Das Gesicht auf dem Bild ist grimmig. Die Entschlossenheit in jeder Faser des Körpers zu sehen. «Siegeswille!!!», schreibt Bryan Okoh dazu. Fünf Tage ist das her. Der 2:1-Sieg mit Salzburg gegen Wolfsburg in der Uefa Youth League – der Champions League für die Junioren – der Grund dafür.
Bryan Okoh? Gut möglich, dass Sie diesen Namen noch nicht kennen. Doch nun sorgt Nationaltrainer Murat Yakin dafür, dass sich das bald ändern könnte. Weil Nico Elvedi ausfällt, darf Okoh ab heute Mittag ein erstes Mal Nati-Luft schnuppern. Yakin hat ihn nachnominiert. Okoh darf also mittun, wenn sich die Schweiz in Lugano auf das grosse Spiel in der WM-Qualifikation am Freitag in Italien vorbereitet.
Geboren wird Okoh in den USA, in Houston. Sein Vater stammt aus Nigeria, seine Mutter aus der Demokratischen Republik Kongo. Bald einmal verlassen sie die USA in Richtung der Schweiz. In der Romandie werden sie sesshaft. Dort findet Bryan Okoh zum Fussball. Als 7-Jähriger tritt er dem FC Espagnol Lausanne bei, mit 13 findet er Aufnahme in der Jugend von Lausanne Sports.
Er macht sich rasch einen Namen als grosses Talent. Das Interesse von RB Salzburg ist geweckt. Im Sommer 2019, Okoh ist jetzt 16, überweisen die Österreicher schliesslich zwei Millionen Euro nach Lausanne. Rekord! Noch nie war ein Schweizer in diesem Alter teurer.
In einem Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger» sagt Okoh anfangs Oktober: «Ich bin in Salzburg, weil sie etwas in mir sehen. Ich will zeigen, dass sie damit recht haben.» Wie so viele Nachwuchsspieler in Salzburg wird auch Okoh zuerst ans Partnerteam Liefering ausgeliehen. Zum Saisonende 2020, nach dem Corona-Unterbruch, macht er die ersten Spiele. In der Saison 2020/21 gelingt ihm in der Rückrunde definitiv der Durchbruch. Und auch diese Saison beginnt Okoh wieder in Liefering.
Am 22. September ist es dann soweit. Im Cup debütiert Okoh für Salzburg. Beim 8:0 gegen den Regionalligisten Kalsdorf wird er in der 57. Minute eingewechselt. Okoh erzielt auch gleich noch sein erstes Tor. Danach wird er jedoch wieder für Liefering eingesetzt. Besonders in Erinnerung ist ihm allerdings ein Testspiel vor der Saison. Bei Salzburgs 2:1-Sieg gegen Barcelona steht Okoh auf dem Feld. Er geniesst die Ovationen des Publikums in vollen Zügen.
Okoh besitzt vier Pässe, also könnte er theoretisch aus vier Nationalmannschaften wählen. Die USA zeigten Interesse, doch Okoh möchte für die Schweiz spielen, er hat sich längst entschieden. Für die U21 hat er bereits zwei Spiele gemacht. Zuletzt beim 2:2 gegen Holland war er Ersatz. U21-Nationaltrainer Mauro Lustrinelli attestiert Okoh gegenüber dem «Tages-Anzeiger» eine riesige Zukunft – «wenn er so weitermacht». Es gibt Anzeichen dafür, dass ihm das gelingt. Aber eine Garantie? Nein. Auch nicht für einen Rekord-Spieler.
In der Akademie Salzburg ist Okoh nicht der einzige Schweizer. Im Gegenteil. Die Österreicher haben sich zuletzt gar zu einer Art «Schweizer Akademie» entwickelt. Noah Okafor machte zuletzt mit seinen Toren viel von sich reden. Im Tor steht mit Philipp Köhn ein Mann, der gute Chancen hat, Dortmunds Gregor Kobel als Nachfolger von Yann Sommer im Nati-Tor herauszufordern. Und mit Federico Crescenti wechselte im Sommer 2020 ein mittlerweile 17-jähriger Stürmer aus St.Gallen ins Red-Bull-Universum.
Nun beginnt für Okoh also das Schnuppern bei der Nationalmannschaft. Man kann nicht gleich davon ausgehen, dass er gegen Italien an der Seite von seinem Idol Manuel Akanji in der Startaufstellung stehen wird. Dafür kommen andere in Frage. Fabian Schär in erster Linie. Und doch können diese WM-Qualifikationsspiele für Okoh Erlebnisse werden, die ihn als Talent weiterbringen. (aargauerzeitung.ch)