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Herthas Nader El-Jindaoui – der grösste Star spielt in der 2. Mannschaft

Nader El-Jindaoui: Der Flügelstürmer von Hertha BSC ist vor allem auf Social Media ein Superstar.
Nader El-Jindaoui: Der Flügelstürmer von Hertha BSC ist vor allem auf Social Media ein Superstar.bild: hertha BSc

Hertha-Influencer El-Jindaoui – wenn der grösste Star in der 2. Mannschaft spielt

Auch in diesem Sommer hat Hertha BSC neue Spieler für die Bundesliga verpflichtet. Doch der prominenteste Neuzugang ist keiner für die erste Mannschaft.
18.07.2022, 10:28
Benjamin Zurmühl / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Wenn im Sommer die Bundesligaklubs ihre neuen Trikots vorstellen, lassen sich die meisten Teams etwas einfallen. Aufwendige Videos, Kampagnen über Social Media oder Präsentationen im Stadion – auch in diesem Jahr war alles dabei.

Hertha BSC entschied sich für zwei Dinge: Der Verein veröffentlichte ein Video zur Enthüllung und schickte zwei Spieler im Trikot mit der U-Bahn durch die Stadt. Der eine war Kevin-Prince Boateng, Gesicht und Leitwolf der Hertha-Profis. Der andere war Nader El-Jindaoui, ein Spieler aus der zweiten Mannschaft. Warum nicht Rekordtransfer Lucas Tousart oder Kapitän Dedryck Boyata? Nun ja, Nader El-Jindaoui ist der grössere Star. Einer der grössten, die Hertha hat.

So präsentierte die Hertha ihre neuen Trikots.Video: YouTube/Hertha BSC

El-Jindaoui ist kein gewöhnlicher Fussballer. Seinen Bekanntheitsgrad verdankt er nicht seinen sportlichen Leistungen, auch wenn die zweifellos gut sind. Er erlangte ihn über die sozialen Netzwerke. Als Influencer wurde er zusammen mit seiner Frau Louisa berühmt.

Millionen Follower für die Jindaouis

Dem 25-Jährigen folgen auf Instagram 1,6 Millionen Menschen, seiner Frau Louisa sogar 1,7 Millionen. Dazu kommen 1,2 Millionen Abonnenten auf dem gemeinsamen YouTube-Kanal «Jindaouis» und 1,6 Millionen auf TikTok. Zum Vergleich: Hertha hat 245'000 Follower auf Instagram und 73'000 Abonnenten auf YouTube.

Louisa und Nader El-Jindaoui teilen auf ihren Kanälen fast alles mit ihren Fans: Urlaube, Friseurbesuche und die ersten Zähne von Tochter Imani. Auf TikTok sammelt ein Video gern mal fast elf Millionen Aufrufe.

Neben der Karriere auf Social Media hat El-Jinadoui aber eben auch die sportliche. In der vergangenen Saison spielte er für den Berliner AK, machte in 35 Ligaspielen in der viertklassigen Regionalliga Nordost 14 Tore und bereitete 10 weitere vor. Der vielseitige Stürmer war der wohl beste Spieler der Liga – und zweifellos der beliebteste. Die Zusammenfassungen der BAK-Spiele sammelten auf dem YouTube-Kanal des Lokalsenders «OstSportTV» bis zu 300'000 Aufrufe. Duelle ohne BAK-Beteiligung kamen teilweise nicht einmal auf 3000.

Sogar Boateng will sein Trikot

Diesen Ruhm weiss Hertha für sich zu nutzen. Im Sommer holte der Hauptstadtklub El-Jindaoui zu sich – für die Regionalliga-Mannschaft. Der Deutsch-Palästinenser hätte problemlos in die 3. Liga oder vielleicht sogar die 2. Bundesliga wechseln können. Doch er entschied sich für Hertha II, weil er den grossen Traum hat, mal im Olympiastadion zu spielen.

Bei der Vertragsunterschrift war sogar Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic anwesend und auf den Fotos zur Bekanntgabe zu sehen. Bei keinem anderen Neuzugang der U23 war das der Fall. Auch der Manager wusste, wie sehr Hertha von diesem Transfer profitieren kann.

Obgleich El-Jindaoui weite Teile der Vorbereitung nicht bei den Profis mitmachte, bekam er eine eigene Nummer, die 37. «Die 7 war schon vergeben, also habe ich geguckt, was es noch gibt», erklärte er seine Wahl. «Die 7 steht für mich und die 3 steht für Louisa, Mila (seine Schwester, Anm. d. Red.) und Imani», zählte er auf.

Als er diese Nummer bekannt gab und auf den Online-Fanshop hinwies, brachten seine Anhänger die Server der Hertha zum Einsturz. Sie alle wollten das Trikot mit der 37 und «Jindaoui» haben. Kevin-Prince Boateng übrigens ebenfalls. Der 35-Jährige schickte dem Neuzugang eine Sprachnachricht, die dieser in einer Instagram-Story abspielte.

«Mein Bruder Nader, Glückwunsch zum Trikot-Release. Ich hoffe, du hast mir eins zurückgelegt. Ich will auch eins haben. Ich weiss, was du kannst. Jeder hier oben (bei den Profis, Anm. d. Red.) weiss, was du kannst. Bereite dich vor, Bruder. Bald ist die Zeit, dann bist du hier oben bei uns. Und dann machst du alles kaputt – wie ich zu meiner besten Zeit.»

Platzsturm beim Testspiel

Noch ist die Zeit aber nicht gekommen. Für das Trainingslager in Burton upon Trent hatte ihn Bundesliga-Trainer Sandro Schwarz nicht nominiert, auch wenn unter nahezu jedem Twitter-Post der Hertha vor einem Testspiel die Frage «Spielt Nader?» gleicht mehrfach gestellt wird.

Während Herthas Profis im Pride Park Stadium in Derby am Samstag auf Derby County trafen, stand El-Jindaoui mit der zweiten Garde im Amateurstadion beim Testspiel gegen den SV Tasmania Berlin auf dem Platz.

Und nach rund 89 Minuten waren die 22 Spieler auf dem Platz nicht mehr allein. Über hundert Kinder und Jugendliche rannten auf den Rasen, um ein Selfie oder ein Autogramm ihres Lieblingsspielers zu ergattern. Das Sicherheitspersonal war überfordert, bekam die Situation nicht in den Griff. Die Lage geriet so ausser Kontrolle, dass die Partie nicht mehr angepfiffen werden konnte. Sogar die Polizei kam zum Einsatz.

Die Platzsturm-Szenen kurz vor Schluss.Video: streamja

Auf Instagram zog El-Jindaoui nach dem 3:1-Sieg ein Fazit: «Ey Jindaouis, was war das für ein Tag? (...) Ich komm' einfach nicht klar. Dieses Gefühl, hochzugucken und euch alle zu sehen ... die ganze Zeit Gänsehaut. (...) Am Ende war es ein bisschen traurig, dass die Polizei das abgebrochen hat. 99 Prozent haben sich benommen, aber es müssen sich alle benehmen, damit alle ihre Fotos bekommen. Ich war bereit, bis morgen früh dazustehen, damit jeder das bekommt, was er will.»

Die besten Szenen von El-Jindaoui aus dem Spiel gegen Tasmania Berlin. Video: YouTube/MTB2PRODUCTION

Genau das ist es, was den Stürmer so beliebt macht. Er weiss, wie er die Fans mitnimmt und für sich begeistert. Das, was Hertha in den vergangenen Jahren bei all dem Trubel und Chaos abhandenkam, erfüllt El-Jindaoui auf seinen Kanälen.

Die neuste Episode im Vlog der Jindaouis.Video: YouTube/Jindaouis

Doch diese Begeisterung der Fans muss Grenzen haben, sonst wird es für Herthas zweite Mannschaft eine höhere Sicherheitsstufe geben müssen. Und die wünscht sich El-Jindaoui erst dann, wenn er im Olympiastadion spielt. Sofern er das je tun wird. Den Ticketverkäufen der Hertha käme das aber ohne Frage entgegen.

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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Stokes
18.07.2022 10:47registriert November 2018
na wenn er vom niveau her in der 2. BuLi hätte spielen können, wird er ja sowieso bald für das erste team der herthaner auflaufen😂
(ich bin leider selbst hertha supporter)
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c-bra
18.07.2022 10:35registriert April 2016
Spielabbruch wegen Fans eines Influencers. Um ein Zitat aus Lethal Weapon zu zitieren:

ich bin zu alt für diesen Scheiss.
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