Es ist das Lächeln eines Siegers, das Nationaltrainer Murat Yakin zeigt. «Ich bin sehr zufrieden!», sagt er. Zufrieden mit seinen Nationalspielern. Zufrieden mit den Resultaten dieser Tage, 2:0, 4:0, sechs Tore, sechs Punkte, zumindest den Barrageplatz in dieser WM-Qualifikation gesichert. Es ist ein gutes Gefühl, mit dem Yakin und der Schweizer Tross heute zurück nach Zürich reisen.
Die Erleichterung über die vergangenen Tage ist Yakin durchaus anzumerken. Er hat bereits im September bei seinem ersten Zusammenzug merken müssen, dass ein Nationaltrainer manchmal ziemlich machtlos ist. Die Verletzungen von Shaqiri, Embolo und Gavranovic, dazu der Corona-Ausfall von Captain Xhaka - es wirbelte vieles durcheinander. «Etwas viele Nebengeräusche», seien das gewesen, sagt Yakin, wenn er zurückblickt.
Nun, im Oktober, war vieles anders. Xhaka fehlt zwar weiterhin, weil er sich unterdessen schwer am Knie verletzte, aber die Rückkehr von Shaqiri und Embolo hatte entscheidenden Einfluss, dass die Pflichtaufgaben gegen Nordirland und Litauen so souverän bewältigt wurden.
Immer wieder wird die Frage nach der Spielpraxis in den Vereinen verhandelt. Shaqiri und Embolo sind gute Beispiele dafür, wie sehr es sich auf den Auftritt im roten Dress auswirkt, wenn die Spieler viel Selbstvertrauen anreisen und im Rhythmus sind. Denis Zakaria ist ein weiteres. In Litauen zwar gesperrt, zeigte er gegen Nordirland, dass er die ihm schon lange zugedachte Rolle eines tragenden Mittelfeldspielers endlich erfüllen könnte.
Der grösste Gewinner in den ersten Yakin-Monaten allerdings heisst Renato Steffen. Er, der die EM verletzt verpasste und auch sonst unter Petkovic nie so richtig zum Zug kam, hat sich einen Stammplatz erkämpft. In allen vier WM-Qualifikationsspielen unter Yakin spielte er von Beginn an. In Litauen wurde er mit seinem ersten Länderspieltor belohnt.
Es ist jedenfalls kein Zufall, dass Yakin mehrfach betonte, wie sehr er hofft, dass die Spieler auch anfangs November wieder in guter Form zur Nati zurückkehren. Um gegen Italien bestehen zu können, braucht es ein überzeugendes Kollektiv.
Ja, Italien. Das Duell mit dem Europameister ist eine grosse Herausforderung, aber auch eine grosse Chance. Am 12. November im Rom wird es stattfinden. Und wegweisend sein für die Frage, wer die WM-Qualifikation als Gruppenerster direkt schafft. «Wir reisen mit viel Selbstvertrauen an», sagt Yakin schon einmal.
Und er verpasst es nicht, noch einmal zu erwähnen, dass Italien unter Druck sein wird. «Wir dagegen können befreit aufspielen.» Vielleicht hat der Europameister sein Trauma der verpassten WM 2018 ja tatsächlich noch im Hinterkopf und wird etwas nervös. Eine Barrage wie damals gegen Schweden wollen die Azzurri jedenfalls tunlichst vermeiden. Es könnte den Schweizern durchaus in die Hände spielen.
Wobei auch die Schweizer eine schmerzvolle Erinnerung mit sich tragen. In der Qualifikation für die WM 2018 errangen sie in einer Gruppe mit Europameister Portugal zunächst neun Siege. Im letzten Spiel reisten sie nach Lissabon mit der Gewissheit, dass ein Unentschieden für den Gruppensieg reicht, blieben aber beim 0:2 chancenlos.
Yakin erinnert noch einmal an das 0:0 der beiden Gruppenfavoriten vor gut einem Monat. «Das war ein starkes Signal von uns. Eines, das Eindruck gemacht und uns Respekt verschafft hat», sagt er. Nun geht es darum, den Europameister noch einmal so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten. Die Ausgangslage ist einfach: Wer gewinnt, ist im klaren Vorteil. Bei einem Unentschieden müsste die Schweiz das letzte Spiel gegen Bulgarien um zwei Tore höher gewinnen als Italien in Nordirland. Allenfalls gar um drei Tore, falls es sich beim Unentschieden um ein 0:0 handelt und die Italiener in der Fairplaywertung besser wären (derzeit weisen beide Teams je 8 gelbe Karten auf).
Mit der Barrage möchten sich die Schweizer natürlich noch nicht beschäftigen. Ein Ausblick lohnt sich gleichwohl. Weil die Ausgangslage komplizierter ist als früher. Es gibt nicht ein einziges Duell mit Hin- und Rückspiel. Wer sich qualifizieren will, muss einen Halbfinal und einen Final überstehen, jeweils ohne Rückspiel.
Die Schweizer wären im Halbfinal aller Voraussicht nach gesetzt, möglich wäre Stand jetzt ein Duell zu Hause mit einem Gegner aus dem Sextett Schottland, Rumänien, Österreich, Wales, Tschechien oder Ukraine. In einem allfälligen Final könnten aber auch Aufgaben wie Serbien, Schweden, Kroatien oder Polen warten. Heisst: Es ist möglich, die Barrage im März 2022 zu überstehen. Aber es würde eine grosse Aufgabe.
Als Yakin von Petkovic übernahm, hat er betont, er wolle möglichst vieles so belassen, wie es war. Er strebe eher eine Evolution denn eine Revolution an. Er ist auf gutem Weg dazu. Gelungen ist ihm bereits, die Stimmung rund um die Spiele etwas aufzulockern. Die Nati und ihr Trainer sind zugänglich, manch etwas wirkt weniger verkrampft als unter Petkovic. Dazu trägt Yakins Lockerheit gewiss bei.
0 - Murat Yakin ist der erste @nati_sfv_asf Trainer der Geschichte, unter dem die Schweiz in den ersten vier Pflichtspielen kein einziges Gegentor kassiert. Null. #LTUSUI pic.twitter.com/XH1377Ub0W
— OptaFranz (@OptaFranz) October 12, 2021
Einer der ersten Sätze von Yakin, die in Erinnerung bleiben, war, dass er bei aller Euphorie über die Leistungen von Yann Sommer unbedingt verhindern wolle, dass es jedes Mal der Torhüter ist, der als bester Spieler auffällt, «denn das bedeutet ja auch, dass irgendetwas auf dem Feld nicht stimmt». Gegen Italien gelang das noch nicht, da brauchte es Sommers Paraden (zum Beispiel beim Penalty gegen Jorginho), um zu überleben.
Nun aber fällt die defensive Stabilität aber schon auf. Yakin hat auf die Viererkette umgestellt, die Mannschaft hat das System schnell adaptiert. Nun steht die Schweiz bereits bei vier zu-Null-Spielen in der WM-Qualifikation in Serie. Besser ist noch nie ein Schweizer Nationaltrainer gestartet. «Das freut mich natürlich», meldet Yakin und lobt gleich die Offensivabteilung, weil das Verteidigen «schon dort vorne beginnt».