Ein bisschen mehr als zwei Monate sind vergangen, seit die Schweizer Fussballer im EM-Viertelfinal gegen Spanien nach einem aufwühlenden Spiel im Elfmeterschiessen scheiterten. Es war das Ende einer wunderbaren Reise, emotional aufgeladen. Zwischen totaler Ernüchterung (0:3 gegen Italien) und überschwänglicher Freude (Penaltysieg gegen Frankreich) war alles dabei.
Haften geblieben ist der letzte Eindruck. Vladimir Petkovic und seine Spieler, wie sie am Flughafen empfangen wurden. Petkovic, wie er davon schwärmt, den Stolz der Leute zu spüren. Und hofft, dass es fortan immer so sein möge. «Ein Land hat sich verliebt», schrieb die «Sonntagszeitung» am Tag danach. «Überflieger», titelte die «NZZ am Sonntag». Und der «Sonntagsblick» konstatierte: «Als Fussballer gegangen – als Helden gekommen.»
Am Sonntagabend um 20:45 Uhr nun treten diese Helden in der WM-Qualifikation gegen Italien an. Und doch fühlt es sich so an, als wäre nichts mehr so wie an der EM. Trainer Petkovic ist längst in Bordeaux. Von den Spielern fehlen mit Xhaka, Freuler, Shaqiri, Embolo, Mbabu und Gavranovic doch ziemlich viele, die an der EM bedeutende Rollen einnahmen.
Auch darum ist Murat Yakin bei seiner ersten grossen Aufgabe als neuer Nationaltrainer besonders gefordert. Ein Satz von ihm ist nach der geglückten Premiere am Mittwoch gegen Griechenland (2:1) in Erinnerung geblieben: «Ich sehe nur Lösungen, keine Probleme», hat er gesagt. Am Tag seines ersten Auftritts erfuhr er, dass nun auch sein Captain Xhaka wegen Corona fehlen wird.
Es war schon immer eine der grossen Qualitäten Yakins, eine Situation so anzunehmen, wie sie ist - und daraus das Beste zu machen. Nun sitzt dieser Yakin am Samstagmorgen auf dem Podium im St.Jakob Park und sagt:
Die Ausgangslage für die Schweizer Startformation ist so spannend wie schon lange nicht mehr. Die Abwehr scheint mit Torhüter Sommer, Widmer, Elvedi, Akanji und Rodriguez gegeben, falls Yakin auf die Viererkette setzt. Im Mittelfeld sind Aebischer, Zakaria und Sow denkbar, vielleicht ist als Sechser auch Schär ein Thema, oder sogar der nachnominierte Routinier Frei, welcher der Defensive und dem Mittelfeld Stabilität geben könnte. In der Offensive dürften die Hoffnungen und die Last auf Zuber, Seferovic und dem in der Bundesliga gut in die Saison gestarteten Steffen liegen.
Das 1:1 von Rivale Italien gegen Bulgarien vom letzten Donnerstag verleiht dem Spitzenspiel vom Sonntag noch einmal mehr Brisanz. Seit Italien im November 2017 die WM-Barrage gegen Schweden verloren hat, ist die Furcht vor einer erneuten Barrage im Land des Europameisters durchaus gross. Man darf das Spiel am Sonntag darum – allen Problemen zum Trotz, welche die Nati in dieser Woche umwehten – auch als grosse Chance für die Schweiz betrachten. Yakin indes ist bemüht, noch nicht allzu weit vorauszudenken. Er sagt:
Die Ausgangslage in der Gruppe C dieser WM-Qualifikation ist seit letztem Donnerstag aus Schweizer Sicht so: Gewinnt die Schweiz fünf der verbleibenden sechs Spiele (zweimal gegen Italien, zweimal gegen Nordirland, je einmal gegen Bulgarien und Litauen), ist sie garantiert Gruppensieger und fährt an die WM 2022.
Der Gruppenzweite dagegen müsste die neue Barrage bestreiten. Der Modus ist neu, an die WM fährt nur, wer im März 2022 einen Halbfinal und einen Final gewinnt – ohne Rückspiele.
Aber eben: Das alles ist für Yakin noch Zukunftsmusik. Vorerst zählt nur die Gegenwart. Und die heisst: Italien. Zumindest der Rahmen wird stimmen. Der St.Jakob Park in Basel dürfte ausverkauft sein, von den 31'000 Tickets sind nur noch ganz wenige erhältlich. Die Schweizer Nati darf sich darum auf das erste echte Heimspiel seit dem 15. November 2019 freuen. Damals qualifizierte sich die Nati mit einem 1:0 gegen Georgien vor 16'400 Zuschauern in St.Gallen für die EM 2020. (bzbasel.ch)