Leiden müssen beide. Der eine aus gesundheitlichen Gründen. Der andere mental. Der eine, das ist Johan Djourou. Jener Schweizer Innenverteidiger, der als einziger sämtliche WM-Spiele in Brasilien bestritten hat. Der auch nach dem Trainer-Wechsel von Hitzfeld zu Petkovic gesetzt blieb. Der zwar ab und zu mit Aussetzern auffällt, einige Fans haben dafür den Ausdruck des «Djourou-Moments» kreiert. Der aber auch für Stabilität und Kontinuität sorgt. Djourou leidet am Pfeifferschen Drüsenfieber. Seine Rückkehr kann in zwei Tagen, zwei Wochen oder zwei Monaten geschehen – so genau weiss das niemand.
Der andere, das ist Fabian Lustenberger. Seit 2007 spielt er bei Hertha BSC Berlin. Er ist mit dem Klub je zweimal aufgestiegen und abgestiegen. Viele kamen. Viele gingen. Lustenberger blieb immer. Seit drei Jahren ist er Captain. Er spielte häufig als Innenverteidiger. Manchmal vor der Abwehr. Nur blieb eines eben auch immer gleich: In der Nationalmannschaft erhält er keine Chance. Er ist auch in den Testspielen gegen Irland am Karfreitag und Bosnien-Herzegowina am nächsten Dienstag nicht dabei.
Für die Zentrale der Schweiz sind vorerst andere vorgesehen. Fabian Schär zum Beispiel. Am Fuss gewiss der mit Abstand talentierteste Innenverteidiger derzeit. Zudem verfügt er über Skorerwerte im Nationalteam, die so manche Offensivkraft neidisch werden lassen. Fünf Tore hat er in 17 Einsätzen erzielt. Etliche weitere vorbereitet.
Bis im Sommer kannte Schär nur ein Gefühl: Jenes des Siegens. Logisch, schliesslich spielte er in der höchsten Schweizer Liga stets beim FC Basel. Es kam der Wechsel zu Hoffenheim. Wer damals Hoffenheim hörte, dachte gewiss nicht an einen Verein im Abstiegskampf. So auch Schär. «Mein Verständnis von Fussball ist es nicht, plötzlich alle Bälle wegzuschlagen, nur weil der Gegner Bayern München heisst.»
Acht Monate später sagt Schär in entwaffnender Offenheit: «Natürlich habe ich es mir anders vorgestellt. Ich musste viele neue Momente kennenlernen. Fast ewiges Warten auf einen Sieg beispielsweise. Und es lief auch für mich persönlich nicht gut. Ich habe Anfang Saison nicht brilliert. Es war eine turbulente, schwierige Zeit.»
Seit Mitte Februar aber geht es aufwärts. Konkret: Seit mit Julian Nagelsmann jener neue Trainer Hoffenheim übernommen hat, der selbst erst 28 Jahre jung ist. «Viele dachten, das sei ein Risiko. Aber er weiss, wie wir ticken und wie er uns anpacken muss.» Schär ist zuversichtlich, mit einem positiven Saisonabschluss die Basis für eine erfolgreiche EM legen zu können.
«Eigentlich», sagt Timm Klose, «habe ich mich in Wolfsburg klar durchgesetzt.» Dachte er. Dachten viele. Selbst dann noch, als der Verein den Brasilianer Dante verpflichtet hatte. «Aber als ich erneut auf dem Abstellgleis landete, sah ich irgendwann ein: Jetzt muss ich die Reissleine ziehen.»
Also wechselte Klose. Zu Norwich City. In den Abstiegskampf der Premier League. «Ich meinte anfangs, ich könne hier vielleicht ähnlich hinten raus spielen wie in Wolfsburg – aber denkste!», sagt er und lacht. Vielleicht ist es das Glück von Klose, dass er beim wilden 4:5 gegen Liverpool noch nicht dabei ist. Danach steht er achtmal in Folge in der Startelf. Und nach den jüngsten Erfolgen, dem 0:0 gegen Manchester City und dem 1:0 gegen West Bromwich hat Norwich plötzlich den Klimmzug über die Abstiegsränge geschafft.
Ein «Abenteuer» nennt er die Premier League. Schneller und intensiver als in Deutschland sei der Fussball. Und etwas hat Klose besonders imponiert: «Der Abstiegskampf wird viel entspannter geführt als in Deutschland. Der Trainer sagt: ‹Jungs, geht raus und kämpft, aber habt Spass!›»
Klose in Norwich? «Es war der richtige Schritt.» Auch im Hinblick auf die EM.
Die Erinnerung an seinen letzten Auftritt in der Nationalmannschaft ist eine schmerzhafte. Senderos verletzt sich im Oktober 2014 beim 0:1 in der EM-Qualifikation in Slowenien. Danach spielt er während 14 Monaten noch exakt zwei Minuten in der Premier League. Auch für die Schweiz ist der Dauerverletzte kein Thema mehr. Bis jetzt.
Nach dem Wechsel zu GC in der Winterpause darf Senderos wieder Nationalspieler sein. Petkovic entschied sich für ihn und gegen Steve von Bergen. Obwohl sich Beobachter von GC einen grösseren «Senderos-Effekt» erhofft hätten.
Ist er auch dabei bei der EM? Sein Trumpf ist schnell gefunden: die riesige Erfahrung. Die EM könnte sein fünftes grosses Turnier sein, das ist selbst auf internationalem Level bemerkenswert. «Das wäre grossartig», sagt Senderos, «und natürlich könnte meine Erfahrung auf die Rechnung kommen.» Wer die Erfahrung eines Senderos besitzt, vergisst aber auch nicht, diesen obligaten Satz anzufügen: «Entscheidend ist am Ende nur einer – der Trainer.»
Es ist ein steiler Start. Erstmals darf der 19-jährige Nico Elvedi beim A-Team der Schweiz schnuppern. Er steht vor einer Sponsoren-Wand. Und plötzlich prasseln die Fragen nur so auf ihn nieder. Warum wurde Gökhan Inler als Captain ausgemustert? Wer muss jetzt neuer Captain werden? Elvedi muss kurz überlegen, ob er lachen soll oder nicht. Dann sagt er: «Ich glaube, es ist nicht an einem Neuling, darüber zu befinden, wer jetzt Captain werden sollte.»
Steil. So verlief auch Elvedis Aufstieg in Deutschland bei Borussia Mönchengladbach. Dreimal wird er im November für die letzten Minuten eingewechselt. Dann, am 5. Dezember 2015, folgt das Startelfdebüt – gegen Bayern München. «Wir siegten 3:1. Viel besser hätte meine Premiere nicht verlaufen können.» Es ist ein Erlebnis, das ihm niemand mehr wegnimmt. Elvedi hat Bündner Wurzeln. Sein Grossvater stammt aus dem Val Lumnezia. «Viele Leute denken, ich komme aus dem Balkan», erzählt er. Aufgewachsen ist Elvedi aber in Zürich. Über den FC Greifensee ist er beim FCZ gelandet. Neben dem Stadtklub trägt er auch Real Madrid in seinem Herzen.
Noch ist Elvedi eher ein Mann für die Zukunft als für die Gegenwart, statt gegen Irland im Kader zu stehen, unterstützt der Verteidiger die
U 21. Dennoch gilt er derzeit als das grösste Schweizer Talent in der Innenverteidigung. Und seine Erwartungen? «Ich hoffe vorerst einfach, dass ich nicht das letzte Mal dabei bin.»
Vladimir Petkovic hat am Dienstag nach seiner Reise nach Sarajevo wegen des Todes seiner Schwiegermutter das Training der Schweizer Nationalmannschaft im Hinblick auf das Testspiel in Dublin gegen Irland wieder selbst geleitet. Am Mittwochmorgen erklärt er erstmals öffentlich den Rauswurf von Captain Gökhan Inler. Und spricht gleichzeitig auch über seine Vertragsverlängerung bis Ende der kommenden WM-Qualifikation. Diese ist ob der «Causa Inler» plötzlich in den Hintergrund geraten.
Bei der gestrigen, gut 90-minütigen Trainingseinheit fehlten Stephan Lichtsteiner und Xherdan Shaqiri angeschlagen. Noch ist die Absenz der beiden für Freitag nicht offiziell. Doch es ist wahrscheinlich, dass nichts riskiert wird und sie geschont werden. Der Juventus-Verteidiger plagt sich mit muskulären Problemen in der rechten Wade herum, der Stoke-Offensivspieler spürt noch immer seine Oberschenkelzerrung.
Auch wenn sich das Nationalteam im Clinch mit Klub-Interessen befindet, vernachlässigen wollen die Schweizer die Spiele vom Karfreitag in Dublin und vom nächsten Dienstag gegen Bosnien-Herzegowina nicht. «Wir wollen gute Resultate erzielen. Es ist wichtig, die unmittelbare EM-Vorbereitung mit entsprechend viel Selbstvertrauen zu beginnen», sagt Torhüter Yann Sommer. Sollte der designierte neue Captain Lichtsteiner ausfallen, dürfte Valon Behrami die Binde tragen. (aargauerzeitung.ch)
Lustenberger & Klose
In 1-2 Jahren wird hoffentlich Elvedi ein Stammplatz in der IV bekommen. Zusammen mit Schär, wenn dieser wieder in Form kommt.