Es ist schon überraschend, mit wie viel Tor-Minimalismus die französische Nationalmannschaft an dieser Europameisterschaft auftritt. Der 1:0-Sieg im ersten Gruppenspiel gegen Österreich kam dank eines Eigentors zustande, ebenso der Erfolg im Achtelfinal gegen Belgien.
Im zweiten Gruppenspiel gegen die Niederlande resultierte ein torloses Unentschieden, gegen Polen spielte das Team von Didier Deschamps dank eines versenkten Penaltys von Captain Kylian Mbappé 1:1.
Schaut man sich die Vereinsbilanz der französischen Offensive in der abgelaufenen Saison an, erscheint die geringe Torausbeute an dieser Euro nur schwer nachvollziehbar.
Bis auf Bayerns Teilzeitarbeiter Coman und PSG-Youngster Barcola kommen alle französischen Offensivkräfte auf 18 oder mehr Scorerpunkte. Allen voran Captain Mbappé, der die Ligue 1 sechs Saisons lang kurz und klein schoss und Paris Saint-Germain mit einer sagenhaften Quote von 256 Toren und 108 Assists in 308 Spielen in Richtung Madrid verlässt.
Eine schlechte Saison im Club kann also nicht der Grund sein für die magere Torausbeute an dieser Europameisterschaft. Auch mangelnden Willen kann man den Franzosen nicht vorwerfen.
In allen vier EM-Partien hatte Frankreich mehr Ballbesitz als der Gegner, kam zu deutlich mehr Abschlüssen, zu mehr Eckbällen und zu einem höheren Wert in der Statistik der Expected Goals.
Zum – trotz aller Offensivbemühungen – eigenen Unvermögen vor dem gegnerischen Kasten gesellen sich unglückliche Ereignisse wie der Nasenbeinbruch von Kylian Mbappé im ersten Spiel gegen Österreich.
Frankreichs Captain muss seit diesem Vorfall eine Maske tragen, und das kotzt den 25-Jährigen richtig an. «Ich hasse es, es ist wirklich sehr irritierend. Ich habe sie schon fünfmal ausgewechselt», liess Mbappé verlauten. Es sei schwierig, mit der Maske zu spielen:
Nun kommt es im Viertelfinal zum Kracher gegen Portugal und Cristiano Ronaldo. Zwei Titelfavoriten, einer muss am Freitagabend die Segel streichen.
Auch die Portugiesen waren ihren Gegnern in allen Partien in Bezug auf die Statistiken teilweise deutlich überlegen. Dennoch fühlen sich die Spiele Portugals bisher oft wie ein Krampf an.
Beim Auftakt gegen Tschechien siegte das Team von Roberto Martinez durch ein Tor in der Nachspielzeit, die Partie gegen Überraschungsmannschaft Georgien verlor Portugal – allerdings mit einem B-Team – 0:2.
Im gestrigen Achtelfinal setzten sich die Portugiesen gegen Slowenien nach einem 0:0 in der regulären Spielzeit erst im Penaltyschiessen durch, Captain Ronaldo verschoss in der Verlängerung gar einen streng gepfiffenen Penalty – zuvor hatte er 20 Mal in Folge von Punkt reüssiert.
In der kurzen Pause vor der zweiten Hälfte der Verlängerung vergoss Ronaldo bittere Tränen, der alternde Superstar zeigte sich von seiner emotionalen, menschlichen Seite.
Nun also das Duell gegen Frankreich, Ronaldo gegen Mbappé, ein Leckerbissen für jeden Fussballfan. Und da war doch was: Ja richtig, seinen bisher einzigen EM-Titel gewann Portugal in Frankreich gegen Frankreich.
An der Euro 2016 schlugen Ronaldo und Co. die Équipe Tricolore im Final nach Verlängerung 1:0 und vermiesten den Franzosen die grosse Heimparty. Ob die Revanche gelingt, wird sich am Freitagabend ab 21 Uhr zeigen.