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Solo-Segler Felix Oberle: Die Herausforderungen einer Atlantik-Regatta

Felix Oberle und sein neues Prototyp-Boot in der Vorbereitung auf die Mini-Transat.
Felix Oberle und sein neues Prototyp-Boot in der Vorbereitung auf die Mini-Transat.Bild: Marion Le Guen

Im 6-Meter-Boot alleine auf hoher See – Orcas, Müll und zwanzig Minuten Schlaf

Solo-Segler Felix Oberle erklärt die Herausforderungen einer Atlantik-Überquerung.
02.09.2024, 09:18
Rainer Sommerhalder / ch media
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Felix Oberle ist Segelprofi. Ein ambitionierter Hochseesegler mit nahen Zielen und fernen Träumen. Der 33 Jahre alte Aarauer lebt die meiste Zeit des Jahres in der Bretagne. Dort trainiert er gemeinsam mit anderen Sportlern und bereitet sich auf seine Wettkämpfe vor. Diese bestreitet er allein in einem 6,50 Meter kleinen Segelboot – mit oder bisweilen auch gegen die Launen der Meere.

Soeben ist Oberle von seiner herausforderndsten und längsten Hochseeregatta in diesem Jahr zurückgekehrt. Sie führte in zwei Etappen von Les Sables d'Olonne an der französischen Atlantikküste auf die Azoreninsel Fajal und zurück. Das Rennen diente dem gelernten Maschinenbau-Ingenieur einerseits als Hauptprobe für das nächste grosse Ziel, die Mini-Transat im November 2025, aber auch zum Kennenlernen seines neuen Bootes.

Felix Oberle macht in der Bretagne sein Boot klar für die nächste Hochsee-Regatta.
Felix Oberle macht in der Bretagne sein Boot klar für die nächste Hochsee-Regatta.Bild: Marion Le Guen

Nachdem Felix Oberle 2021 sein erstes eigenes Boot «Mingulay» gekauft und das Leben voll und ganz auf den Segelsport ausgerichtet hatte, beendete er 2023 seine erste Mini-Transat mit diesem Serienboot als Vierter. Erst fünf Schweizer waren bei diesem seit 1977 alle zwei Jahre ausgetragenen Rennen besser klassiert. Die Regatta führt von Frankreich mit Zwischenhalt auf den Kanarischen Inseln quer über den Atlantik bis in die Karibik nach Guadeloupe. Die Segler müssen weitestgehend ohne technische Hilfsmittel und externe Kommunikation klarkommen.

Derzeit bereitet der 33-Jährige mit seinem neuen Prototyp-Boot die kommende Mini-Transat vor und überlässt dabei nichts dem Zufall. Schliesslich hat er sich nicht weniger als den Sieg vorgenommen. Durch einen glücklichen Umstand konnte er sich das zweifache Siegerboot dieser Regatta sichern. Diese Prototypen haben im Vergleich zu den Serienbooten eine grössere Segelfläche, einen Kipp-Kiel und zusätzliche Seitenschwerter. Das macht diese Schiffe aus Carbon leichter, deutlich schneller, aber auch anspruchsvoller zu manövrieren.

Wir haben uns mit Felix Oberle über vier wichtige Faktoren rund um diese Atlantik-Überquerung unterhalten:

Vorbereitung: Nichts geht über eine gute Planung

Felix Oberle fasst das Ziel der Vorbereitung sehr nüchtern zusammen: «Man muss allein über den Atlantik kommen». Die Vorbereitungsregatten und die verschiedenen Wettkampf-Simulationen im Training geben Aufschluss über technische Modifikationen, um das Schiff zu optimieren. Viele Überlegungen bei der Planung basieren auf der schlichten Gleichung: Je leichter das Boot, desto schneller. Der Segler sagt: «Alles, was ich mitnehme, hat zwei Funktionen. Beispielsweise dient der Kartentisch auch für eine allfällige Reparatur der Bordwand.»

Eine Herausforderung ist die Zusammenstellung des Essens. Ein besonderes Augenmerk gilt der Zufuhr von Vitaminen. Für Früchte oder Gemüse wird es bei einem 30-tägigen Aufenthalt auf See ohne Kühlungsmöglichkeit schnell einmal schwierig. Felix Obrist setzt auf täglich dreimal gefriergetrocknete «Astronauten-Nahrung», die er mit einem optimierten kleinen Wasserkocher erwärmt. Oberle sagt, bei allen Anstrengungen für eine perfekte Vorbereitung müsse man sich stets vor Augen führen: «Den Ernstfall kann man nicht wirklich proben».

Fitness: Körper und Geist werden herausgefordert

Bei einer Mini-Transat ist man rund 30 Tage allein auf See. Dies macht mit dem Körper so einiges. Trotz einem begrenzt möglichen Krafttraining unterwegs verliert man während des Rennens deutlich an Muskeln. «Ich hatte beim letzten Mal danach selbst beim Wandern meine liebe Mühe», sagt der Aargauer. Die körperliche Fitness ist ein wichtiger Teil des Trainings. Neben dem regelmässigen Krafttraining, um dank einer guten Rumpfstabilität die Schläge auf hoher See absorbieren zu können, gehören auch mehrere Ausdauereinheiten pro Woche zur Vorbereitung.

Ein Augenmerk gilt auch der mentalen Fitness. «Wenn man müde ist, wird man emotionaler», sagt Obrist. «Essen kann da aus psychologischer Sicht Trost oder Beruhigung sein. Ab und zu ein Stück Schokolade muss da schon drin liegen.»

Ein entscheidender Faktor ist der Schlaf. Felix Obrist ist seinem beruflichen Background der Forschungsarbeit folgend auch dieses Thema wissenschaftlich angegangen. Er liess seinen Schlafrhythmus in der Klinik Barmelweid analysieren, um so die bestmögliche Strategie abgestimmt auf seine innere Uhr und die Folgen des Schlafentzugs zu finden.

Felix Oberle sagt, es gebe durchaus Segler, denen es zu Beginn einer Hochsee-Regatta schlecht werde.
Felix Oberle sagt, es gebe durchaus Segler, denen es zu Beginn einer Hochsee-Regatta schlecht werde.Bild: Marion Le Guen

Er schläft während der Regatta mehrmals am Tag rund 20 Minuten, kommt dabei auf insgesamt fünf bis sechs Stunden täglich. Längere Schlafphasen sind deshalb gefährlich, weil sie die Gefahr einer Kollision etwa mit einem grossen Schiff oder einem auf dem Meer treibenden Objekt erhöhen. «Wenn ich vor dem Einschlafen nichts am Horizont sehe, ist aufgrund der jeweiligen Geschwindigkeiten trotzdem in einer halben Stunde ein Zusammenprall möglich», erklärt Obrist. Der spezielle Schlafrhythmus ist also auch der Kollisionsverhütung geschuldet.

Verschlafen darf man definitiv auch keinen Wetterwechsel. Das Aufkommen einer Front ist verbunden mit einer abrupten Änderung der Windrichtung. Ist also gut möglich, dass man auf einmal 90 Grad in die falsche Richtung segelt oder die Konkurrenz mit doppelter Geschwindigkeit unterwegs ist. «Ausnahmsweise ein 40-minütiges Nickerchen liegt definitiv nur bei regelmässigem Wetter drin», sagt Obrist.

Strategie: Wo die Wissenschaft helfen kann

Bei der Mini-Transat sind als technische Hilfsmittel einzig ein GPS für die Bestimmung des genauen Standorts sowie ein UKW-Funkgerät mit maximaler Reichweite von 50 Kilometer erlaubt. Strategisch sei Off-Shore-Segeln grundsätzlich einfach, erklärt Obrist. «Erfolg hat, wer während der Renndauer eine möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht.» Um das maximale Tempo zu generieren, müssen in erster Linie die sechs verschiedenen Segel optimal miteinander zusammenspielen. Die Wissenschaft beginnt mit der optimalen Konfiguration der Segel und des Autopiloten aufgrund der Signale der verschiedenen Sensoren.

Taktisch ist ein solches Rennen anspruchsvoll. Es gilt, die richtige Route zu finden, um windschwache Zonen zu meiden und optimal von Wetterfronten mit Windwechseln zu profitieren. Einmal täglich gibt die Rennleitung via Funk die meteorologische Situation bekannt. Daraus und aus Langzeit-Wettermodellen legen die Segler ihre Strategie fest. Man zeichnet sich quasi aus den Standorten von Hoch- und Tiefdruckgebieten seine eigene Wetterkarte, muss aber flexibel genug sein, die Taktik der Entwicklung anzupassen. Je länger man also unterwegs ist, umso weniger kann man sich dabei auf vordefinierte Szenarien verlassen.

Abenteuer: Risiko ist je nach Sichtweise relativ

Felix Oberle sagt von sich, er sei grundsätzlich ein Optimist. Keine schlechte Tugend im Hinblick auf mögliche Risiken auf der 8000 Kilometer langen Strecke der Mini-Transat. Auch Wind und Wellengang ängstigen ihn nicht. «Dafür trainieren wir. Ich spüre Respekt, aber keine Furcht», sagt der Aargauer.

Das A und O auf dem Boot bei stürmischer See ist die Sicherung. Denn wenn man über Bord fällt, hat man definitiv ein grösseres Problem. «Eine Hand zur Sicherung und eine Hand zum Arbeiten», erklärt er die ultimative Regel. Der Wellengang hat sogar Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Toilettengangs. Schliesslich dient als WC an Bord ein einfacher Kübel.

Auf den 8000 Kilometern in die Karibik lauern so einige Herausforderungen auf Steuermann und Boot.
Auf den 8000 Kilometern in die Karibik lauern so einige Herausforderungen auf Steuermann und Boot.Bild: Marion Le Guen

Gefragt ist auf hoher See immer auch die Kunst des Improvisierens, denn der Wettkampf ist und bleibt ein Ringen mit den Kräften der Natur. Und leider immer mehr auch mit der Verschmutzung der Meere. So steigt etwa die Gefahr eines Zusammenpralls mit einem im Meer schwimmenden Container oder anderem Material kontinuierlich. Real ist auch die Chance, dass sich Unrat in den Rudern unter dem Kiel verfängt. Was wiederum eine ganz spezielle Mutprobe für den Skipper auslöst: einen Tauchgang zur Beseitigung des Mülls. «Nicht mein Lieblingsszenario», sagt Oberle.

Ein Thema ist neuerdings auch das Verhalten der Orcas vor der iberischen Küste. Mehrere Boote der Regatta wurden bereits von ihnen herumgeschubst. Spätestens dann realisiert man, wie klein ein 6.50 Meter langes Boot im Grunde ist. Immerhin gelten diese Schiffe als unsinkbar. Trotzdem wurden aufgrund des angriffigen Verhaltens der Wale Sperrzonen definiert.

Verfolge Felix Oberle:
Homepage: www.felixoberle.com
Instagram: @felix_oberle

Felix Oberles Projekte fussen auf seinen Träumen. Bereits als Kind wollte er einmal im Leben über den Atlantik segeln. Ein weiterer Traum lässt ihn nicht mehr los: die Welt im Segelboot umrunden. Will er diesen Traum eines Tages als Wettkämpfer realisieren, dann hiesse diese Herausforderung Vendée Globe. Das Nonstop-Segelrennen rund um die Welt findet alle vier Jahre statt, führt über 45'000 Kilometer und dauert im Minimum knapp 80 Tage. Wobei die Ausfallquote zuletzt bei rund 40 Prozent lag. Noch ist es für Felix Oberle nur ein Traum.

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