Die Grasshoppers planen schon jetzt – mit Vollgas, wie Trainer Uli Forte sagt – ihre Saison in der Challenge League und den sofortigen Wiederaufstieg. Sie werden sich jedoch kaum wünschen, dass der FC Sion via Barrage ebenfalls absteigt. Denn dann bekämen sie es in der Saison 2019/20 im Unterhaus mit einem Gegner zu tun, der den raschen Wiederaufstieg mit gleicher Vehemenz und mit ebenso grosser Legitimation anstrebt. Und vielleicht müsste GC, wie es vor 70 Jahren nach dem ersten Abstieg der Fall war, mindestens eine weitere Saison unten bleiben.
Dieses Szenario ist nicht auszuschliessen, denn die Sittener gehen in diesen Tagen und Wochen tatsächlich an Krücken. Sie punkten nicht mehr, sie treffen kaum noch, und sie liegen nur einen Punkt vom dem Vorletzten, vor Neuchâtel Xamax.
Besondere Spiele, besondere Massnahmen, Teil 1. Sions Präsident und aktueller Teilzeit-Co-Trainer Christian Constantin nahm das Team mit nach Saillon, wo eine 97 Meter lange Hängebrücke eine Schlucht überquert. 140 Meter geht's hinunter.
«Ich habe den Jungs gesagt, dass man sich überwinden muss, wenn man auf die andere Seite gelangen will», erzählt CC im «Blick». Als Belohnung erhalte man eine Wahnsinns-Aussicht. «Genau so sollen sie das Spiel gegen Xamax angehen.»
Für Constantin war der Spaziergang kein Problem, doch Ersatzgoalie Anthony Maisonnial leidet unter Höhenangst. Er zog sich den Pullover über den Kopf – und überquerte die Hängebrücke dann an der Hand von CC, der ihm gut zuredet, doch.
Besondere Spiele, besondere Massnahmen, Teil 2. Constantin hat die Ticketpreise massiv gesenkt. Wer heute das Westschweizer Derby im Tourbillon sehen will, kann das schon ab 10 Franken machen. Aktion «Volles Haus» nennen sie das im Wallis, «der 12. Mann der Walliser wird wichtiger denn je sein», heisst es auf der Website des Klubs.
Der Verlierer des Duells heute im Tourbillon wird in eine noch misslichere Lage geraten. Bei einem Unentschieden behält Sion einen Punkt Vorsprung. Mit einem Sieg würde Sion alle Vorteile auf seine Seite bringen, zumal Xamax in der 36. und letzten Runde in Basel wird antreten müssen.
Die aktuellen Zahlen sprechen allerdings eindeutig gegen Sion, das am Sonntag mit dem 1:2 in St.Gallen auch seinen ersten Match nach der Beurlaubung von Trainer Murat Yakin verlor und dabei die gleichen Schwächen offenbarte wie bei den drei vorangegangenen Niederlagen am Stück. Fünf der letzten sieben Gegentore kassierte Sion auf stehende Bälle. Der zeitweilige Ausgleich von Adryan in St.Gallen kurz nach der Pause war Sions einziges Tor in der Niederlagenserie. Chancen erarbeiteten sich die Sittener auch in der Ostschweiz nicht wenige, aber sie können sie nicht mehr verwerten.
So schlecht die Vorzeichen vor dem bedeutsamen Match gegen die Neuenburger sind, so greifbar ist für die Walliser die Hoffnung auf die Wende. Im Herbst bewiesen sie, dass sie sich befreien können, wenn sie das Messer am Hals spüren. Im September kam Murat Yakin für Maurizio Jacobacci, der dreimal nacheinander verloren hatte. Yakin startete seinerseits mit zwei Niederlagen. Danach siegte Sion 3:1 in Luzern – unverhofft. Anfang November gerieten die Sittener mit zwei aufeinanderfolgenden Niederlagen erneut ins Straucheln. Danach siegten sie 2:1 beim FC Zürich – unverhofft. Schier unverhofft käme jetzt auch ein Sieg gegen Neuchâtel Xamax.
Für die Xamaxiens war noch im Herbst jeder einzelne Sieg eine angenehme Überraschung gewesen. In der ersten Saisonhälfte unter Trainer Michel Decastel siegten sie nur zweimal. In der Rückrunde wurden die Siege zur schieren Normalität. Nach sieben Siegen unter Stéphane Henchoz fühlte sich das jüngste 1:2 daheim gegen Zürich wie eine Enttäuschung an. Die Neuenburger gestanden den Zürchern im ganzen Match drei wirkliche Chancen zu und kassierten nach offensichtlichen Abwehrfehlern zwei Tore. Dennoch dürfte die moralische Verfassung der Neuenburger besser sein als die der Sittener. (ram/sda)