Es ist ein sonniger Morgen im Juli. Im Oulton Hall Hotel ist geschäftiges Treiben im Gang. Die Schweizer Delegation bereitet ihre Abreise vor. Am Vorabend ist das Schweizer Nationalteam der Frauen an der Europameisterschaft in England ausgeschieden. In der Partie gegen die Niederlande fehlte wenig, und die Schweiz würde jetzt nicht zusammenpacken, sondern sich auf einen Viertelfinal gegen Frankreich freuen.
Doch so weit kam es nicht, und so sitzt Nils Nielsen im Garten des weitläufigen Golfresorts und muss bilanzieren über ein Turnier, an dem die Schweizerinnen ihr Ziel, den Vorstoss in die K.o.-Phase, verpasst haben. Ein Turnier, in dem ihm plötzlich Kritik entgegenschlug, weil er im Auftaktspiel nicht reagiert hatte, als seinen Spielerinnen die Partie entglitten war.
Der 50-Jährige wirkt gelöst in diesem Moment vor einer Handvoll Medienschaffenden, weil doch ein beachtlicher Druck von ihm abgefallen zu sein scheint. Der Däne war immer einer, der gerne Auskunft gab, sich zugänglich zeigte, und trotz gelegentlicher sprachlicher Barrieren zwischen Dänisch, Englisch und Deutsch seine Voten immer wieder auch mit einer Pointe versah und für Lacher sorgte. Im Hotelgarten gibt es aber einen Moment, in dem der Schalk und die Jovialität aus seinen Gesichtszügen weichen. Nielsen ist darauf angesprochen worden, ob er weitermachen und seinen im Dezember auslaufenden Vertrag verlängern wolle.
Die Antwort kommt nicht sofort. Nielsen lässt die Augen wandern und sagt dann: «Wenn es irgendjemanden gibt, der laut den Verantwortlichen besser geeignet ist, diese Aufgabe zu übernehmen, stehe ich nicht im Weg. Ich will, dass das passiert, was das Beste für die Schweiz ist.»
Keine Vertragsverlängerung zwischen dem SFV und Nils Nielsen.
— 🇨🇭 Nati (@nati_sfv_asf) August 24, 2022
Pas de prolongation de contrat entre l'ASF et Nils Nielsen.
Nessun prolungamento del contratto tra l’ASF e Nils Nielsen.
ℹ️👉https://t.co/Q9XojAmLt4 pic.twitter.com/codQbfYilF
Nun sind Nielsen und der SFV offensichtlich zur Übereinkunft gekommen, dass das Beste für die Weiterentwicklung des Schweizer Teams eine Trennung ist. Anfang 2019 hatte der Däne das Amt von Martina Voss-Tecklenburg übernommen, die das deutsche Nationalteam unlängst in den Final der EM geführt hat. Nielsen sorgte für ein neues Klima im Umfeld des SFV. Weg von strenger Disziplin und Ordnung zu mehr Selbstverantwortung. Viele Spielerinnen schätzten das. Die kürzlich zurückgetretene Sandy Maendly gab unter Nielsen ihr Comeback im Nationalteam, war eine wichtige Teamstütze und machte kein Geheimnis daraus, dass Nielsen und seine Sozialkompetenz den Ausschlag gegeben hatten für ihre Rückkehr.
Nach dem vergebenen Sieg zum EM-Auftakt gegen Portugal (2:2) begann das Bild zu bröckeln, dass Nielsen dem Team stets die richtigen Impulse vermitteln kann, und dass er zu diesem Zeitpunkt auch öffentlich zu zweifeln begann. Dass er zugab, nicht gemerkt zu haben, was das Team brauche, verstärkte diesen Eindruck nur. Nielsen ist ein Familienmensch, und seinen Nächsten will er nun mehr Zeit einräumen. Ständig weg von seiner Frau und den Kindern zu leben ist nicht das, was er sich langfristig wünscht. Insofern macht eine Rückkehr in die Heimat Sinn.
Vorerst stehen aber noch die letzten Aufgaben als Schweizer Nationalcoach im Programm. Die beiden abschliessenden Partien der WM-Qualifikation gegen Kroatien und Moldawien Anfang September sowie die wahrscheinlichen Playoffs als Gruppenzweiter dann im Oktober, wo die letzten Tickets für die WM 2023 in Neuseeland und Australien vergeben werden. Um die zweite WM-Teilnahme der Geschichte zu schaffen, müssen alle Abtretenden an einem Strang ziehen, auch wenn das Turnier dann ohne sie stattfinden würde.
Die scheidende Direktorin Tatjana Haenni sagte im selben Garten vor dem Hotel in Leeds, sollte Nielsen doch irgendwann nicht weitermachen, habe sie das Gefühl, dass der neue Coach dieselben sozialen Kompetenzen und dieselbe umgängliche Art haben sollte wie der Däne. Nun wird aber auch Haenni nur noch bis Ende Jahr im SFV wirken, ehe sie in die USA weiterzieht. Die Zukunft des Schweizer Frauennationalteams liegt in den Händen anderer, die sich erst noch finden lassen müssen. (nih/sda)