Es dauerte nicht lange, bis das erste Marokko-Trikot auf den Schultern eines Fans in Casablanca zu sehen war. Man musste nicht einmal den Flughafen verlassen. Es ist das Trikot eines jungen Mannes, der an der Snackbar bedient. Wir kommen ins Gespräch. «Schönes Trikot! Und, wird Marokko am Mittwoch gewinnen?» Er ist weder auf Französisch noch auf Englisch besonders bewandert, antwortet aber trotzdem begeistert:
Sein Kollege in Zivilkleidung ist gesprächiger. Und zuversichtlicher. «Wenn wir Mbappé ausschalten, werden wir Frankreich schlagen! Das Ergebnis? Mhhhhhh 2:1 für Marokko. Oder ein Sieg im Elfmeterschiessen.»
Ein Erfolg nach der schicksalhaften Sitzung ist auch die Prognose von Rida, dem Taxifahrer. Aber wie die meisten Menschen, die man in «Casa» trifft, gibt er nicht an. Sein Optimismus scheint eher der des Herzens als der des Verstandes zu sein. «Es wird schwierig werden, Frankreich ist stark», gibt der 40-Jährige, der ein grosser Fan vom Klub Raja Casablanca ist, zu.
Sein grauer Mercedes schneidet durch die Nacht von Casablanca und fährt durch ruhige Strassen, in denen erstaunlicherweise keine marokkanischen Flaggen auf Balkonen oder am Strassenrand zu sehen sind. Nur ein paar leuchtende Reklametafeln mit dem Mannschaftsfoto der Atlas-Löwen.
Die Ruhe vor dem Sturm hat uns der SIM-Karten-Verkäufer am Flughafen versprochen. Er ist der beständigste von allen. «Natürlich werden wir gewinnen», sagte er mit einem neckischen Lächeln. Dann wird er ernster: «Diese marokkanische Mannschaft ist unglaublich! Nach dem Spiel wird in der Stadt die Hölle los sein!»
Glaubt man Jean-Luc, einem in Genf lebenden Ivorer, der über Casablanca nach Abidjan fliegt, wird ganz Afrika in Aufruhr sein, wenn die Löwen gewinnen:
Er ist sich also sicher, dass er die Löwen gegen die Franzosen unterstützen wird? Er zuckt mit den Schultern und hebt die Arme wie selbstverständlich: «Natürlich!» Er erinnert daran, dass dieses Derby zwischen Ex-Kolonialisten und Kolonialherren neben der sportlichen Herausforderung auch eine starke symbolische Bedeutung hat.
Als Said das Flugzeug betrat, verstaute er seinen FC Barcelona-Schal im Fach über seinem Sitz. Der gebürtige Marokkaner, der in Freiburg wohnt und für ein paar Tage ins Kaff fährt, bedauert etwas:
Gegen Frankreich wird er wahrscheinlich etwas mehr riskieren. «Marokko wird gewinnen», sagt er. Wie viel? Zögern. «1:0.» Ein Ergebnis, das ausreichen würde, um die scheinbare Ruhe in «Casa» am Mittwochabend in einen Sturm zu verwandeln.