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EM 2024: Deutsche sprechen vor Duell mit der Nati kaum über die Schweiz

Switzerland's Ricardo Rodriguez walks onto the pitch prior to a Group A match between Scotland and Switzerland at the Euro 2024 soccer tournament in Cologne, Germany, Wednesday, June 19, 2024. (K ...
Das Spiel gegen Deutschland ist «das Thema» bei Ricardo Rodriguez und Co.Bild: keystone

Nimmt Deutschland die Nati auf die leichte Schulter? Ein Thema ist sie beim Gegner kaum

Es ist das lang erwartete Duell: Am Sonntag steht das Schweizer Nationalteam im letzten Gruppenspiel dem Gastgeber und «grossen Nachbarn» Deutschland gegenüber.
21.06.2024, 19:2021.06.2024, 19:20
michael lehmann / keystone-sda
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Am Freitag finden in Stuttgart und Herzogenaurach Pressekonferenzen statt. In Stuttgart stellt sich der Schweizer Nationalspieler Ricardo Rodriguez den Medien, und die ersten Fragen drehen sich gleich um das bevorstehende Spiel gegen Deutschland. «Es ist das Thema bei uns», sagt der 31-jährige Verteidiger. «Es wird sicher ein schwieriges Spiel, aber wir freuen uns alle darauf und sind bereit dafür.»

Switzerland's Ricardo Rodriguez answers questions during a press conference at the "Stadion auf der Waldau" in Stuttgart, Germany, Friday, June 21, 2024. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Freut sich auf das Spiel gegen Deutschland: Ricardo Rodriguez.Bild: keystone

Anders in Herzogenaurach, wo die Spieler Chris Führich und Deniz Undav zum Termin erscheinen. Laut «Kicker» dauert es ganze 23 Minuten, bis erstmals eine Frage zur Schweiz gestellt wird – notabene von einem Schweizer Reporter, der sich über das Desinteresse am kommenden Gegner wundert. «Wir interessieren uns natürlich für die Schweiz», wird Undav zitiert. «Wir haben gleich eine Besprechung, morgen dann noch eine – und dann haben wir den Gameplan fürs Spiel.»

Die beiden Ausschnitte charakterisieren das bevorstehende Duell treffend. Deutschland auf der einen Seite rechnet bereits mit dem Gruppensieg und beschäftigt sich eher mit den Gegnern, die ihnen in der K.O.-Phase in die Quere kommen könnten. Auf der anderen Seite die «kleinen Schweizer», die den Favoriten ärgern wollen.

19.06.2024, Stuttgart, Germany, Arena Stuttgart, Germany vs Hungary - UEFA EURO, EM, Europameisterschaft,Fussball 2024 - Group A, Deniz Undav Germany Schaut Foto H. Langer Stuttgart Arena Stuttgart Ba ...
Noch hat sich Deniz Undav nicht gross mit der Schweiz beschäftigt.Bild: www.imago-images.de

Schweizer mit viel Bundesliga-Erfahrung

Dieses Ungleichgewicht folgt einer gewissen Logik. Deutschland, mit rund 85 Millionen Einwohnern bevölkerungsmässig fast zehnmal grösser als die Schweiz, ist seit jeher der «grosse Nachbar». Und gerade für Schweizer Fussballer ist es oft die erste Anlaufstelle, wenn sie ihre Karriere mit dem berühmten «Schritt ins Ausland» aufs nächste Niveau befördern wollen.

So lief es auch bei Rodriguez, der im Januar 2012 vom FC Zürich nach Wolfsburg wechselte. Dass die Sprache (fast) gleich bleibt und sich auch kulturell wenig ändert, sei ein Grund gewesen, erklärt er. Mit dieser Voraussetzung gestaltet sich der nächste Karriereschritt etwas angenehmer. Allerdings traf Rodriguez mit Felix Magath zunächst einen Trainer an, der für sein hartes Training bekannt ist. «Das hat mir gut getan», erinnert sich Rodriguez, «ich habe damals viel gelernt.»

Das sagen auch viele andere Schweizer Nationalspieler über ihre Zeit in Deutschland. Sieben Akteure des aktuellen Kaders spielen derzeit in der Bundesliga, zwölf weitere waren schon einmal bei einem Verein im Nachbarland aktiv. Das Training sei intensiver, das Spieltempo höher, die Gangart ruppiger: In Deutschland ist alles etwas grösser als in der Schweiz, wo die Super League noch immer als Ausbildungsliga bezeichnet wird.

Wenig Interesse an Testspielen

So geniessen die Duelle der Nationalmannschaften eine besondere Brisanz – zumindest aus Schweizer Sicht. In Deutschland ist das Interesse geringer. So liegt das letzte Testspiel bereits zwölf Jahre zurück. Damals, im Mai 2012, gewann die Schweiz in Basel 5:3, was in Deutschland zu einem medialen Aufschrei führte. Seitdem gilt: Die Bedeutung eines Sieges gegen die Schweiz ist gering, die Fallhöhe bei einer Niederlage umso grösser.

Das Ungleichgewicht zwischen den Verbänden zeigt sich auch in einem Deal vor sechs Jahren: 2018 warb der deutsche Verband die damalige Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg ab. Als Teil der Abmachung forderte der Schweizerische Fussballverband unter anderem ein Länderspiel zwischen den Männer-Nationalteams. Diese «Schuld» hat der DFB bis heute nicht eingelöst.

epa08741566 Germany's Kai Havertz (L) in action against Switzerland's Xherdan Shaqiri (R) during the UEFA Nations League group stage, league A, group 4 soccer match between Germany and Switz ...
Könnten sich auch am Sonntag gegenüberstehen: Xherdan Shaqiri und Kai Havertz beim letzten Aufeinandertreffen zwischen der Schweiz und Deutschland.Bild: keystone

Seit dem Testspiel-Sieg in Basel ist die Schweiz nur noch zweimal auf Deutschland getroffen: 2020 gab es im Rahmen der Nations League zwei Unentschieden. Damit würde sich die Schweiz am Sonntag zwar den zweiten Platz in der Gruppe sichern. Auch Rodriguez weiss jedoch, dass ein Sieg sogar den Gruppensieg bedeuten würde.

Neues Selbstverständnis

Der Verteidiger war seit 2014 bei jeder WM und EM dabei, die Schweizer qualifizierten sich immer für die K.o.-Phase. Auch deshalb hat sich das Selbstverständnis verändert. Man traut sich, den «Kampf um den Gruppensieg» auszurufen. Gleichzeitig ist klar, dass für einen Erfolg gegen die Deutschen alles passen muss. «Die deutsche Mannschaft ist überragend», sagt Rodriguez. «Wir müssen 90 Minuten konzentriert sein. Wenn du nicht wach bist, kann es sehr schnell gehen.»

Das Interesse an dem Spiel ist seit der Auslosung enorm: 1,2 Millionen Ticketanfragen sind bei der UEFA für die Begegnung in Frankfurt eingegangen. Eine Zahl, die nur beim Eröffnungsspiel und beim Final übertroffen wurde. (nih/sda)

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    35 Kommentare
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    Die beliebtesten Kommentare
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    Rapanui
    21.06.2024 20:51registriert April 2020
    ich glaube der Artikel stimmt nicht so ganz:

    die EM2020 hat in D Eindruck hinterlassen. Sowohl auf die eigene Mannschaft als auch auf CH. Wenn man jetzt noch bedenkt dass der Kapitän und MVP von der Mannschaft die Serienmeister BM von Thron gestossen hat auch Schweizer Kapitän ist, darf man sicher sein das man in D mit der Schweiz rechnet.
    Kann aber sein das man Schlüsselspieler schont weil man eben davon ausgeht das CH mit dem Messer zwischen den Zähnen kämpft.
    Ich würde jedenfalls eher riskieren Zweiter zu werden als Schlüsselspieler durch Verletzung oder Gelb/Rot Sperren zu verlieren
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    trichie
    21.06.2024 22:15registriert Mai 2017
    Als D-CH-Doppelbürger bin ich so froh dass es hier "nur" noch darum geht wer als erster und wer als zweiter in den Achtelfinal kommt und nicht mehr dass eines von beiden Teams gewinnen "muss".
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