Berauschend ist der Auftritt nicht, schon gar nicht spektakulär. Doch ist es sinnbildlich, wie sich Arsenal vor einer Woche gegen Liverpool im Hinspiel des Ligacups 66 Minuten lang in Unterzahl wehrt und am Ende ein 0:0 ermauert. Der Schweizer Granit Xhaka hat früh die rote Karte gesehen, doch Arsenal verdient sich mit einer leidenschaftlichen Leistung das Remis. Und so steigt Arsenal ins Rückspiel mit einem mentalen Vorteil.
Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was Anfang der Spielzeit mit dem Team aus dem Norden Londons passiert wäre, hätte Xhaka eine frühe rote Karte kassiert. Am 28. August ist genau jenes Szenario gegen Manchester City eingetreten, Arsenal verlor mit 0:5 und lag danach mit drei Niederlagen ohne eigenen Torerfolg am Tabellenende der Premier League.
Dann kam die Kehrtwende und die langsame Rückkehr Arsenals in jene Regionen, in denen der Klub einst war. Inzwischen liegen die Londoner immerhin an fünfter Stelle der Premier League, wobei die Aussagekraft dieser Platzierung in Zeiten von durcheinandergewirbelten Spielplänen gering ist.
In London träumt man wieder. Nach Jahren der Erfolglosigkeit – sieht man mal von einem Cupsieg ab – ist der Optimismus bei den Arsenal-Fans zurück. Eines der Ziele ist es, endlich wieder die Nummer 1 im Norden Londons zu sein. Letztmals waren die «Gunners» in der Saison 2015/16 vor dem grossen Rivalen Tottenham klassiert. Damals hat sich Arsenal auch zum letzten Mal für die Champions League qualifiziert – es war die 19. Teilnahme in Folge. Die Rückkehr auf die grosse internationale Bühne ist ein weiteres Ziel der Londoner.
Zum Direktduell mit dem Nachbarn ist es am letzten Sonntag nicht gekommen. Die Partie wurde verschoben. Das ist eigentlich in Zeiten von hohen Infektionszahlen in der Premier League nichts Neues. Doch bei Arsenal lagen die Dinge etwas anders, denn positiv getestete Spieler verzeichnete man kaum. Lediglich Martin Ödegaard fehlte wegen einer Infektion, zudem soll ein Staff-Mitglied positiv getestet worden sein.
Verschoben wurde das Spiel vielmehr, weil dem Klub wegen Verletzungen und Teilnahmen am Afrika-Cup die Spieler ausgingen. Dass Arsenal erst Anfang des Monats drei Spieler ohne Not abgegeben hat, die nun nicht mehr zur Verfügung stehen, lässt beim Rivalen Tottenham das Verständnis für die Spielverschiebung auch nicht zwingend wachsen. Trainer Antonio Conte bemerkte verärgert: «Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass eine Liga ein Spiel wegen Verletzungen verschiebt.» Arsenal hat sich mit dem Antrag auf Spielverschiebung unbeliebt gemacht.
Aber zurück zum Sportlichen, wo die Hoffnung der Nordlondoner auf die erfolgreichste Saison seit Jahren noch immer lebt. Zu verdanken ist dies Trainer Mikel Arteta. Der ehemalige Mittelfeldregisseur, der schon zwei Jahre im Amt ist und den die Boulevardpresse schon früh in dieser Spielzeit wegschreiben wollte, hat mit seinem Team erfolgreich einen Kurswechsel vollzogen. Er sagt selber: «Wir sind durch schwierige Zeiten gegangen, haben aber eine Transformation durchgemacht.»
Angefangen hat es im letzten Winter, als Mesut Özil den Klub verlassen musste. Arteta erklärte: «Er ist ein grossartiger Fussballer, aber wir möchten das Team in eine andere Richtung führen.» Der Abgang des Künstlers stand für einen Richtungswechsel. Mit ihm mussten auch Shkodran Mustafi und Sokratis Papastathopoulos gehen. Der 39-jährige Arteta verschaffte sich mit seinen resoluten Entscheidungen und der klaren Kommunikation Respekt.
Arteta machte damit auch den Weg frei für junge Talente. Inzwischen stellt Arsenal das jüngste Team der Liga. Im Mittelfeld ziehen Bukayo Saka, Martin Ödegaard und Emile Smith Rowe die Fäden, auf der Aussenbahn wirbelt Gabriel Martinelli, in der Innenverteidigung agieren Gabriel und Ben White und das Tor hütet Aaron Ramsdale. Keiner dieser Spieler ist älter als 24 Jahre.
Derweil steht mit Pierre-Emerick Aubameyang ein weiterer prominenter Abgang bevor. Der Gabuner, der den Afrika-Cup wegen Herzproblemen beenden musste, wurde zuvor wegen Undiszipliniertheiten aus dem Kader verbannt. Wieder hat Arteta resolut gehandelt. Er will der neuen Arsenal-Generation den Weg in Richtung Königsklasse ermöglichen. Zunächst soll aber der Einzug in den Final des Ligacups gelingen. (aargauerzeitung.ch)