Die Young Boys stehen im Rückspiel der Europa-League-Playoffs in Baku mit dem Rücken zur Wand. Um das erste Saisonziel zu erreichen, ist ein Sieg gegen Karabach Agdam Pflicht. Dieser Tage befinden sich die Young Boys weit weg. Einerseits ziemlich weit weg von der erklärten Zielsetzung, dem vierten Einzug in die Gruppenphase der Europa League seit 2010, andererseits auch von zu Hause.
Noch nie musste der Berner Klub für eines seiner bislang 48 Auswärtsspiele im Europacup so weit reisen. Basel, wo die YB-Delegation am Dienstagnachmittag abhob, und Baku, wo Karabach Agdam seit 22 Jahren seine Heimpartien austrägt, sind rund 4300 Flug-Kilometer voneinander entfernt. Mit dem 0:1 vor einer Woche im zu drei Vierteln leeren Stade de Suisse handelte sich YB eine Hypothek ein, die schwer aufzuholen ist.
Die Berner Zeitung setzte das Rückspiel gewissermassen unter ein Motto: «Untergang oder Auferstehung». Der 3:1-Auswärtssieg in Sitten am Sonntag war ein Lebenszeichen, «aber erst der erste Schritt», wie es Captain Steve von Bergen formulierte. «Wir probieren, am Anfang etwas zu reissen», so Trainer Harald Gämperle. «Wir haben 90, vielleicht auch 120 Minuten Zeit, um weiterzukommen.»
Einen Plan dafür scheint er zu haben. Er will, dass seine Spieler die Innenverteidiger der Aseris schneller beschäftigen, dass sie mehr aus der zweiten Reihe schiessen, dass sie ein aggressives Gegenpressing betreiben. Und Gämperle will den Gegner «so wenig wie möglich spielen lassen». Der Rahmen in Baku scheint gegeben. Gegen Celtic Glasgow in der Champions-League-Qualifikation füllten 31'000 heissblütige Zuschauer die Arena, bei jeder halbwegs guten Aktion stieg der Lärmpegel sofort an.
Es gehe ein regelrechter Ruck durchs Stadion, hat die Scouting-Abteilung festgestellt. Das wird heute Abend nicht anders sein. Ein Thema war und ist derweil die miserable Qualität des Rasens. All die zu erwartenden Nebenschauplätze und aktuellen Probleme (unter anderem wie vor einem Jahr in der Meisterschaft bereits neun Punkte Rückstand auf Leader Basel, noch kein Spiel ohne Gegentor) scheinen Gämperle nicht aus der Ruhe zu bringen. So intensiv die Diskussionen in und um Bern sind, so cool hat er sich bislang der Öffentlichkeit präsentiert.
Gämperle weiss zu gut, dass er sein Schicksal nicht in den eigenen Händen hält. Es ist resultat- und personenabhängig. Bis zum 31. August ist Gämperle als Interimscoach angestellt. Wie es nach den Gastspielen in Baku und am Sonntag im Letzigrund gegen GC weitergeht, ist offen.
Der letzte Schritt in die Europa League ist gross für den FC Thun. Um die Gruppenspiele zu erreichen, braucht er nach dem 1:3 im Hinspiel im Heimspiel gegen Sparta Prag ein 2:0 oder mehr. Die Vorgabe ist für den FC Thun nach dem 1:3 im Hinspiel in Prag nur schon deshalb ungünstig, weil ihm in dieser Saison das Siegen nicht leicht fällt.
Von zwölf Wettbewerbsspielen gewann er nur vier – und einzig im Cup gegen den Erstligisten Solothurn gab es ein Resultat, das gegen Sparta Prag zum Weiterkommen reichen würde (4:0). Es gibt trotzdem positive Denkansätze: Genau vor zwei Jahren ist Thun in den Europa-League-Playoffs bei ähnlicher Ausgangslage ein Coup gelungen.
Gegen Partizan Belgrad gab es nach dem 0:1 in Serbien in der eigenen Arena ein 3:0. Damals war jedes Tor letztlich rund eine Million Franken wert. Erreicht der FC Thun auch gegen Sparta Prag die Gruppenspiele, kann er mit mindestens zwei Millionen Netto-Erlös rechnen. Man wäre bis zum Saisonende ohne finanzielle Sorgen, heisst es in Thun.
Vor zwei Jahren hatten die Berner Oberländer im wichtigsten Spiel der Saison eine Effizienz im Abschluss gezeigt, die ihnen derzeit abgeht. Sowohl in Prag als auch am letzten Sonntag gegen Vaduz (1:0) stand der Output in keinem Verhältnis zum offensiven Aufwand und den vielen Chancen. «Wir müssen noch konzentrierter und weniger nonchalant sein und das Tor um jeden Preis schiessen wollen», sagte Trainer Ciriaco Sforza.
So war nach dem Sieg gegen Vaduz und dem Vorrücken auf Platz 7 zwar die Erleichterung gross in Thun, vor allem auch weil man erstmals in dieser Saison in der Meisterschaft ohne Gegentor blieb. Doch alle Probleme hat das Team mit diesem Erfolg nicht abgeschüttelt.
Bisher hat immer mindestens ein Element gefehlt. Entweder vergab man vorne zu viele Chancen wie beim zu knappen Erfolg gegen Vaduz. Oder man machte hinten zu viele Fehler wie gegen die Grasshoppers (3:5), die Young Boys (1:3) oder den FC Basel (1:3). Oder es passierte beides zusammen wie in Prag, als in der Schlussphase ein 2:2 mehrmals möglich war, am Ende das Spiel aber nach einem unnötigen Foul von Innenverteidiger Fulvio Sulmoni 1:3 endete. (si)