Urs Fischer ist zurück in der Bundesliga – vom Projektmanager zum Feuerwehrmann
Urs Fischer war komplett geladen. Dafür, dass der Zürcher nach eigener Aussage explizit kein Vulkan ist, brodelte er bei seinem Debüt für Mainz gewaltig. Ein vom Video-Schiedsrichter aberkanntes Tor, ein strittiger Penalty und schon wieder eine Rote Karte: Das 1:1 in der Conference League bei Lech Poznan verlangte Fischer am Donnerstagabend emotional direkt alles ab.
Und es wird nicht einfacher. Denn nach den Polen ist für Mainz und seinen neuen Trainer vor Bayern München. Das formschwache Schlusslicht der Bundesliga beim nach 13 Runden ungeschlagenen Leader: Für die Rückkehr auf die grosse Bühne gibt es nach mehr als zwei Jahren Pause dankbarere Aufgaben als das Gastspiel in München an diesem Sonntag.
Retter statt Projektmanager
«Ich habe mich natürlich schon ein bisschen mit Bayern beschäftigt, logisch», sagte Fischer, der in seinen ersten sieben Tagen neben den zwei Spielen auch fünf Pressekonferenzen zu absolvieren hat. «Heute geniessen wir auch mal diesen Punkt. Die Jungs dürfen sich auch mal freuen, dann gilt unser Blick dem Sonntag.»
Anders als bei Union Berlin ist der Schweizer diesmal kein Projektmanager für die lange Strecke, sondern eine Art Feuerwehrmann. Er soll Mainz von Platz 18 wieder nach oben führen und vor dem Absturz in die Zweitklassigkeit bewahren.
Elf Tage, vier Spiele
«Es ist wirklich Abstiegskampf. Also wenn du mit sechs Punkten zurückliegst, dann musst du zuerst aufholen», analysierte Fischer die ernste Situation. Die Mainzer haben sich bei der Nachfolge des impulsiven Ex-FCZ-Coaches Bo Henriksen bewusst für Fischer als eine Art erfahrenen Ruhepol entschieden.
Auch das Team muss zwingend ruhiger werden. Nach fünf Platzverweisen in der Bundesliga musste am Donnerstag Nikolas Veratschnig nach einem taktischen Foul mit Gelb-Rot vom Feld. Die Mainzer müssen Spiele aktuell zu oft in Unterzahl beenden.
Fischers erste Wochen in Mainz sind voll und stressig. Nach den Gastspielen in Poznan und München folgen Heimspiele gegen die Türken Samsunspor und St. Pauli. Nach vier Partien in elf Tagen geht es in die verdiente Weihnachtspause. Es ist ein Vorgeschmack für die Rückrunde, in der Mainz weiter in Bundesliga und Conference League spielen wird. Die Doppelbelastung könnte im Abstiegskampf zu einem entscheidenden Faktor werden.
Emotionale Union-Rückkehr am 10. Januar
Nach vor allem körperlichen Herausforderungen erwartet Fischer zum Jahresstart 2026 eine emotionale. Am 10. Januar geht es zurück in die Alte Försterei zu Union Berlin, das er in seiner Tätigkeit von Sommer 2018 bis November 2023 zwischenzeitlich von der 2. Bundesliga bis in die Champions League geführt hatte.
«Ich würde mal sagen, dass Urs nicht irgendein Trainer für diesen Verein ist, sondern ein ganz besonderer Trainer. Und das hat er sich dann auch in diesen fünfeinhalb Jahren mehr als erarbeitet», sagte Unions heutiger Chefcoach Steffen Baumgart.
Er nannte Fischer eine «Fussballpersönlichkeit» und «Trainerpersönlichkeit». Auch in Mainz sind sie von Fischers ruhiger und empathischer Art überzeugt, wie Sportvorstand Christian Heidel betonte: «Seine Erfolge und Fähigkeiten haben ihn zu einem begehrten Trainer gemacht.» Der enorme Erfahrungsschatz des 59-jährigen ehemaligen Verteidigers soll zum grossen Trumpf im Abstiegskampf werden. (riz/sda/dpa)
