Vater und Tochter sitzen beim Frühstück, Kaffee und Gipfeli stehen auf dem Tisch. Es ist einer der letzten Ferientage. Er mit Zeitung in der Hand, sie die Augen aufs Handy gerichtet, beide stöbern durch die neusten Nachrichten, als er plötzlich zu lächeln beginnt und sie irritiert aufblickt.
Tochter: Warum lachst du so? Sieht so dein Bedauern aus, dass ich bald wieder in die Schule muss, anstatt mit dir zu frühstücken?
Vater: Natürlich nicht, Liebling. Ich lächle, weil der Fussball auf der grössten Bühne zurück ist.
Tochter: Wie jetzt, wird die Europameisterschaft doch noch gespielt? Ich dachte, die sei auf nächstes Jahr verschoben.
Vater: Fast. Es ist zwar nicht die EM, aber immerhin die Champions League. Und ein bisschen EM-Feeling kommt auch auf. Innert zwei Wochen werden Achtelfinals, Viertelfinals, Halbfinals und Final ganz kompakt gespielt. Derselbe Modus wie an den grossen Turnieren, wer verliert, ist raus, keine Rückspiele mehr, kein ewiges Taktieren. Achtung, fertig, los! Es ist wie eine verspätete Geburtstagsparty, nicht dasselbe wie in echt zwar, aber eine tolle Entschädigung für das Verpasste.
A reminder for the current champions league bracket. Who do you think will lift the trophy this year? #UCL #UCLisBack pic.twitter.com/Zbu8KoyFBb
— Sport Buff (@SportBuffCo) August 4, 2020
Tochter: Cool, dann kann ich in den nächsten zwei Wochen immerhin fast jeden Abend Fussball schauen. Aber sag mal, das ist ja wie diese Klub-WM, von der du mir einmal erzählt hast. Aber davon warst du doch überhaupt nicht begeistert. Warum soll jetzt alles besser sein?
Vater: Es ist wie häufig im Leben, die Dosierung ist entscheidend. In Zeiten von Corona, wenn wir wochenlang keinen Fussball mehr haben, freuen wir uns wie kleine Kinder, wenn der Ball wieder rollt. Aber ohne Corona wäre eine Klub-WM eine reine Zwängerei der Fifa – einfach um noch mehr Geld aus der Zitrone zu pressen. Gut möglich, dass wir in zwei Wochen denken: «Eigentlich war dieses Finalturnier der Champions League grossartig – schade, dass es sich nicht wiederholen wird.»
Tochter: Mag sein, aber auf Tiktok ist dein Champions-League-Finalturnier trotzdem kein Thema. Da braucht es grosse Emotionen.
Vater: Abwarten! Die Welt kennt Bergamo als Ort der schrecklichen Bilder wegen des Coronavirus. Ausgerechnet jetzt stürmen die Fussballer von Atalanta Bergamo erstmals in den Champions-League-Viertelfinal und sorgen mit ihren Erfolgen dafür, dass die Menschen etwas Ablenkung finden in den tragischen Tagen. Sogar ein Schweizer ist mit dabei, Remo Freuler, herausragend, was er leistet! Es ist zwar unwahrscheinlich, aber wer weiss, vielleicht schreibt Atalanta ja ein Sommermärchen.
Tochter: Na ja, du erzählst mir ja auch jedes Jahr vom traumwandlerischen Fussball von Paris Saint-Germain. Immer wieder soll ihr grosser Moment kommen, jedes Jahr sind sie noch reifer für den Titel. Jetzt sicher auch wieder ...
Vater: Es könnte tatsächlich das Jahr von Paris werden!
Tochter: Ach Papa, bitte! Schalte deine Emotionen für einen kurzen Moment aus, ich will wenigstens in der Schule eine fachkundige Prognose abgeben können. Wer holt den Titel?
Vater: Selten war die Ausgangslage so offen und spannend. Bayern München war in grosser Form, hat aber seit einem Monat kein Spiel mehr bestritten. Manchester City müsste auch endlich einmal der grosse Wurf gelingen. Real Madrid hat mit Zidane den besten Trainer, Juventus Turin mit Cristiano Ronaldo den besten Einzelspieler. Trotzdem: Ich bleibe bei Paris!
Tochter: Von mir aus, aber bei der ersten Neymar-Schwalbe schalte in den Fernseher aus!
Das wird aber ein kurzes Vergnügen... 🤣