Es ist mit grosser Wahrscheinlichkeit die letzte Europacup-Reise, welche die Young Boys in dieser Saison unternehmen. Um überhaupt noch eine Chance zu haben, vom letzten Gruppenplatz wegzukommen, müssten die Berner die restlichen zwei Partien gewinnen: Zum Abschluss der Vorrunde daheim am 12. Dezember gegen Juventus Turin und am Dienstag bei Manchester United im Old Trafford.
Die bisherigen vier Spieltage lieferten keine Indizien, dass ein solches Szenario im Bereich des Möglichen liegt. So beeindruckend die Young Boys in der Meisterschaft Sieg an Sieg reihen, so schwer fällt es ihnen in der Champions League, das Tempo und die Konzentration über längere Zeit hoch zu halten. Sie sind in dieser erstklassigen Gruppe wie erwartet die vierte Kraft – der Aussenseiter, der auf den einen perfekten Abend hofft, um die sportliche Logik zumindest für 90 Minuten ausser Kraft zu setzen.
In der Champions League kann ein ein einzelner Erfolg die Wahrnehmung einer Kampagne bestimmen – speziell wenn er am richtigen Ort erreicht wird. Das Old Trafford wäre ein solcher richtiger Ort, wo die Scheinwerfer etwas heller leuchten als anderswo. Im fast 110 Jahre alten Stadion fanden schon WM- und EM-Partien statt. 2012 wurde ein Teil des olympischen Fussballturniers in der 75'000 Zuschauer fassenden Arena ausgetragen. Doch Berühmtheit erlangte das Old Trafford vor allem in der Ära von Trainer Alex Ferguson, der mit dem Klub in 26 Jahren 38 Trophäen gewann.
Seit Ferguson Manchester United vor fünf Jahren verlassen hat, hat die Festung etwas zu bröckeln begonnen. Im «Theatre of Dreams» gehen nun häufiger auch mal die Träume der Gäste in Erfüllung. In der Champions League steht das Team von José Mourinho nach zwei Heimspielen noch ohne Treffer da und auch am Samstag in der Meisterschaft reichte es gegen Crystal Palace nur zu einem torlosen Remis. Mourinho warf seinen Spielern danach fehlende Leidenschaft vor und warnte: «Wenn wir mit der gleichen Einstellung gegen die Young Boys spielen, reicht es nicht zum Sieg.»
Manchester United hat in der Meisterschaft nach 13 Runden schon 14 Punkte Rückstand auf den Stadtrivalen Manchester City und liegt sieben Zähler hinter einem Champions-League-Platz. Selten ist das Ensemble in dieser Saison überzeugend aufgetreten, auch weil sich der vorgesehene Regisseur Paul Pogba längst nicht immer so inspiriert zeigt wie beim Hinspiel gegen die Young Boys, als er zweimal traf. Das 3:0 im Stade de Suisse von Mitte September ist bis heute der höchste Sieg, den die United in dieser Saison gefeiert hat, und auch der letzte mit mehr als einem Tor Differenz.
Die Champions League hat für Manchester United durch die Schwächen in der Premier League noch an Bedeutung gewonnen, der Druck ist dementsprechend gross. Ein Fehltritt gegen YB könnte Valencia ermöglichen, sich an den Engländern vorbei auf Platz 2 zu schieben. Die Young Boys haben in den kommenden Tagen derweil mehr zu gewinnen als zu verlieren mit den Partien in Manchester und am Wochenende in Basel, auch wenn mit dem verletzten Guillaume Hoarau und dem gesperrten Sékou Sanogo zwei wichtige Teamstützen ausfallen.
Rund 3000 Anhänger haben YB nach Manchester begleitet und dürften zu einem beträchtlichen Teil am Dienstagabend von der Innenstadt Richtung Südwesten zum Stadion marschieren, was den örtlichen Behörden schon im Vorfeld einiges Kopfzerbrechen bescherte. Es wurde der Bevölkerung unter anderem empfohlen, wenn möglich am Dienstag von zu Hause aus zu arbeiten, um das ohnehin fragile Strassennetz der Stadt nicht noch mehr zu strapazieren. (ram/sda)