
Solche Szenen wird es in Liverpool in diesem Sommer bei einem allfälligen Titelgewinn leider nicht geben.Bild: AP
08.06.2020, 09:5108.06.2020, 12:13
Nach monatelanger Corona-Pause steht die Premier League vor dem Restart. Dem FC Liverpool fehlen zwei Siege aus neun Spielen zum ersten Meistertitel seit 1990. Sollte der Titelrivale Manchester City gegen Arsenal beim geplanten Restart am 17. Juni das Nachhholspiel verlieren, könnten die «Reds» den Titel bereits zum Auftakt im Merseyside-Derby gegen Stadtrivale Everton holen.
Knapp zwei Wochen vor der Wiederaufnahme der Meisterschaft hat Trainer Jürgen Klopp dem TV-Sender «Sky» ein ausführliches Interview gegeben. Der 52-jährige Deutsche sprach über die mögliche Titelfeier ohne Fans, die «Black lives matter»-Aktion seiner Spieler und die Qualitäten von Dortmund-Trainer Lucien Favre.
Jürgen Klopp über ...
... über den Restart der Premier League:
«Wir wollen nicht nur zwei Spiele gewinnen, sondern wenn's geht neun. Es kann historisch werden und das nicht nur klubhistorisch. Wir haben die Chance auf eine unglaubliche Punktzahl und darum sollten wir uns kümmern. So bereiten wir uns vor. Unser erstes Spiel ist bei Everton und ich glaube das Letzte, was die wollen, ist, dass wir im Goodison Park die Arme hochreissen und was zu feiern haben. Es ist alles kein Zuckerschlecken.»

Jürgen Klopp, wie man ihn kennt.bild: screenshot sky
... über den bevorstehenden Meistertitel:
«Jeder Liverpool-Fan hat 30 Jahre darauf gewartet. Dass man das dann nicht so feiern kann, wie man sich das immer erträumt hat: Das ist nicht schön. Das verstehe ich total. Das geht mir übrigens auch so. Allein im Stadion die perfekte Meisterschaft zu feiern, danach einfach heimzufahren und wenn's hochkommt eine Flasche Bier oder ein Wasser drauf zu trinken, ist gewiss keine Idealvorstellung. Dennoch ist es von vielen nicht perfekten Situationen, die so eintreten können im Laufe einer Fussball-Saison, immer noch die nahezu perfekte Situation, nämlich: Meister zu werden.»

Zwei Siege und Liverpool darf nach 30 Jahren wieder den Meistertitel feiern.Bild: EPA
... über die abgesagte Meisterparty:
«Das ist nicht zu ändern. Und warum sollten wir jetzt ein Riesenfass über etwas aufmachen, was nicht zu ändern ist? Es kommt der Tag – und daran glauben wir alle – an dem das Leben wieder normal sein wird. Dann haben wir das Recht, das zu feiern, was wir feiern wollen. Und wenn es erst nach dem 12. oder 13. Spiel in der nächsten Saison soweit sein sollte. Wenn wir da Bock drauf haben – wer soll es denn verhindern? Dann haben wir den Pokal immer noch und dann können wir ihn auch durch die Stadt fahren und auf dem Bus stehen. Wenn andere Leute dann denken, die sind nicht ganz dicht, ist mir das ehrlich gesagt völlig wurscht. Eine verspätete Meisterparty kann immer noch eine sehr spezielle Feier werden. Anders – aber anders ist manchmal auch absolut okay.»

Mit dem offenen Bus durch die Innenstadt? Warum nicht im nächsten Frühling?!Bild: AP/PA
... über den Lockdown:
«Meine Frau hat viele Kleinigkeiten an mir entdeckt, die gar nicht so nutzlos sind im Alltag. Ich kann jetzt Waschmaschine und Trockner bedienen, um täglich meine Trainingsklamotten zu waschen. Ausserdem habe ich ab und zu gestaubsaugt und mein Auto gewaschen mit einem Küchenschwamm und Spüli.»
... den Restart der Bundesliga:
«Alles hat sich daran orientiert. Es war einfach so, nicht nur bei uns in England, ich glaube in Spanien und Italien auch. Einfach weil Christian Seifert (der Geschäftsführer der DFL, Anm. d. Red.) da einen unglaublichen Job gemacht hat, dass muss man einfach so sagen. Deutschland ist sozusagen das Schlaraffenland in diesem Moment, wo irgendwie alles in die richtige Richtung läuft. Wahrscheinlich nicht das einzige, aber jetzt in Europa das Land, wo man sich jetzt am schnellsten mit der Situation richtig auseinander gesetzt hat und auch die richtigen Massnahmen ergriffen hat.
Gepaart mit der Disziplin, die uns ja alle irgendwie einigermassen eint, hat das schon relativ schnell das Ganze in die richtige Richtung gelenkt. Und dadurch war Fussball dann auch wieder möglich. Das hat dann auch die Perspektive für uns gegeben, klar. Es war wichtig, ich verfolge ja logischerweise beide Seiten der Medien und bekomme alle Nachrichten mit aus Deutschland und auch aus England. Wir haben hier schon noch ein bisschen Arbeit vor uns, aber auch hier geht es jetzt in die richtige Richtung.
Man kann es natürlich immer besser machen, aber es wirkte schon schlüssig und ich hoffe, dass man das jetzt so durchziehen kann und die Saison vernünftig beendet wird. Die Fussballspiele sehen normal aus – mit natürlich weitaus weniger Emotionen logischerweise, aber das kann man nicht ändern – aber sonst sieht es gut aus: viele Tore, taktisch gut, Spieler sehen fit aus, also ein rundes Bild.»

Klopp lobt die Arbeit von DFL-CEO Christian Seifert explizit.Bild: EPA
... über «Black lives matter»:
«Für uns ist der Umgang miteinander und ‹Black lives matter» ganz natürlich – vor allem wenn man sich unsere Mannschaft anschaut: Wir haben Spieler aus Afrika, aus England und so weiter mit einem dementsprechenden Hintergrund. Es ist für uns schon so natürlich, dass wir im ersten Moment gar nicht darüber nachgedacht haben, dass wir eine Message senden könnten.
Aber dann ist es den Jungs aufgefallen. Dann haben sie sich zu dieser Aktion ganz spontan entschieden. Ich bin ja schon seit langem ganz stolz auf die Burschen, aber das war nochmal ein aussergewöhnlicher Moment. Als ich sie da gesehen habe und dieses Foto gemacht wurde. Da war ich richtig stolz, weil es einfach auch eine wichtige Message ist.»
... mögliche grosse Sommer-Transfers:
«Hier gibt es etliche Gerüchte in England, wen Manchester United holt, Chelsea holt und so weiter. Bei uns ist eher Ruhe, das kann man klar sagen. Wenn du es seriös angehen willst, normal wirtschaftest und du keine Ahnung hast, wieviel man einnehmen wird im nächsten Jahr – weil wir nicht wissen, ab wann wieder mit Zuschauern gespielt werden kann – das muss einfach mal durchgerechnet werden. Im Moment verlieren alle Vereine Geld, das ist ja klar.
Mit Spielern über irgendwelche Dinge zu diskutieren, wie Gehaltsverzicht oder sonst was, und auf der anderen Seite gleichzeitig einen Spieler für 50 oder 60 Millionen Euro zu kaufen – das müsste man auch erst mal erklären.»

Leipzigs Star-Stürmer Timo Werner hätte auch Klopp gerne gehabt. Er soll nun aber für 50 Millionen Euro zu Chelsea wechseln.Bild: keystone
... die Bayern-Chancen auf den CL-Titel:
«Die Bayern haben eine gute Chance. Sie sehen im Moment top aus, dass kann man sicher nicht anders sagen. Es läuft einigermassen wie geschmiert und auch Verletzte kommen zurück. Das sieht alles sehr rund aus, aber so muss es natürlich bleiben. Um die grossen Titel zu gewinnen, musst du auch Glück haben. Im Finale solltest du dann, wenn du soweit kommst, schon deine Top-Elf zur Verfügung haben. Das hatten irgendwie alle Champions-League-Sieger in den letzten Jahren und das ist relativ wichtig.
Daher glaube ich, dass die Bayern die grösste Chance haben, einfach weil selbst wenn sich einer leicht verletzten sollte, kann er sich in der Zeit bis zur Champions League wieder auskurieren. Das könnte ein Vorteil sein, keine Frage. Inwiefern das dann wirklich so ist, das würde ich dann gerne abwarten wollen. Aber von meiner Seite gibt es keine Einwände. Wenn die Bayern das Ding gewinnen: herzlichen Glückwunsch.»

Die Bayern gehören für Klopp zu den Top-Favoriten auf den Champions-League-Titel.Bild: keystone
... Lucien Favres Arbeit in Dortmund:
«Wenn ich einen anderen Trainer einschätze, gucke ich, wie seine Mannschaft spielt. Von zehn Mannschaften würde ich jene von Favre erkennen. Das ist ein Qualitätsmerkmal. Da sieht man einfach alles: Ballstafetten, überragende Systemwechsel – das sieht alles stimmig aus. Ich muss für Favre kein Plädoyer halten, aber ich halte Lucien für einen guten Trainer.»

Klopp und Favre kennen sich aus früheren Bundesliga-Zeiten sehr gut.bild: imago-images
(pre)
Schweizer, die in den Top-5-Ligen Meister wurden (ab 1995)
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Übrigens: Seit dem letzten Meistertitel von Liverpool unterschrieb Peter Schmeichel bei Manchester United, holte fünf Meistertitel, gab seinen Rücktritt bekannt und sah, wie sein Sohn mit Leicester die PL gewann.