Sommerzeit ist Transferzeit: Wenn in den Stadien der grossen Fussball-Ligen Europas der Ball ruht, dreht sich fast alles um den ominösen Mercato – den internationalen Transfermarkt. Wer wechselt für welche Summe wohin? Wer verlängert wo für wie viel Geld? Das sind für viele Fans die wichtigsten Fragen.
Nicht immer ist allerdings ganz klar, wer alles in einen Transfer involviert ist. Neben dem Spieler und den beiden Vereinen haben oft auch mächtige Berater und Agenturen sowie Mamas und Papas ihre Finger im Spiel. Und am Ende weiss fast niemand so genau, wer jetzt wie viele Millionen in diesem undurchsichtigen Theater mitverdient hat.
Dem soll nun Abhilfe geschaffen werden. Der ehemalige deutsche Nationaltorhüter René Adler hat zusammen mit Daniel Schollmeyer, einem einflussreichen Personalberater für Juristen, die App «11Transfair» ins Leben gerufen. Mit ein paar wenigen Klicks sollen Spieler und Verein damit den passenden Arbeitgeber oder -nehmer finden – ganz ohne Berater und Agenturen. Intransparenz sei auf dem Tranfermarkt zu einem Geschäftsmodell geworden, sagt Adler gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Genau das Gegenteil soll seine Plattform herstellen: Transparenz für jeden Profi.
Und so funktioniert die App: Spieler und Vereine erstellen in der App ein Profil und legen Parameter fest, wonach sie auf dem Transfermarkt suchen. Für Vereine können das klassische Leistungsdaten oder einfach Positionen sein, für Spieler zum Beispiel bestimmte Ligen oder Gehaltsvorstellungen. Auf Basis dieser Parameter wird zusammen mit einem Algorithmus, der die Leistungsdaten eines Spielers analysiert, ein «Matching Score» zwischen Spielern und Vereinen errechnet – also ein Wert, der anzeigt, wie sehr beide Parteien zusammenpassen.
Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben alle Beteiligten in der App anonym: Der Spieler sieht beispielsweise nur, dass ein Team aus der Bundesliga zu ihm passen würde, nicht aber welches. Erst wenn sowohl Spieler als auch Verein in der App ihr Interesse am Gegenüber bekunden, werden die Identitäten enthüllt und die Verhandlungen können beginnen. Seit gut einem Jahr ist die App mittlerweile verfügbar, rund 300 Fussball-Profis haben sich bis anhin registriert. Bereits soll es auch zu ersten Vertragsabschlüssen gekommen sein.
«Tinder für Fussballprofis» wurde die App aufgrund des ähnlichen Matching-Konzepts anfangs genannt. Doch mit diesem Image ist Adler nicht ganz glücklich. «Wir sind eher wie Parship oder Elite-Partner, weil du sagst: Es geht jetzt nicht irgendwie um eine schnelle Nummer, sondern wir wollen eine langfristige, stabile Beziehung aufbauen», erklärte der ehemalige Leverkusen- und HSV-Torhüter.
Ob sich die App flächendeckend durchsetzen wird, ist allerdings stark zu bezweifeln. Junge Profi-Fussballer lassen ihre Angelegenheiten ja gerade deshalb durch einen Berater regeln, weil sie sich mit der komplexen Vertragsmaterie zu wenig auskennen oder sich nicht damit herumschlagen möchten. Spieler wie Joshua Kimmich oder Kevin De Bruyne, welche ihre Vertragsverlängerungen zuletzt selbst ausgehandelt haben, bleiben eher die Ausnahme.
Dessen ist sich auch Adler bewusst. «Eine Top-Immobilie siehst du auch nicht auf irgendwelchen Vermittlungs-Plattformen. Da gibt es nur eine ganz bestimmte Klientel, der die überhaupt angeboten wird», erklärte der 37-jährige Ex-Fussballer. Doch für den Rest will er mit seiner App eine Orientierungshilfe bieten. «Ein Zweit- oder Drittligaspieler ist für Beratungsagenturen oft nicht wirtschaftlich, in der Regionalliga kann eine seriöse Exklusiv-Beratung gar nicht mehr wirtschaftlich sein. Betroffene Spieler fallen dann am Ende hinten rüber», erklärt Adler.
Die Berater und Agenturen komplett ersetzen will Adler mit «11Transfair» nicht. «Es wird immer einen Markt für Beratung geben, das ist auch wichtig», sagt der 12-fache deutsche Nationalspieler. Er wolle aber deren extreme Dominanz im Bereich der Spielervermittlung verringern. «Ich glaube, kein Berater dieser Welt kann so ein grosses Netzwerk haben wie eine Plattform, die skalieren kann.» (pre)