Der 1867 gegründete britische Fussballverein Sheffield Wednesday gehörte Anfang der 1990er-Jahre noch zu den besten Klubs des Landes. Heute ist er von einem Rückzug aus dem Profifussball bedroht – 25 Jahre nach dem letzten Auftritt in der erstklassigen Premier League. Von den Problemen des Klubs berichten mehrere britische Medien.
Eine Partie des aktuell in der zweiten englischen Liga beheimateten Klubs bei Leicester City ist für den 10. August angesetzt, doch die Anzeichen verdichten sich, dass dieser Termin für Sheffield Wednesday kaum zu halten ist. Der Grund: Mehrfach blieben Gehälter von Spielern und Angestellten aus oder wurden mit erheblicher Verzögerung gezahlt, die Schulden des Klubs steigen. Als Konsequenz verhängte die English Football League (EFL) eine Transfersperre bis 2027.
Zudem liefen viele der Spieler-Verträge am 30. Juni aus – mehrere Profis haben ihre Verträge offenbar bereits aufgelöst. Der Blick auf den aktuellen Kader ist ernüchternd: Inzwischen sind beim Zweitligisten nur noch 15 Profis einsatzfähig, und auch diese mussten erfahren, dass ihre Juli-Gehälter erneut nicht pünktlich überwiesen werden – zum vierten Mal in den vergangenen fünf Monaten.
Schon ein Testspiel gegen Burnley musste aus diesem Grund kurzfristig abgesagt werden – offenbar weil die Spieler protestiert hatten. Sollte die Partie in Leicester nicht stattfinden, könnte die EFL den Termin verschieben – im Extremfall droht jedoch auch eine Wertung am Grünen Tisch.
Im Zentrum der Kritik steht Vereinsbesitzer Dejphon Chansiri. Er übernahm Sheffield Wednesday im Januar 2015 im Rahmen eines Deals, der damals Berichten zufolge rund 30 Millionen Pfund wert war (nach heutigem Kurs gut 32,2 Millionen Franken). Der 57-jährige Geschäftsmann aus Thailand, dessen Familie im Thunfischgeschäft ist und zu den grössten Produzenten der Welt gehört, hat den Klub nach Meinung von Experten tief in eine Krise geführt. Eine Krise, die in ihrer Dimension im englischen Profifussball präzedenzlos ist.
Die Fans fordern mit Nachdruck einen Neuanfang – ohne Chansiri. Doch der Eigentümer will angeblich nur bei einem Angebot von 100 Millionen Pfund verkaufen. Zwei Offerten lehnte er zuletzt bereits ab. Eine davon soll von Adam Shaw in Zusammenarbeit mit dem US-Immobilieninvestor John Flanagan stammen und bei 40 Millionen Pfund gelegen haben, wie unter anderem das Fachmagazin «The Athletic» berichtete.
Chansiri hat seit seiner Übernahme rund 150 Millionen Pfund in den Klub investiert – darunter auch den Kauf des Hillsborough-Stadions, das stark vernachlässigt ist. Sportlich blieb der grosse Erfolg aus: Zwischen 2021 und 2023 spielte Sheffield in der dritten Liga, bevor der Wiederaufstieg gelang.
Der Stadtrat von Sheffield sperrte vergangene Woche die Nordtribüne des Hillsborough-Stadions wegen baulicher Mängel. Der 1960 erbaute Stadionteil soll strukturelle Defizite sowie gravierende Probleme mit der Elektrik haben und ist «für Zuschauer nicht mehr sicher», wie es hiess. Die Tribüne darf erst nach umfangreichen Renovierungen wieder genutzt werden. Das Hillsborough-Stadion ist auch der Ort der grössten Stadiontragödie Europas, die sich vor 36 Jahren ereignete und 97 Menschen das Leben kostete.
Auch auf der Trainerbank von Sheffield Wednesday herrschte zuletzt Unruhe. Der deutsche Cheftrainer Danny Röhl, der den Klub erst im vergangenen Oktober übernommen und in seiner ersten Saison zum Klassenerhalt geführt hatte, verliess den Verein Ende Juli, kurz vor Start der Saison. In einem Post in sozialen Medien bedankte der Deutsche sich für «21 unvergessliche Monate» bei dem Klub. Doch diese Reise sei nun an ihr Ende gekommen, so Röhl.
Erst am Donnerstag stellte Sheffield mit Henrik Pedersen, zuvor Röhls Assistent, einen neuen Cheftrainer vor. Freundschaftsspiele oder eine Saisonvorbereitungstour wurden nicht angesetzt – was angesichts der personellen Notlage kaum verwundert.
«Absolutes Chaos. Es ist kein Ende in Sicht», sagte Ian Bennett, Vorsitzender der Fanorganisation Sheffield Wednesday Supporters‘ Trust gegenüber «Sky». «Die Probleme nehmen kein Ende. Man denkt, der nächste Tag kann nicht schlimmer werden, und dann ist er es doch. Wir wissen nicht einmal, ob wir das erste Spiel überhaupt bestreiten. Die Fans werden jedenfalls alles tun, um die Spieler zu unterstützen.»
Auch die Spielergewerkschaft PFA verurteilte die Zustände bei dem Klub scharf. Vorsitzender Maheta Molango sprach vergangene Woche von «schockierenden» und «nicht hinnehmbaren» Zuständen, nachdem Spieler und Mitarbeiter nicht rechtzeitig entlohnt worden waren. (nih/t-online)