Wir schreiben den 22. Mai 2010: Javier Zanetti stemmt den Champions-League-Pokal in den den Madrider Nachthimmel. In eben diesem Himmel ist Inter Mailand gerade angekommen, es ist nach Meisterschaft und Pokal der dritte Titel für die «Nerazzurri» innert 17 Tagen. Das Triple ist perfekt.
Zur gleichen Zeit in Turin: Der einst so stolze Rekordmeister Juventus hat soeben die Meisterschaft hinter Teams wie Palermo und Sampdoria auf dem 7. Platz beendet. Man ist sich einig, dass sich der Verein so schnell nicht mehr vom «Calciopoli» und dem Zwangsabstieg 2006 erholen wird. Die Welt der «Bianconeri» ist deutlich mehr «Nero» als «Bianco».
Jetzt, fünf Jahre später, greift Juventus zum totalen Triumph, während Inter Mailand in den Niederungen der Serie A angekommen ist. Die Mailänder haben 2011 mit dem Pokalsieg ihren letzten Titel gewonnen.
Juventus hingegen schafft im Sommer 2011, nach einer Saison mit dem erneuten, enttäuschenden siebten Platz der Serie A, den kompletten Umbruch. Die neue Heimstädte, das Schmuckstück «Juventus Stadium», wird eingeweiht und mit Antonio Conte kommt der ehemalige Captain als Trainer zurück nach Turin. Spieler wie Vidal, Pirlo, Barzagli oder Stephan Lichtsteiner wechseln ins Piemont.
In der Ära Conte kommt Juventus nicht mehr aus dem Feiern raus. Gleich in seiner ersten Saison holt Juventus den Meistertitel – ohne eine einzige Niederlage. Es folgen 2013 und 2014 (mit neuem Punkterekord) zwei weitere Titel in der heimischen Meisterschaft.
Während der vergangenen Jahre gelingen Juventus unter Sportdirektor Giuseppe Marotta ausserdem immer wieder sensationelle Transfers wie Paul Pogba (ablösefrei) oder Carlos Tevez (9 Millionen Euro), ohne das Budget überzustrapazieren.
Im Sommer 2014 kommt dann komplett überraschend der Riesenknall: Antonio Conte verlässt seine alte Dame. Der Grund: Meinungsverschiedenheiten bezüglich Investitionen in neue Spieler mit der Führungsetage.
«Wenn man nur 10 Euro im Portemonnaie hat, kann man nicht in einem Restaurant essen, in dem das Menu 100 Euro kostet», so Conte damals in Bezug auf sein Spielermaterial und die Ansprüche der Führung auf internationaler Ebene.
Der neue Coach, Massimilliano Allegri, von 2010 bis 2014 bei Milan, sorgt im Juve-Fanlager für Unmut. Der Neutrainer verspricht, mit Resultaten die Herzen der Tifosi zu erobern.
Was dann kommt, übertrifft die kühnsten Träume der Juve-Fans. Die Hinrunde verläuft noch etwas harzig. Immerhin geht Juventus als Tabellenführer in die Winterpause, in der Coppa Italia und der Champions League ist man noch vertreten.
Zudem schafft es Allegri, immer mehr von Contes 3-5-2 weg zum eigenen 4-3-1-2 zu wechseln und die Systeme gar während des Spiels umzustellen. Mit der neuen Flexibilität läuft Juve zur Topform auf, gerade in Pokalwettbewerben ist die neue Formation erfolgreicher, da sie weniger leicht auszurechnen ist als das 3-5-2.
Allegri hat dem enormen Erfolgsdruck nicht bloss standgehalten, er hat die Mannschaft sogar auf eine neue Ebene gebracht. In der Rückrunde hängt Juventus seine Gegner in der Serie A schnell ab und kann sich auf die Pokalwettbewerbe konzentrieren. In der Coppa Italia endet Juves Lauf mit dem ersten Cupsieg seit zwanzig Jahren.
In der Champions League eliminiert Juve der Reihe nach Borussia Dortmund, die AS Monaco und Real Madrid – als einziges Team kommt Juventus dabei ohne Niederlage durch die K.o.-Phase und zieht ins Finale ein.
Der ganz grosse Coup soll nun am 6. Juni in Berlin folgen. Juve träumt vom Triple, einem Unterfangen, welches seit Einführung der Champions League erst vier Mannschaft gelang:
Manchester United 1998/99: Als erstes Team seit Einführung der Champions League schafft Manchester United das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Königsklasse. Das spektakuläre Ende des CL-Finals bleibt unvergessen:
FC Barcelona 2008/09: Das wohl stärkste Barcelona unter Pep Guardiola gewann 2009 den Champions-League-Final mit 2:0 gegen Manchester United. Auch die Copa del Rey und die Primera Division holten sich die Katalanen in dieser Saison.
Inter Mailand 2009/10: Mit dem überragenden Diego Milito holt Inter unter Startrainer José Mourinho überraschend das Triple.
FC Bayern München 2012/13: Die Bayern holen unter Jupp Heynckes das Triple dank einem CL-Finalsieg gegen Borussia Dortmund. Damit hat auch die vierte Topliga ihren Triple-Gewinner.
Felicitacions @FCBarcelona per la vostra victòria a la @LaLiga! Esperem veure-us a Berlín per la #UCLfinal! #UCL pic.twitter.com/p2yLrefhYB
— JuventusFC (@juventusfc) 17. Mai 2015
Im diesjährigen Final der Champions League wartet der FC Barcelona auf Juventus, welcher ebenfalls noch gute Chancen auf das Triple hat. Die Spanier haben die Meisterschaft am letzten Wochenende gewonnen und gehen am 30. Mai als haushoher Favorit ins Pokalfinale gegen Athletic Bilbao.
Da Barcellona vive congratulazioni per la conquista del titolo di Coppa. @juventusfc Ci vediamo a Berlino. pic.twitter.com/niDZVI5zdK
— FC Barcelona (@FCBarcelona) 20. Mai 2015
Auch in der Champions League ist die Rollenverteilung klar: Juventus ist Aussenseiter – und zwar deutlich. Der FC Barcelona mit dem Supersturm Neymar, Messi und Suarez ist auf dem Papier mindestens eine Nummer zu gross für die «Bianconeri». Auf dem Papier eine Nummer zu gross war aber auch Real mit Ronaldo, Bale und Benzema – doch die Juve hat alle eines besseren belehrt.