Für einmal irrt Denis Vaucher, als Liga-General der wirkungsmächtigste Gestalter unseres Profihockeys.
Grosse Männer haben das Recht auf Irrtum. «Der VW-Käfer entspricht in keiner Weise den elementarsten technischen Erfordernissen eines Automobils. Er ist zu hässlich und zu laut. Seine Produktion würde sich als Verlustgeschäft erweisen.» Das sagte William Rootes 1945 über den VW-Käfer, nachdem man ihm die kostenlose Übernahme der Volkswagen-Werke angeboten hatte. Sein Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt einer der grössten Automobilhersteller Grossbritanniens. Der VW-Käfer war bis 2002 das meistverkaufte Auto der Welt.
Denis Vaucher hält von einem vernünftigen, der neuen Zeit angepassten Modus-Vorschlag für die Regelung des Auf- und Abstieges zwischen unseren beiden höchsten Ligen noch weniger als einst William Rootes vom VW-Käfer. Dieser Vorschlag wird unter anderem von Verbands-Geschäftsführer Patrick Bloch (beim Verband für die Swiss League zuständig) und TV-Generälen (deren Namen dem Berichterstatter soeben entfallen sind) für gut befunden.
Der aktuelle Modus: Der Sieger der Swiss League darf den Verlierer der NL-Playouts in der Liga-Qualifikation (Best of 7) herausfordern. Aber nur dann, wenn er von der Lizenzkommission für den Aufstieg für gut befunden worden ist. Diese Saison haben lediglich Olten und Visp die Aufstiegsbewilligung erhalten und Basel hatte das Gesuch nicht einmal gestellt.
Visp ist bereits im Halbfinal gegen La Chaux-de-Fonds auf der Strecke geblieben. Olten fehlt für den Final gegen La Chaux-de-Fonds noch ein Sieg gegen die GCK Lions. Die Neuenburger können nicht aufsteigen. Sie haben die Bewilligung nicht erhalten. Gewinnt Olten die Swiss League nicht, entfällt die Liga-Qualifikation. Wenn neben Visp auch Olten im Halbfinal scheitern würde, gäbe es nicht einmal mehr die NL-Playouts.
Der Vorschlag für die Modusänderung: Wer von den Teams mit Aufstiegsbewilligung am weitesten kommt, darf die Liga-Qualifikation bestreiten. Konkret: Verliert Olten den Final gegen La Chaux-de-Fonds, darf Olten trotzdem die Liga-Qualifikation bestreiten. Wenn zwei in den Playoffs gleich weit kommen, entscheidet die Klassierung in der Qualifikation. Denis Vaucher reagiert emotional, ja beinahe aufgebracht auf diesen Vorschlag. «Dann wären wir definitiv eine Operetten-Liga. Völlig chancenlos. Das kommt auf gar keinen Fall. Die National League würde dazu nicht Hand bieten.»
Hier eben irrt Denis Vaucher.
Die National League wird schleichend zur «Operetten-Liga», wenn der Modus nicht angepasst wird. Der 13. und der 14. bestreiten die NL-Playouts. Vom September bis Anfang März wird in der «Kellermeisterschaft» um Platz 12 gespielt, der die vorzeitige Rettung bedeutet. Ajoie, Kloten, die Lakers und Langnau waren entweder während der ganzen Qualifikation oder doch während Monaten in diese «Kellermeisterschaft» verwickelt. Die Fans haben gehofft, gelitten, gezittert, gejubelt.
In Ajoie eilten 115'500 Männer, Frauen und Kinder herbei, in Rapperswil-Jona 127'270, in Kloten 141'684 und in Langnau 145'738, um ihr Team in einer schwierigen Situation zu unterstützen. Mehr als eine halbe Million Fans also.
Gewinnt Olten die Swiss League nicht, gibt es keine Liga-Qualifikation. Mehr als eine halbe Million Fans haben dann also während Wochen oder gar Monaten umsonst gelitten, gehofft, gezittert, gejubelt. Denn nun heisst es: «Zittern um den Liga-Erhalt? April, April, niemand kann absteigen.» Das ist hochgradig unprofessionell. Das Publikum wird verarscht.
Sollte diese Situation zur Regel werden (vieles deutet darauf hin, dass das der Fall sein wird), dann verkommt die NL-Qualifikation teilweise zu einer reinen «Operetten-Meisterschaft». In mehrfacher Hinsicht: Wenn auch das Playout nicht gespielt werden muss (falls kein Aufstiegsanwärter den Final schafft), fehlt den TV-Machern ein Programmteil. Gemäss TV-Vertrag ist die National League angehalten, das Playout zu liefern. Wo Planungssicherheit, lieber Denis?
Und wenn auf einmal die Liga-Qualifikation, seit jeher ein Herzstück unseres Profibetriebes, kurzfristig mangels Aufstiegskandidaten abgesagt werden muss, dann macht sich unser Profihockey lächerlich.
Was spricht dagegen, den Aufstiegsanwärter auch dann zur Liga-Qualifikation zuzulassen, wenn er die Swiss League nicht gewinnt? Nichts. Rein gar nichts.
Schon jetzt steigt der Aufstiegsanwärter automatisch von der MyHockey League in die Swiss League auf, wenn er den Halbfinal erreicht. Die sportliche Konkurrenzfähigkeit ist sicherlich nicht das Problem: Wenn beispielsweise eine zerrüttete Organisation wie beispielsweise der EHC Kloten seinen Platz in der Liga-Qualifikation gegen ein intaktes, motiviertes, leidenschaftliches Team wie beispielsweise den EHC Olten verteidigen muss, dann ist Spektakel und Drama zu erwarten, ja sogar garantiert.
Das Problem: Mit allerlei bürokratischem Schabernack versucht sich die National League seit Jahren um den Auf- und Abstiegskampf zu drücken. Am liebsten hätten die Klubgeneräle eine geschlossene Liga ohne Relegation und Promotion. Sie unterliegen einem fundamentalen Irrtum. Diese unselige Vollkasko-Mentalität schadet auch der Swiss League, die als zweithöchste Liga das Fundament der National League ist.
Auf- und Abstieg dynamisiert den Teamsport und gehört zur DNA der Profiligen in Europa. Das Fussball-Business in Deutschland, Italien, England, Frankreich oder Spanien – und das ist hochprofessionelles «Big Business» – kennt und zelebriert den Auf- und Abstieg. Sogar den direkten Auf- und Abstieg. Diese Dramen mobilisieren die Fans ebenso wie das Ringen um den Titel.
Und so ist auch sichergestellt, dass schlecht gemanagte Klubs die Liga verlassen müssen und die Chance bekommen, sich von Grund auf zu erneuern. Eine Frischzellenkur für die Liga. Zuletzt haben sich Langnau, die Lakers und Kloten nach einem Abstieg gehäutet und reorganisiert und sind sportlich und wirtschaftlich frisch gebürstet und gekämmt in die höchste Liga zurückgekehrt. Inzwischen wäre es gut, wenn der EHC Kloten wieder mal frisch gebürstet und gekämmt würde.
Wenn Olten nicht in den Final vorrückt (was eher unwahrscheinlich ist), werden die Playouts nicht gespielt. Wenn Olten die Swiss League nicht gewinnt, entfällt die Liga-Qualifikation. Ein Stück Glaubwürdigkeit ist dann dahin. Desinteresse nach dem Motto «Ach, es geht ja doch um nichts, was kümmert uns das?» wird schon mittelfristig bei den Fans der «Keller-Klubs» ab Januar Einzug halten. Mit entsprechend verheerenden wirtschaftlichen Folgen. Hätte denn Olten als Finalverlierer eine Chance gegen den Playout-Verlierer? Ja, natürlich.
Olten mahnt aktuell unter Trainer Gary Sheehan an ein Ajoie ohne Jonathan Hazen und Philip-Michaël Devos. Im 5. Spiel gegen die GCK Lions haben Oltens Ausländer beim 5:2 am späten Sonntagnachmittag zum ersten Mal im Halbfinal getroffen. Was wäre Olten, wenn es, wie einst Ajoie in der zweithöchsten Liga, dominante Ausländer wie Hazen und Devos hätte? Auf diese Frage mag Gary Sheehan gar nicht eingehen.
Diese Ausgangslage bedeutet aber auch: Olten wird von den 18 Feldspielern mit Schweizer Pass getragen und dadurch unberechenbarer. Hockey ist ja ein Teamsport. Gary Sheehan hat im Aufwärmtraining am Sonntagmorgen die zwei ersten Linien neu gemischt. Erstmals liess er beim 5:2 gegen die GCK Lions die Schillerfalter Stanislav Horanski und Simon Sterchi (Sohn des bekannten SRF-Reporters Christoph Sterchi) gemeinsam stürmen. Zwei technisch brillante, zur Zweikampfscheu neigende Spektakelstürmer, die an Westentaschen-Ausgaben von Dominik Kahun mahnen. 4091 Fans waren begeistert. Olten rockt. Olten ist Hockeytown.
Und wäre es auch in der höchsten Liga. Eine gelungene Umstellung des Trainers hatte auf die Oltner eine ähnliche magische, stimulierende, inspirierende und anregende Wirkung wie einst der Kuss des Prinzen auf die verwunschene Prinzessin im Märchen vom Dornröschen. Auf die gleiche einfache Art und Weise wie Oltens Magie neu belebt worden ist, kann eine Modus-Änderung den Auf- und Abstiegskampf neu lancieren und wieder glaubwürdig machen. Im Interesse der National League, der Swiss League und unseres gesamten Profihockeys.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte