Österreich der Geheimfavorit. Österreich, das dank des Einflusses von Ralf Rangnick mit einem neuen Selbstverständnis Fussball spielt. Österreich, das in der Todesgruppe mit Frankreich und den Niederlanden dennoch Gruppensieger wird. Österreich, das von der erstmaligen Teilnahme an einem EM-Viertelfinal träumt.
Gross waren die Träume in Fussball-Österreich, zumal mit der Türkei im Achtelfinal ein Gegner wartete, den man vor wenigen Monaten noch mit 6:1 wegklatschte. Doch dann gingen all diese Träume im Leipziger Regen baden – und zwar schon nach wenigen Sekunden.
Keine Minute war gespielt, da wurde Österreich von den Türken kalt geduscht. Bei einem Eckball stimmte die Zuteilung nicht. Am Ende profitierte Mehdi Demiral, der zum 1:0 abstauben konnte. Es war, als würde die Favoritenrolle die Mannschaft von Ralf Rangnick in der Startphase lähmen. Da waren viel zu viele Ungenauigkeiten im Spiel.
Und trotzdem hätten unsere östlichen Nachbarn beinahe schnell reagiert. Nur wenige Minuten nach der türkischen Führung wurde auf der anderen Seite ebenfalls eine Ecke brandgefährlich. Der eigentlich missglückte Ball rollte quasi auf der Linie durch und an Freund und Feind vorbei.
In der Folge waren Sabitzer und Co. bemüht, den Ausgleich zu suchen. Doch noch immer fehlte es an der Präzision im Passspiel und an den zündenden Ideen. Rangnick versuchte, in der Pause neue Impulse zu setzen. Er brachte Michael Gregoritsch und Alexander Prass für Romano Schmid und Phillipp Mwene. Das funktionierte etwas besser, und stärkte das ÖFB-Spiel durch die Mitte.
Nun fehlte es dem Geheimfavoriten allerdings an der Effizienz. Zuerst vergab Gregoritsch, dann scheiterte Marko Arnautovic alleine vor dem türkischen Goalie Mert Günok. Es kam, wie es kommen musste: Die Türkei war offensiv eigentlich völlig abgemeldet, doch bei einem selten gewordenen Eckball war es erneut Demiral, der völlig freistand und zum 2:0 einköpfte.
Österreich am Boden? Ja, aber nur kurz. Das Team von Ralf Rangnick zeigte Moral und reagierte sofort. Nur sieben Minuten nach dem zweiten Gegentor glich Gregoritsch ebenfalls nach einem Eckball aus. In der Folge fielen die Österreicher aber wieder ins alte Fahrwasser zurück. Sie hatten praktisch ausschliesslich den Ball, doch es fehlten die Ideen und die Präzision im Spiel nach vorne. Marcel Sabitzer schlug Flanke um Flanke, doch immer wieder traf Baumgartner per Kopf das Tor nicht.
Und dann kam tief in der Nachspielzeit noch der grosse Moment von Goalie Günok. Eine letzte Verzweiflungsflanke der Österreicher fand tatsächlich erneut den Kopf von Baumgartner. Der Mittelfeldspieler, der selbst in Leipzig spielt, stand völlig frei und traf dieses Mal auch den Ball nach Wunsch. Doch Mert Günok packte eine unfassbare Glanzparade aus und hielt so den türkischen Sieg noch fest.
In vielen deutschen und Schweizer Städten startete so das Hupkonzert und die Autokorsos der euphorisierten türkischen Fans. Für sie geht das Turnier am Samstag mit dem Viertelfinal gegen die Niederlande weiter (21 Uhr). Österreich hingegen wurde vom Geheimfavoriten zum Geh-Heim-Favoriten.
Österreich - Türkei 1:2 (0:2)
Leipzig. - 38'305 Zuschauer. - SR Dias (POR).
Tore: 1. (0:56) Demiral 0:1. 59. Demiral 0:2. 66. Gregoritsch 1:2.
Österreich: Pentz; Posch, Danso, Lienhart (65. Wöber), Mwene (46. Prass); Seiwald, Laimer (65. Grillitsch); Schmid (46. Gregoritsch), Baumgartner, Sabitzer; Arnautovic.
Türkei: Günok; Müldür, Bardakci, Demiral, Kadioglu; Yüksek (58. Özcan), Ayhan; Yilmaz, Kökcü (83. Kahveci), Yildiz (78. Aktürkoglu); Güler (78. Yokuslu).
Bemerkungen: Österreich ohne Trauner (verletzt) und Wimmer (gesperrt). Türkei ohne Akaydin und Calhanoglu (beide gesperrt).
Verwarnungen: 11. Kökcü (im nächsten Spiel gesperrt), 38. Schmid, 42. Yüksek (im nächsten Spiel gesperrt), 52. Lienhart.
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