nicht tragendes WM-Format haben.
Patrick Fischer hat es gerade wegen dem starken Einfluss der Klubs nicht einfach. Und doch: Seine Aufgebots-Politik ist bei Lichte gesehen eigentlich grober Unfug. Die Nationalmannschaft ist kein Ausbildungsteam. Sie ist eine Resultatmannschaft. Nur wenn in jedem Spiel – auch in den Operettenländerspielen – unbedingtes Resultatdenken gepflegt, wenn in jedem Spiel alles für den Erfolg vorgekehrt wird – auch beim Aufgebot – wird es bei der WM dauerhafte Fortschritte über die Viertelfinals hinaus geben.
Kommt dazu: Wenn die Schweiz ihren Platz in der «Euro Hockey Tour» behalten und nicht riskieren will, ab 2024/25 durch Deutschland oder die Slowakei ersetzt zu werden, sollte schon hin und wieder eine Partie gewonnen werden.
Ins Nationalmannschafts-Aufgebot für die «Euro Hockey Tour» im Dezember und Februar gehört nur, wer die spielerische Kragenweite eines aktuellen oder künftigen WM-Spielers hat. Die Nationalmannschaft muss wieder die Mannschaft werden, die ausschliesslich den Besten, den WM-Tauglichen vorbehalten ist. Im Dezember und Februar muss beginnen, was im Mai bei der WM leuchten soll. «Länderspiel-Folklore» wie im Dezember und Februar bringt uns nicht weiter.
Eine Siegermentalität ist die Summe von guten Gewohnheiten und dem Verzicht auf jede Form von Ausreden. Bei jedem Spiel. Eine Verlierermentalität ist die Summe von schlechten Gewohnheiten und guten Ausreden, die von der Mannschaftsführung toleriert werden. So gesehen gibt es gerade in der «Euro Hockey Tour» keine unbedeutenden Länderspiele.
Die Verantwortung dafür, ob eine Mannschaft eine Sieger- oder Verlierermentalität entwickelt, hegt und pflegt, trägt am Ende des Tages nur einer: der Cheftrainer.
Patrick Fischer setzt bei der WM richtigerweise hohe Ziele. Aber mit den Auftritten wie im Dezember und jetzt im Februar riskiert er, der charismatischste Verlierer unseres Hockeys zu werden. Es ist Zeit, die Leistungskultur, die Siegermentalität und das Resultatdenken bei der Nationalmannschaft – alles eigentlich in den Grundzügen vorhanden – wieder ein wenig aufzufrischen.
Fast so etwas wie Weltmeister der Herzen...
Einmal mehr wird ersichtlich, wie nicht nur Herr Zaugg die Fähigkeiten des CH Eishockeys masslos überschätzt.
Wir schaffen es nicht mal mehr, bspw. Deutschland zu besiegen.
Deutschland hat die Schweiz im Eishockey stehen lassen!
Es wird Zeit Demut zu üben und sich der Realität zu stellen.