Am 23. August 2023 gewann Spanien den WM-Final im australischen Sydney 1:0 gegen England. In Erinnerung blieb danach vor allem der Skandal um den damaligen spanischen Verbandspräsidenten Luis Rubiales, der die Spielerin Jennifer Hermoso bei der Siegesfeier ungefragt auf den Mund küsste.
Fast schon vergessen ist hingegen, dass damals Olga Carmona das Siegtor für Spanien schoss. Und dass viele Spielerinnen, die am Sonntagabend im EM-Final stehen, schon damals dabei waren. Wir vergleichen die Teams von damals mit den wahrscheinlichen Startaufstellungen für das Endspiel in Basel.
Vor zwei Jahren in Australien und Neuseeland war Cata Coll noch nicht die unbestrittene Nummer 1 Spaniens. Auch Misa Rodrigez absolvierte drei Spiele. Auch heuer startete Adriana Nanclares in das Turnier, doch nur weil Coll noch krank war. Seit der K.-o.-Phase steht Coll zwischen den Pfosten und bewahrte am Mittwoch die Spanierinnen mit zwei Glanzparaden kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit vor dem Halbfinal-Aus gegen Deutschland. Vor zwei Jahren hielt Coll die Null im WM-Final und seither ist die Barça-Keeperin eher noch besser geworden.
Auf englischer Seite war die Goalieposition eines der grössten Fragezeichen vor dem Turnier. Mary Earps, welche die Löwinnen 2023 in den WM-Final führte, gab überraschend ihren Rücktritt bekannt. So wurde Hannah Hampton zur Nummer 1. Die bald 25-Jährige hat bislang aber einen stabilen Eindruck gemacht – trotz Sehschwäche.
Spanien kann im EM-Final auf drei der vier Verteidigerinnen zählen, die schon beim WM-Titel 2023 in der Startelf standen: Olga Carmona, Irene Paredes und Ona Batlle. Neu dabei ist die zweikampfstarke Laia Aleixandri von Manchester City. Die 25-Jährige bringt also noch Insider-Informationen von den Spielerinnen auf der Insel mit und dürfte nach ihrer Sperre im Halbfinal fürs Endspiel wieder aufgestellt werden.
Auch in der Verteidigung musste England im Vergleich zur WM in Ozeanien einen Verlust hinnehmen. Captain und Abwehrchefin Millie Bright gab genau wie Torhüterin Earps kurz vor der EM ihren Rücktritt bekannt. Vom WM-Final-Team sind in der Abwehr noch Alex Greenwood und Lucy Bronze dabei. Jess Carter ebenfalls, sie hat ihren Stammplatz im Laufe der EM allerdings wegen schlechter Leistungen verloren.
Die spanischen Strippenzieherinnen im Mittelfeld sind immer noch die gleichen wie an der WM: die beiden zweifachen Weltfussballerinnen Aitana Bonmati und Alexia Putellas. Vor zwei Jahren kam Letztere im Final allerdings erst in der 90. Minute von der Bank. In der Revanche vom Sonntag in Basel dürften beide von Beginn weg spielen und den spanischen Auftritt prägen. Unterstützt werden sie von Patri Guijarro, die bei der WM 2023 nicht mit von der Partie war.
Englands Mittelfeld ist noch das exakt gleiche wie bei der Finalniederlage von vor zwei Jahren: Georgia Stanway, Keira Walsh und Ella Toone. Die drei halten das englische Spiel bislang gut zusammen und haben insgesamt schon fünf Tore erzielt. Doch können sie dieses Jahr eine erneute Finalniederlage verhindern? Es liegt in ihrer Verantwortung, dass die zwei spanischen Superstars Bonmati und Putellas sich nicht entfalten können.
Salma Paralluelo und Mariona Caldentey standen schon beim WM-Triumph über England in der Startelf. Erstere hat dieses Jahr allerdings den Stammplatz an Claudia Pina verloren. Zwischen den beiden Flügelstürmerinnen stürmt Esther Gonzalez, die mit vier Toren immer noch Toptorschützin des Turniers ist, aber seit der Gruppenphase nicht mehr getroffen hat. Auch die routinierte Stürmerin war 2023 schon dabei, aber im Final ohne Einsatz auf der Bank.
Bei England dürften wie schon 2023 Alessia Russo und Lauren Hemp stürmen. Dazu kommt noch Lauren James, die damals zur Pause eingewechselt wurde. Vielleicht kommt aber auch Neuling Michelle Agyemang zum Zug. Dank der jeweiligen Ausgleichstore der 19-jährigen Arsenal-Stürmerin im Viertel- und Halbfinal steht England überhaupt im Endspiel.
Spanien hat das letzte wichtige Duell gegen England gewonnen und kann mit dem fast gleichen Team wieder antreten. Die Iberinnen wissen, dass sie England schlagen können, und sind seit dem Final von 2023 eher noch besser geworden. Die jungen Spielerinnen von damals haben an Erfahrung dazugewonnen und noch jüngere Athletinnen haben neuen Schwung reingebracht.
Die grösser gewordene Erfahrung trifft natürlich auch auf die Engländerinnen zu. Doch die Lionesses haben eben negative Erfahrungen mit den Spanierinnen gemacht und gleichzeitig in den Personen von Earps und Bright viel wichtige Erfahrung verloren. Ob es wirklich eine gute Idee ist, das exakt gleiche Mittelfeld und den fast gleichen Sturm wie bei der Finalniederlage von 2023 aufzustellen? Vielleicht hilft die Lust nach Revanche. Vielleicht ist es aber auch besser, gerade mit der Person von Agyemang für frischen Wind zu sorgen.