Dank eines Tors von Olga Carmona ist Spaniens Nationalteam der Frauen erstmals Weltmeister. Bei der anschliessenden Siegerinnenehrung drückte der Präsident des spanischen Fussballverbands RFEF, Luis Rubiales, der Starspielerin Jennifer Hermoso einen Kuss auf den Mund – weshalb nach dem grossen Erfolg nicht nur das Sportliche für Schlagzeilen sorgte.
Gegenüber «Radio Marca» und «Partidazo de Cope» bezog Rubiales im Anschluss zu den Feierlichkeiten Stellung zu der für viele merkwürdigen Szene: «Es ist ein Küsschen von zwei Freunden, die etwas feiern. Mehr war das nicht, es ist eine Sache ohne Bosheit.»
Die Aufregung darüber interessiere ihn nicht, sagte Rubiales weiter. «Wir kümmern uns nicht um diesen Schwachsinn von Idioten und Dummen. Wir sind Weltmeisterinnen und das ist, was zählt.»
Hermoso schlug in die gleiche Kerbe wie ihr Verbandschef: «Es war die Emotion des Moments, mehr gibt es da nicht zu erzählen. Der Kuss wird eine Anekdote bleiben.» In einer Mitteilung des Verbands erklärte die 33-Jährige zudem, dass sie und Präsident Rubiales ein grossartiges Verhältnis hätten. «Es war eine völlig spontane Geste der Zuneigung und der Dankbarkeit», stellte sie klar und fügte an: «Das Verhalten des Präsidenten war uns allen gegenüber ausgezeichnet.»
Zuvor hatte die dreifache WM-Torschützin auf Instagram während eines Livestreams aus der Kabine gesagt, dass ihr der Kuss nicht gefallen habe. Der 45-jährige Präsident hatte auch andere Spielerinnen geküsst, diese aber nur auf die Wange.
Als Rubiales später mitteilte, dass die Weltmeisterinnen auf Kosten des Verbands nach Ibiza reisen werden, um den Titel zu feiern, sagte er: «Dort werde ich Jenni heiraten.»
Jenni ha hablado del beso de Rubiales.
— Relevo (@relevo) August 20, 2023
💬 “Eh, pero no me ha gustado”.
🎥 @Jennihermoso pic.twitter.com/yj8h1p3r5W
Das Verhalten und die Kommentare von Rubiales sorgten bei offizieller Stelle für Kritik. Die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero schrieb auf X, früher Twitter: «Wir dürfen nicht akzeptieren, dass Küssen ohne Zustimmung etwas ist, das ‹einfach passiert›. Es ist eine Form von sexueller Gewalt, die wir Frauen täglich erleiden und die bisher unsichtbar war. Wir dürfen das nicht normalisieren.»
Aufgrund der vielen Kritik bat Rubiales später dennoch um Entschuldigung. In einer Videobotschaft sprach er über den Vorfall: «Es gibt etwas, das ich bedauere, und zwar das, was zwischen mir und einer Spielerin passiert ist, zu der ich eine grossartige Beziehung unterhalte. Da habe ich wahrscheinlich einen Fehler gemacht.»
Der Kuss sei «spontan» und «ohne jede böse Absicht oder bösen Willen» passiert und sei von allen im Team als etwas «Natürliches, Normales» betrachtet worden. «Aber draussen scheint es einen Aufruhr gegeben zu haben», so Rubiales weiter. «Ich muss mich entschuldigen, da führt kein Weg dran vorbei. Und ich muss daraus lernen und verstehen, dass man als Präsident einer so wichtigen Institution wie der RFEF vorsichtiger sein muss, vor allem bei solchen Zeremonien.»
Es ist nicht das erste Mal, dass Rubiales in der Kritik steht. Nach der EM im letzten Jahr erklärten 15 Nationalspielerinnen ihren Rücktritt aus der «Roja», da sie das Verhalten von Trainer Jorge Vilda als unerträglich ansahen. Unter anderem habe dieser den Spielerinnen verboten, die Zimmertüren abzuschliessen, um ihre Anwesenheit kontrollieren zu können. Rubiales und der Verband stellten sich damals hinter den Trainer, der das Team nun zum Weltmeistertitel führte.
Zwölf der 15 Nationalspielerinnen kehrten noch immer nicht in das Team Vildas zurück. Hermoso war keine der Zurückgetretenen, obwohl unter anderem ihre Teamkollegin vom FC Barcelona, Aitana Bonmati, dazugehörte, äusserte aber ihre Solidarität mit diesen. Während der WM in Australien und Neuseeland sagte Hermoso über die Geschehnisse: «Ich will mich nicht mehr an alles, was in der Vergangenheit passiert ist, erinnern.» (nih)
Er heisst ab jetzt Esteban.