Es war ein ungewöhnliches Bild, das sich den Fans im Estadi Johan Cruyff in Barcelona am Sonntag bot. Da stand das Team des FC Barcelona aufgereiht auf dem Feld und wartete vermutlich ebenso gespannt wie die Zuschauer darauf, was Marc-André ter Stegen wohl sagen würde.
Der Torhüter nahm also ein Mikrofon in die Hand, kramte einen Notizzettel heraus und hielt eine Ansprache – dabei zeigte er sich nach Wochen des Kleinkriegs zwischen ihm und dem Klub versöhnlich.
❝ We are looking forward to the start of the season and it will be demanding. We have worked hard to be successful. I want to give my support and welcome to the new signings and with them we will be a stronger team. Visca el Barça i Visca Catalunya ❞
— FC Barcelona (@FCBarcelona) August 10, 2025
© Captain Ter Stegen pic.twitter.com/GtU8FqJbPK
«Für mich persönlich war es wichtig, die Angelegenheit zwischen dem Verein und mir zu klären, und jetzt ist es Zeit, nach vorne zu blicken», sagte der 33-Jährige vor dem Spiel um die Joan-Gamper-Trophäe gegen den italienischen Klub Como 1907.
«Wir freuen uns auf den Saisonstart, der anspruchsvoll werden wird», so ter Stegen weiter: «Wir haben hart gearbeitet, um erfolgreich zu sein.» Er hiess die Neuzugänge willkommen und sicherte ihnen seine Unterstützung zu: «Mit ihnen werden wir ein besseres, stärkeres Team sein.»
Der Dank des deutschen Nationalkeepers ging auch an Trainer Hansi Flick, der Coach hatte sich in der Posse um den langjährigen Kapitän des Teams in den vergangenen Wochen öffentlich auffallend zurückgehalten. Flick stärkte seinem Landsmann weder den Rücken noch bezog er Position für den sportlichen Vorstand.
Als es vor rund einer Woche darum ging, ob ter Stegen seine Kapitänsbinde behalten dürfe, sagte Flick, dies sei üblicherweise eine Entscheidung, die die Mannschaft zwei Wochen vor Saisonbeginn treffe. Er halte sich da raus. Zuvor war ter Stegen von Seiten der Klubführung angedroht worden, dass er sein Kapitänsamt verliere, sollte er einer Weitergabe seines Arztberichts nicht zustimmen.
Der Torhüter hatte nach seiner Rückenoperation in einem Social-Media-Post von einer Ausfallzeit von nur drei Monaten gesprochen. Weil der Ex-Gladbacher seinem Klub danach offenbar die Genehmigung verweigert hatte, seinen Verletzungsbericht an die medizinische Kommission der Liga weiterzuleiten, war es zum grossen Zoff gekommen.
Sollte die Liga wie der Verein nämlich zu dem Schluss kommen, dass ter Stegen nach seiner Rückenoperation mindestens vier Monate ausfällt, könnte der FC Barcelona den kürzlich verpflichteten Joan Garcia als Ersatz im Tor der Katalanen gerade noch rechtzeitig zum Beginn der neuen Saison registrieren lassen. Denn nur bei einer solchen Mindestausfallzeit von vier Monaten darf der Verein gemäss der in Spanien geltenden finanziellen Fairplay-Regeln einen Teil des Gehalts des ausfallenden Spielers – in dem Fall ter Stegen – nutzen, um einen neuen Akteur zu registrieren.
Die Katalanen hatten García im Sommer für rund 25 Millionen Euro als neue Nummer eins von Espanyol Barcelona verpflichtet. Solange er nicht registriert ist, darf er aber nicht spielen. Um Druck auf ter Stegen auszuüben, hatte der Verein ein Disziplinarverfahren gegen den Torwart eingeleitet. Nun gibt es die Kehrtwende. Die spanische Fachzeitung «Mundo Deportivo» schrieb daher von einem «Waffenstillstand» zum Vorteil aller.
Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtete, soll der Ursprung des Konflikts in der vergangenen Saison liegen. Damals war ter Stegen am letzten Spieltag nicht zum Einsatz gekommen, was für ihn erhebliche finanzielle Folgen hatte. Hätte der Deutsche gegen Athletic Bilbao gespielt, wäre er saisonübergreifend auf eine bestimmte Anzahl von Spielen gekommen, die ihm eine Einsatzprämie von zusätzlich 3,5 Millionen Euro beschert hätte.
Wie die spanische Zeitung «El Mundo Deportivo» berichtete, wies der Klub jede Verantwortung für die Entscheidung zurück. Wer spiele oder nicht, sei allein Sache des Trainers. Also von Hansi Flick. Wie die Zeitung weiter berichtet, habe ein anderer Barça-Profi durch seinen Einsatz hingegen eine Prämie in Millionenhöhe eingestrichen: Robert Lewandowski. Weil dem Polen gegen Bilbao ein Treffer gelang, kam er auf das erforderliche Quorum für die Torprämie. Flick und Lewandowski haben den gleichen Berater: den in der Branche gefürchteten Pini Zahavi.
Ob der Streit nun endgültig beigelegt ist, werden die kommenden Wochen zeigen. Nur wenige Stunden vor dem Spiel gegen Como hatte sich ter Stegen erstmals seit zwei Wochen öffentlich zu Wort gemeldet. Der 33-Jährige fühlt sich falsch dargestellt, wie er in einem ausführlichen Statement erklärte. Viele Dinge seien über ihn gesagt worden und «manche davon völlig haltlos», schrieb ter Stegen. Er spüre weiter eine tiefe Zuneigung zum Club, zur Stadt und den Fans und wolle eine gemeinsame Lösung finden, gab der Schlussmann zu verstehen.
Fraglich bleibt allerdings, wie sich ter Stegen seine sportliche Zukunft bei Barça vorstellt. Da der Klub offensichtlich nicht mehr als Stammkraft mit ihm plant, steht der deutsche Nationaltorhüter ein Jahr vor der WM in den USA, Kanada und Mexiko stark unter Druck. «Am Ende ist er unsere Nummer eins», sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann zuletzt über den 33-Jährigen – «wenn er gesund und im Verein die Nummer eins ist». (ram/t-online)