Es gibt fünf Spiele, die zwischen Basel und Florenz in den Annalen festgehalten sind. Daneben haben die beiden Klubs, die am 11. und 18. Mai in der Conference League einen Finalteilnehmer unter sich ausmachen, weitere Berührungspunkte. Etwa wenn Spieler von einem zum anderen Klub abwandern, wobei es sich bis jetzt um eine Einbahnstrasse handelte: die Florentiner zahlen, die Basler kassieren.
Bei einem Spieler allerdings bissen sich die Italiener vor ein paar Jahren die Zähne aus: Monatelang umgarnten sie Taulant Xhaka, doch vermutlich wäre es einfacher gewesen, den Papst zur Aufhebung des Zölibats zu überreden, als den treusten aller rotblauen Fussballer wegzulocken. «Ich habe ja sogar Heimweh, wenn ich zu lange in den Ferien bin», sagte Xhaka kürzlich gegenüber dieser Zeitung.
Dass Xhaka überhaupt auf dem Radar des italienischen Traditionsklubs war, hing mit einer anderen Geschichte zusammen, die einen Monat zuvor in Basel zu einigen Verwerfungen geführt hatte. Trainer Paulo Sousa, der Wanderarbeiter, hatte noch vor dem Ende seiner ersten Saison beim FCB bereits wieder genug – auch weil die Fiorentina um ihn warb. Just vor dem Cupfinal 2015 gegen Sion.
Später erzählte Sousa, dass damals in Basel nach dem frühzeitigen Gewinn der Meisterschaft zwei Wochen lang durchgefeiert worden sei, «da fällt es schwer, die Konzentration aufrechtzuerhalten». Prompt gingen pomadige Basler gegen hoch motivierte Sittener im Joggeli mit 0:3 unter. Paulo Sousa wollte nur noch weg und spielte sein eigenes Spiel mit der FCB-Führung, um schliesslich in Florenz zu unterschreiben.
Sousas Werben um Taulant Xhaka blieb vergeblich. Stattdessen begegneten sie sich auf dem Fussballplatz wieder – ein weiteres Kapitel der gemeinsamen Geschichte der beiden Vereine. In der Europa League 2015/16 trafen die beiden in einer Gruppe aufeinander. Es waren jedoch nicht die ersten Partien zwischen Rotblau und der Viola. In der ersten Phase der glorreichen Benthaus-Ära vor über fünf Jahrzehnten spielten die Klubs dreimal gegeneinander.
Einen Spieler zu finden, der sich an damals erinnern kann, ist gar nicht so einfach. Bei Roland Paolucci haben wir Glück. Dem 75-Jährigen ist vor allem die erste Partie im Gedächtnis haften geblieben – aus einem naheliegenden Grund: Er schoss das einzige Basler Tor. Anlass war der Alpencup, in welchem sich in jenen Jahren regelmässig Schweizer und italienische Klubs massen.
Paolucci erzählt, wie er mitbekam, dass die Italiener sich gegenseitig vor ihm, dem «piccolo svizzero» auf der linken Seite, gewarnt hätten. Aus gutem Grund: In der 16. Minute lancierte Spielertrainer Helmut Benthaus Stürmer Helmut Hauser, der den Ball perfekt für Paolucci zum 1:0 auflegte. Goalie des Gegners? «Kein Geringerer als Enrico Albertosi», entsinnt sich Paolucci, «der spätere Vize-Weltmeister mit Italien».
An diesem schwülen 29. Juni 1968 glichen die Gäste zwar noch aus, doch dem FCB reichte das Remis, um sich für den Alpencup-Final gegen Schalke 04 zu qualifizieren. Dieser ging dann mit 1:3 verloren.
Zwei Jahre später trafen die beiden Vereine sich wieder im Alpencup. Innert Wochenfrist gleich zweimal. Roland Paolucci stand zwar jeweils in der Startelf, an die Partien hat er, der für den FCB in zehn Jahren 97 Spiele absolvierte, jedoch keinerlei Erinnerungen mehr. Die Recherche im Basler Zeitungsarchiv ergibt, dass das erste Duell 3:3 endete mit späten Toren von Helmut Hauser und Walter Mundschin.
Die «Basler Nachrichten» kritisierten danach «das Verhalten der Fanatiker aus Florenz, die ihre Wut am unerwarteten Ausgang mit Flaschenwürfen auf das Spielfeld quittierten». Und dies, obwohl die Italiener auch so das Endspiel eine Woche später am selben Ort gegen denselben Gegner erreichten.
In diesem Final stach Jürgen Sundermann, der spätere «Wundermann», besonders heraus: Er hatte bei allen drei Treffern zum 3:2-Sieg der Basler die Füsse im Spiel. Wieder sorgten die Tifosi für Ärger: «Obwohl die Polizei den mutigen Spielleiter nach dem Schlusspfiff unverzüglich gegen die unsportlichen Elemente abschirmte, wurde er von einem unsichtbaren Wurfgegenstand am Kopf getroffen», hielt die «National-Zeitung» fest.
Die Fiorentina erlebte damals die erfolgreichste Phase ihrer Klubgeschichte. 1969 hatte sie ihren zweiten Meistertitel nach 1956 gefeiert. 1957 schaffte sie es gar in den Final des Europacup der Landesmeister, der allerdings gegen das grosse Real Madrid mit Alfredo Di Stefano verloren ging. 1961 hatten die Florentiner im erstmals ausgetragenen Cup der Cupsieger mehr Glück, als sie die Glasgow Rangers in zwei Finalspielen (2:1, 2:0) bezwangen.
Den Tiefpunkt der Geschichte erlebte der 1926 gegründete Verein just in jenem Jahr, in welchem der FCB zu alter Blüte zurückfand: 2002 war die Fiorentina pleite und wurde in die vierthöchste Liga verbannt. Vereinspräsident und Filmmogul Vittorio Cecchi Gori kam wegen betrügerischen Konkurses gar in den Knast.
Der Klub hingegen schaffte es, auch dank Lobbying und sportpolitisch zweifelhafter Urteile des italienischen Verbandes, innert zweier Jahre in die Serie A zurück – viel schneller, als dies unter normalen Umständen möglich gewesen wäre.
Handfest geschäftlich wird es zwischen Basel und Florenz erstmals 2007. Nachdem die US Palermo, stolzer Dritter der Serie A, entrüstet die Verhandlungen abbricht, weil die Familie Kuzmanovic 1.5 Millionen Euro netto als Jahressalär aufruft, tritt kurz vor Transferschluss im Januar die Fiorentina auf den Plan.
Der 19-jährige Zdravko Kuzmanovic, von den Junioren von YB zum FCB gestossen und der Shootingstar der Saison 06/07 im Team von Christian Gross, wechselt über Nacht den Berater. Dann checkt er im FCB-Trainingslager in La Manga aus, kaum ist der Mittagstisch abgeräumt, jettet nach Florenz und unterschreibt einen Vertrag bis 2011 bei dem damals vom Modemagnat Andrea Della Valle geführten Klub.
Unterm Strich kassiert der FCB fast fünf Millionen Franken Ablöse, was Kuzmanovic zum damals teuersten Schweizer U21-Spieler macht. International spielt Kuzmanovic (Social-Media-Motto: «Make money not friends») dann für Serbien, nicht für die Schweiz, er macht Karriere und fällt nach deren sang- und klanglosem Ende in Reihen des FCB durch sein loses Mundwerk auf.
2015 kommt es zu den Duellen in der Gruppenphase der Europa League. Hauptprotagonist beider Spiele ist Mohamed Elneny, der in den Reihen von Rotblau bis dahin eher als Arbeiter denn als Künstler aufgefallen ist. Im Hinspiel im Stadio Artemio Franchi aber erzielt der Ägypter den Siegtreffer zum 2:1 mit einem Kunstschuss aus 25 Metern. Er erhält von der «Gazzetta dello Sport» die Bestnote, ganz im Gegensatz zu den FCB-Fans: «Eine Hundertschaft hat auf der Piazza della Signoria das noble Wohnzimmer von Florenz in eine Müllhalde aus Bierflaschen verwandelt.»
Beim 2:2 im Heimspiel ist es erneut Elneny, der mit seinem Treffer das Schlussresultat herstellt. Beide Teams qualifizieren sich für die Sechzehntelfinals. Der FCB mit Urs Fischer wird erstmals Gruppensieger, Zweiter die Fiorentina mit Paulo Sousa, der sich auch in der Toskana kein Sitzfleisch zulegt und Richtung China weiterzieht.
15 Jahre nach dem Kuzmanovic-Transfer kommen die Fiorentina und Basel wieder mit einem Spielerwechsel ins Geschäft, wieder im Winter und wieder kurz vor Schliessung des Transferfensters. Die Fiorentina, inzwischen im Besitz des steinreichen Italoamerikaners Rocco Benito Commisso, der 2019 dafür irgendwas um die 200 Millionen Euro hingeblättert haben soll, hat ihren Torjäger Dusan Vlahovic für monströse 80 Millionen an Juventus abgegeben und reinvestiert in König Arthur Cabral.
Es sollen gegen 17 Millionen Franken in die klamme Basler Kasse geflossen sein, ein Drittel davon weiter an Cabrals ehemalige Klubs in Brasilien. Damit verlor Basel einen Stürmer, der noch in der Ära von Marco Streller als Sportchef geholt wurde und in 106 Spielen 65 Tore erzielte.
In Florenz beträgt seine Torquote aktuell die Hälfte (17 in 59 Spielen), und die muss er ja nicht unbedingt in der Conference League verbessern.