«Ja, ist den heut' schon Weihnachten?» Dies dürfen sich am Donnerstag viele der 7778 Zuschauer auf der Winterthurer Schützenwiese gefragt haben. Da geizen die Schweizerinnen in der jüngeren Vergangenheit mit Toren – nur gerade vier in acht Partien gelingen ihnen. Und nun zappelt der Ball in 90 Minuten viermal im gegnerischen Tor. Nur die mangelnde Chancenauswertung verhindert einen noch höheren Sieg.
«Wir haben gemerkt: Wir können Tore schiessen. Das ist sehr wichtig», sagte Nationaltrainerin Pia Sundhage nach der Partie sichtlich gelöst. «Nicht nur das Resultat, auch die Leistung hat heute gestimmt. Ich bin sehr glücklich.» Gleichzeitig hob sie den Mahnfinger. «Wenn man das FIFA-Ranking anschaut, ist Tschechien nicht auf dem Level von Norwegen, Island und Finnland.»
Zwei der drei Schweizer Gruppengegner standen am Donnerstag ebenfalls im Einsatz. Beide verloren, jedoch gegen deutlich stärker einzuschätzende Nationen als Tschechien. Norwegen unterlag im skandinavischen Duell Schweden 0:2, Finnland verlor in den Niederlanden 1:2. Allzu stark auf die anderen wird Sundhage aber nicht schauen. Vielmehr legt sie den Fokus auf die Leistung des eigenen Teams. Und die stimmte gegen Tschechien – anders als in den Spielen zuvor.
Musste Sundhage in den vergangenen Wochen immer wieder kritische Fragen über ihre System-Sturheit und die mangelnde Durchschlagskraft in der Offensive moderieren, konnte sie nun über ihr goldenes Händchen bei der Personalwahl sprechen.
Riola Xhemaili, die erstmals seit mehr als einem Jahr wieder in der Startformation stand, erzielte ein Tor und lieferte eine traumhafte Vorlage, belebte das Offensivspiel. «Wenn der Ball in der Luft ist, ist Riola eine der Besten in unserem Team», sagte Sundhage über die 22-Jährige. Sandrine Mauron, die anstelle von Captain Lia Wälti im Dreier-Mittelfeld agierte, überzeugte vor allem im Spiel gegen den Ball. «Sandrine hat im Training gezeigt, dass sie einen Schritt nach vorne gemacht hat. Wie sie heute gespielt hat, hilft dem Team.»
Und da war Livia Peng, die von Sundhage nicht nur im Spiel gegen Tschechien das Vertrauen genoss, sondern auch an der EM die Nummer 1 sein dürfte. Abgesehen von einer kleinen Unsicherheit Mitte der ersten Halbzeit, als sie eine harmlose Flanke nicht festhalten konnte, zeigte die Bündnerin eine fehlerfreie Leistung. Beim Gegentor war sie machtlos.
«Livia hat gut performt in den Trainings. Wir werden sie zu hundert Prozent unterstützen. Aber im Fussball darf man nie etwas für garantiert nehmen», sprach die Schwedin etwas kryptisch. Die Chance, dass die 23-Jährige auch am Mittwoch in Basel im Tor stehen werde, sei aber gross, so Sundhage.
Eine andere Prophezeiung der Trainerin trat nicht ein. Noch am Mittwoch hatte Sundhage gesagt, dass die Mittelfeldspielerin Lia Wälti trotz nicht optimaler körperlicher Verfassung zum Einsatz kommen werde, «mindestens 45 Minuten». Am Donnerstag aber stand der Captain nicht auf dem Matchblatt, sondern schaute den Teamkolleginnen vom Spielfeldrand zu. «Lia hat heute in Absprache mit dem Trainerteam und den Ärzten entschieden, kein Risiko einzugehen.»
Ob die Akteurin von Arsenal im Eröffnungsspiel gegen Norwegen auflaufen kann, wird sich zeigen. Klar scheint: Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. «Lia ist nicht zu ersetzen», konstatierte Sundhage, um positiv gestimmt nachzuschieben: «Sie hat noch einige Tage Zeit – und sie wird am 2. Juli bereit sein.» Für die Fans des Schweizer Nationalteams wäre es wie Weihnachten und Ostern zusammen. (riz/sda)