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Der Rumäne Gigi Becali ist der verrückteste Fussball-Boss Europas

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Pressekonferenz im Prunksaal: Gigi Becali.Bild: imago sportfotodienst

Der verrückteste Fussball-Boss Europas: «Er schmiss Geldscheine ins Publikum»

Polarisierende Präsidenten, Manager und Trainer gehören zum Fussball. Auch bei uns gibt es mehrere Beispiele dafür. Der wohl verrückteste Klub-Boss von allen lebt aber in Rumänien.
16.11.2020, 20:29
Benjamin Zurmühl / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Wenn Gigi Becali nicht gerade mit teuren Autos in Bukarest unterwegs ist, führt er ab und zu eine Herde Schafe durch die rumänische Hauptstadt. Er ist Multimilliardär, Klubbesitzer und, ja, du liest richtig, Schäfer. «Er stammt aus einer Familie von Schäfern, war selbst auch einer. Ihm gehören immer noch einige Schafe, sie leben in der Nähe seines Hauses», verrät Emanuel Rosu, ein rumänischer Journalist, im Gespräch mit t-online.

Becalis Haus ist ein Palast. Prunkvoll eingerichtet, hohe Decken, goldene Sessel und verzierte Türen. Hier lebt er nicht nur, hier hält er auch seine Pressekonferenzen ab.

Bildnummer: 11963214 Datum: 22.11.2012 Copyright: imago/Aleksandar Djorovic
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Becali, der Pate.Bild: imago images

Denn wenn ihm etwas an seinem Verein, dem FCSB, nicht gefällt, dann sagt er es. Der Erstliga-Klub und amtierende Pokalsieger Rumäniens hört, wenn Becali spricht. Ihm ist es egal, was andere darüber denken. Wie ein Pate übt er Druck auf die Trainer aus, entscheidet über Aufstellungen und Spielerverkäufe. Becali polarisiert. «Manche hassen ihn, manche lieben ihn – selbst in seinem eigenen Klub», erklärt Journalist Rosu und fügt an: «Es ist nicht leicht, mit ihm umzugehen. Heute ist er dein Freund, morgen attackiert er dich. Sein lautes Mundwerk ist seine wohl schlechteste Eigenschaft.»

Wirbel um die Rückennummer 10

Seit 2003 ist er im Verein aus Bukarest verwurzelt. Zu Beginn noch als Grosssponsor und Präsident, inzwischen als Eigentümer ohne offizielles Amt. Er war früher zwar mächtiger, sein Einfluss grösser, doch auch heute noch hören viele Fans auf ihn. «Die Leute hören ihn gerne reden. Die Medien lassen ihn auch sprechen, weil er für Schlagzeilen und gute Einschaltquoten sorgt», sagt Rosu.

Becali nimmt kein Blatt vor den Mund und teilt auch kräftig aus: «Er war vor allem früher sehr provokant. Er sprach schlecht über gegnerische Spieler, sagte, er könne sie kaufen, wenn er wollte. Auch über seine eigenen Spieler zog er gerne her.»

Bildnummer: 06527071 Datum: 18.09.2010 Copyright: imago/Newspix
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Wenig Haare, wenig Kredit: Rafal Grzelak.Bild: imago images

Ein Beispiel: 2009 kaufte er für den Verein, der damals noch Steaua Bukarest hiess, den Polen Rafal Grzelak. Grzelak erhielt die Rückennummer 10. Nach wenigen Einsätzen für Steaua nahm Becali ihm die Nummer wieder weg. «Becali sagte, er habe noch nie einen Spieler mit der Nummer 10 gesehen, der eine Glatze hatte. Also wollte er das bei seinem Klub nicht länger zulassen», erklärt Rosu. Es ist wenig überraschend, dass Grzelak nach einem Jahr den Verein wieder verliess.

Zwei Jahre im Gefängnis

Zu seinem Reichtum kam Becali nach dem Fall des Kommunismus 1989. «Viele Menschen verkauften ihm ihr Land. Mit der Zeit wurde dieses Land wertvoller und Becali immer wohlhabender», erinnert sich Rosu. Mit Immobilien verdiente der inzwischen 62-Jährige ein Vermögen. 2008 bezeichnete ihn das Wirtschaftsmagazin «Capital» als reichsten Rumänen.

Mit 2,5 Milliarden Euro verdrängte Becali die Tennislegende Ion Tiriac (2,4 Milliarden Euro) auf Rang zwei. Er machte kein Geheimnis aus seinem Reichtum, zeigte gerne, was er hat. Im Interview mit dem Fussball-Magazin «11 Freunde» berichtete der Ex-Fussballer Marcel Raducanu von einem weiteren kuriosen Erlebnis: «Vor einigen Jahren spielte Steaua im UEFA-Cup in Heeren­veen, die Mann­schaft gewann mit 3:1 und Becali war ziem­lich guter Dinge. Auch ich fühlte mich rundum wohl, hatte ein tolles Spiel gesehen und stand noch etwas auf der Tri­büne. Auf einmal schlen­derte Becali mit zwei Body­guards in Rich­tung der Steaua-Fan­kurve, dann öff­nete er seinen Mantel und schmiss Geld­scheine ins Publikum.»

Becali erzählt gerne davon, wie er es vom Schäfer zum Multimilliardär schaffte. Doch die Märchengeschichte hat einige Risse. Denn Becali sass bereits im Gefängnis wegen eines kruden Deals. «Er tauschte mit dem Militär Land. Ermittler wurden auf den Tausch aufmerksam, weil Becalis neues Land viel wertvoller war als das, was er dem Militär gegeben hatte.» Die Folge: Er musste 2013 ins Gefängnis, kam nach zwei Jahren wieder auf Bewährung frei. 

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Dubiose Deals brachten ihn schon ins Gefängnis.Bild: www.imago-images.de

Das angekratzte Image

Nach seiner Rückkehr in die Freiheit war Becali keine verbrannte Person in der Öffentlichkeit. Denn der Multimilliardär hat trotz allem bei vielen Menschen das Image eines Wohltäters. Denn Becali unterstützt viele Kirchen mit finanziellen Mitteln, baute Dörfer wieder auf, die von Überschwemmungen zerstört wurden. Und er errichtete ein Krankenhaus, in dem Krebspatienten kostenlos behandelt werden. Das ist in Rumänien eine Besonderheit – und für Becali die Möglichkeit, sein Image aufzubessern.

Denn nicht nur die kruden Tauschgeschäfte brachten ihm viel Kritik ein, auch homophobe und sexistische Äusserungen sorgten für Empörung. Homosexuelle wollte er einst in «speziellen Vierteln» einsperren lassen, Veranstaltungen wie das «GayFest» verbieten. Frauenfussball bezeichnete er 2018 als «Umsetzung von Satans Ideen» und «gegen die menschliche Natur». Den Einkauf von schwulen Fussballern verbot er bereits.

Bei einigen Rumänen und FSCB-Fans kommt das nicht gut an. Sie wünschen sich endlich Ruhe und einen «normalen» Klub-Boss. Doch gerade durch die Corona-Krise und die finanziellen Verluste für den Verein ist die Abhängigkeit von Becali wieder gestiegen. Ein Ende der Zeit des umstrittenen Schäfers im Klub ist nicht in Sicht.

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2 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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trichie
16.11.2020 22:44registriert Mai 2017
Was wohl CC dazu sagt wenn hier irgend ein Rumäne als verrücktester Clubboss Europas bezeichnet wird...
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