Die Spannung ist zurück in der deutschen Bundesliga. Bayern München liegt vor dem Spitzenspiel in Dortmund nur einen Punkt vor dem Rivalen. Der Serienmeister hat die letzten neun Meisterschaften mit bis zu 25 Punkten Vorsprung geholt, nur 2019 kam die Borussia auf zwei Zähler heran.
Doch in dieser Saison scheinen die Bayern verwundbar. Vor dem Spitzenspiel am Samstag (18.30) spricht einiges für Dortmund, während die Unruhen in München gross sind. Das zeigt sich exemplarisch an den wichtigsten Exponenten der Teams.
Eine Naturgewalt sind beide Starstürmer. Mit Robert Lewandowski und Erling Haaland treffen zwei der besten Torjäger aufeinander. Es ist auch ein Generationenduell. Auf der einen Seite der 33-jährige Pole Robert Lewandowski bei Bayern München, auf der anderen Seite der 21-jährige Norweger Erling Haaland bei Borussia Dortmund.
Während Haaland nach Verletzungspause bei seinem Comeback zuletzt kurz nach seiner Einwechslung wieder traf und damit in 50 Bundesligaspielen 50 Tore erzielt hat, beschäftigt sich Lewandowski mit anderen Dingen. Bei der Vergabe des Ballon d’Or ging der Pole erneut leer aus. Die Trophäe bekam einmal mehr Lionel Messi. Der Ärger in den sozialen Medien war riesig. Und auch für Lewandowski selber dürfte es ein schwacher Trost gewesen sein, dass er als bester Torjäger geehrt wurde. Er hatte in der letzten Saison 41 Bundesligatore erzielt und damit den Rekord von Gerd Müller übertroffen.
Um Erling Haaland ranken sich derweil Gerüchte um seine Zukunft. Der 21-Jährige soll bei Manchester United ganz oben auf dem Zettel stehen. Gemäss Medienberichten erhält der neue Trainer Ralf Rangnick einen Bonus, wenn er es schafft, das Supertalent von einem Wechsel zu überzeugen. Rangnick kennt Haaland von dessen Zeit in Salzburg. Neben Man United buhlen Real Madrid, Manchester City und Paris St. Germain um den Topstürmer. Der BVB will derweil Haalands Lohn erhöhen.
Joshua Kimmich wird in diesem Spitzenspiel fehlen. Der Mittelfeldmotor steht sinnbildlich für die Coronaprobleme des FC Bayern München. Zuerst löste er grosse Diskussionen aus, weil er sich als Impfskeptiker outete, später musste er als Kontaktperson in Quarantäne. Inzwischen hat er sich selber angesteckt und ist in Isolation.
Die Absenz des Mittelfeldleaders ist für Bayern eine grosse. Kimmich ist das gute Gewissen im Mittelfeld der Münchner. Er zieht die Fäden und dirigiert – er sichert aber bei eigenen Angriffen oft auch als einziger ab. Da neben Kimmich auch Leon Goretzka ausfallen dürfte, spielt gegen Dortmund wohl das Duo Corentin Tolisso und Jamal Musiala. Beide sind für gutes Defensivverhalten nicht bekannt. Und auch in Sachen Mentalität fehlt Kimmich. Er steht wie kein anderer für den grossen Siegeswillen und Hunger bei Bayern.
Mentalitätsdebatten gibt es auch seit Jahren in Dortmund. Fehlt es an der Winnermentalität, um die Bayern wieder vom Thron zu stossen? Wer sich mit dieser Frage beschäftigt, kommt nicht an Captain Marco Reus vorbei. Der 32-Jährige steht mit seiner Art des Fussballspiels sinnbildlich für den BVB. An guten Tagen kann das Spiel der Dortmunder ein wunderschönes sein. Reus und seine Mitspieler sprühen dann vor Spielwitz, sie tricksen, die direkten Zuspiele sind Zuckerpässe, die Abschlüsse landen im Tor.
Doch es gibt auch die schlechten Tage, an denen fast nichts geht. Und in denen bleibt Reus meist gänzlich unsichtbar. So geschehen zuletzt im eminent wichtigen Duell gegen Sporting Lissabon. Dortmund verlor mit 1:3 und schied aus der Champions League aus.
Der Start für Marco Rose bei Borussia Dortmund war kein leichter. Zunächst der unrühmliche Abschied bei Gladbach, dann der mühsame Einstieg mit vielen Verletzten. Der 45-Jährige musste permanent improvisieren, weil viele Stammspieler immer wieder ausfielen. Nach einigen schmerzlichen Niederlagen – insbesondere in der Champions League – wurde Rose auch schon angezählt.
Besonders laut wurde dir Kritik nach der Niederlage gegen Leipzig, als Captain Marco Reus die Formation seines Trainers in Frage gestellt hatte. Doch die Verletztensituation hat sich entspannt, der BVB kann fast wieder aus dem Vollen schöpfen. Die Situation für den Chef entspannt sich langsam.
Deutlich windiger als in Dortmund ist es derzeit in München. Es laufen die grossen Debatten. Über das von den Fans kritisierte Katar-Sponsoring oder über den Umgang mit der Pandemie. Während die Bayern-Bosse einen mässig glücklichen Eindruck hinterlassen, macht einer eine gute Figur: Julian Nagelsmann. Vor der Saison von Leipzig gekommen, hat der 34-Jährige Dinge zu moderieren, die mit einem Fussballtrainer wenig zu tun haben.
Doch auch diese Aufgabe löst er eindrücklich. Er spricht sich in der Katar-Frage als Erster für einen Dialog aus und in der Frage nach dem Impfstatus seiner Spieler stellt sich Nagelsmann geschickt hinter seine Spieler – ohne ihre Einstellung zum Thema Impfen zu befürworten. Und so ist die Unruhe bei Bayern München zwar riesig, auf der Trainerposition ist es aber so ruhig wie bei kaum einem Verein.