Als vor drei Wochen das Weltwirtschaftsforum WEF in Davos begann, war Gianni Infantino ein gefragter Mann. Dem Präsidenten des Fussballverbands FIFA wurde dauernd auf die Schultern geklopft. Ging er durch die Gänge des Kongresszentrums, sah man ihn umringt von Männern, die ihm Komplimente zur WM in Katar machten, ihn sogar umarmten. «Thank you, thank you», gab Infantino dann zurück.
Diese Erlebnisse waren eine Genugtuung für ihn, nachdem er aus Europa wegen der WM in Katar und seiner bizarren Auftaktrede («heute fühle ich mich schwul») viel Kritik hatte einstecken müssen. In Davos, so schien es, war er fast so wohlgelitten wie in Katar.
Wortkarg wurde Infantino hingegen, als ihn CH Media darauf ansprach, ob er seinen Wohnsitz in Katar behalte oder schon bald weiterziehe.
Aus Infantinos Umfeld ist zu hören, dass er sich in der Golfregion ausgesprochen wohlfühlt und länger dort bleiben möchte. Noch im Mai 2022 hatte Infantino gesagt, er lebe mit seiner Familie teilweise in Katar, weil man «die Durchführung einer WM nicht einfach aus der Ferne machen kann». Infantino sagte damals ausdrücklich, er sei nur temporär im Wüstenstaat: «Das wird sich nach der WM 2022 wieder ändern.»
Nun ist die WM vorbei, doch Infantino wird noch immer kaum je am FIFA-Sitz in Zürich gesichtet. Darum fragt man sich dort: Wo steckt der Präsident?
Zurzeit noch immer oft in der Wüstenregion, heisst es aus gut informierten Quellen. Die beiden jüngsten seiner vier Töchter gehen vor Ort zur Schule. Doch noch besser als in Doha gefällt es Infantino im mondänen Dubai, das knapp eineinhalb Flugstunden entfernt ist. In Dubai, wo er eine Wohnung hat, hält er sich öfter auf. Darauf angesprochen sagte Infantino in Davos: «Fragen Sie bitte unsere Kommunikationsabteilung.» Dort weicht man aus. Es heisst einzig, Steuern zahle Infantino in der Schweiz und insgesamt sei er viel im Flugzeug unterwegs.
Recherchen zeigen nun, wohin die nächste Reise von Globalist Infantino führen dürfte. So viel vorweg: nicht zurück nach Zürich. Die FIFA prüft nämlich die Eröffnung eines Sitzes in den USA. Das bestätigt die FIFA-Medienstelle auf Anfrage. Es ist ein weiterer Schritt weg von Zürich, nachdem die FIFA im Sommer 2021 bereits eine Niederlassung in Paris eröffnet hatte.
Immer mehr und immer wichtigere Niederlassungen auf der ganzen Welt: Das ist Infantinos Strategie, um das globale Geschäft auszubauen und die Bedeutung von Zürich zu verkleinern, ohne der Limmatstadt den Status des Hauptsitzes abzusprechen. Vor Paris hatte die FIFA bereits in folgenden Ländern Niederlassungen eröffnet: Barbados, Indien, Malaysia, Neuseeland, Panama, Paraguay, Senegal, Kongo, Südafrika und Vereinigte Arabische Emirate.
Viele davon sind nur kleinere regionale Sitze, intern Entwicklungsbüros genannt. Paris ist wesentlich grösser. Ebenso soll der Standort in der aufstrebenden Fussballnation USA sein – «der Grösse des Marktes» entsprechend, wie es ein Kenner formuliert.
Die USA sind der Hauptaustragungsort der WM 2026, Spiele werden auch in den benachbarten Ländern Mexiko und Kanada stattfinden. Dass sich Infantino bereits vor dem Turnier oft auf amerikanischem Boden befinden werde, kündigte er an der berüchtigten Pressekonferenz zum WM-Start in Katar an: «Ich werde viel Zeit dort verbringen, ich bin Weltbürger», sagte er auf eine Frage der «New York Times».
Neu ist, dass mit seinen privaten Aufenthaltsplänen gleich eine Sitzeröffnung verbunden ist. Die FIFA lässt offiziell offen, ob der Standort temporär für die WM oder dauerhaft sein wird, ebenso teilt sie mit, der genaue Ort sei noch nicht entschieden.
Informierte Kreise sagen, Miami stehe im Vordergrund. In der Metropole Floridas hat bereits die Fussballkonföderation Amerikas und der Karibik (Concacaf) ihren Sitz. Diese Föderation ist indes wegen Korruptionsvorwürfen in Verruf geraten. Nebst Miami werden noch andere Domizile in den USA geprüft.
Miami hätte für Infantino einen Vorteil: Es wäre nur gut 100 Kilometer entfernt von Donald Trumps Resort Mar-a-Lago in Palm Beach. Die beiden haben sich mehrfach getroffen, in den USA und auch zweimal in Davos – und auf Anhieb verstanden. Schulterklopfen und gegenseitige Anerkennung ist bei Begegnungen der beiden Männer garantiert.