Die Szenerie mutete überaus kurios an. 6:0 führten die Bayern in Hoffenheim, als beide Mannschaften das Fussballspielen einstellten und die restlichen Minuten tatenlos herunterlaufen liessen. Grund für den Nichtangriffspakt waren Schmähbanner im Fanblock der Münchner gegen Hoffenheims Geldgeber Dietmar Hopp.
Minutenlang redeten die Bayern-Spieler und –Verantwortlichen auf die Anhänger ein. Doch es nützte nichts. Als das Spiel wieder aufgenommen wurden, tauchten schon die nächsten Plakate gegen Hopp in der Kurve der Bayern auf. Das Spiel stand vor dem Abbruch, am Ende einigten sich die Parteien auf den zehnminütigen Nichtangriffspakt.
Ein drohender Spielabbruch wegen Beleidigungen gegen einen ungeliebten Milliardär – ist das nicht ein bisschen übertrieben? Bei Rassismus-Vorfällen wurde schliesslich zuletzt in der Bundesliga nach kurzen Unterbrechungen zu Ende gespielt.
Nun, die Geschichte rund um Hopp ist etwas komplizierter, als sie auf den ersten Blick scheint. Die Transparente der Fans gegen den 79-jährigen Hoffenheim-Mäzen richten sich nicht primär gegen die Person Dietmar Hopp, sondern vielmehr gegen den DFB, die DFL und das Symbol Hopp als Gesicht der stetigen Kommerzialisierung im Fussball.
Alles begann im Jahr 2008, als Hoffenheim der Aufstieg in die Bundesliga gelang. Dank des grossen finanziellen Engagements des SAP-Gründers Hopp, der 1990 erstmals in den Klub investierte, entwickelte sich der einstige Dorfklub innert weniger Jahre zu einem finanzstarken Topklub, der es gar bis in die Champions League schaffte.
Zwar gab es mit Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg schon vor Hoffenheims Durchmarsch an die Spitze sogenannte Werkklubs in der Bundesliga, doch steht anders als in Hoffenheim kein einzelnes Gesicht, sondern jeweils ein ganzes Unternehmen hinter dem Klub.
Hopp wurde deshalb von den Ultras in den Bundesliga-Fankurven schnell als Feinbild Nummer 1 ausgemacht. Der Hoffenheim-Mäzen gilt als Zerstörer des romantischen Fussballs, als Geldgeber eines Klubs ohne Tradition, als Symbol der zunehmenden Kommerzialisierung. Immer wieder wurde er mit Plakaten und Sprechchören verunglimpft und beleidigt, immer wieder reichte Hopp Anzeige gegen die Fans ein.
Im September 2018 eskalierte die Situation. Beim Gastspiel in Hoffenheim beleidigten die BVB-Fans Hopp erneut mit mehreren grossflächigen Bannern. Als dieser sich erneut zur Wehr setzte, verurteilte das DFB-Sportgericht Borussia Dortmund zu einer Geldstrafe und zu einem zweijährigen, kollektiven Zuschauerausschluss in Hoffenheim. Es wurden also viele für die Verfehlungen einzelner bestraft, obwohl der DFB zuvor angekündigt hatte, auf Kollektivstrafen zu verzichten.
Dortmund wehrte sich gegen das Urteil, doch vor gut einer Woche wurde bekannt, dass die Kollektivstrafe bestehen bleibt. Als Reaktion darauf solidarisierten sich die Ultra-Gruppen der Bundesliga-Klubs. Schon am vergangenen Wochenende hatten Gladbach-Fans Hopp im Fadenkreuz gezeigt. Am vergangenen Wochenende gab es nicht nur in Hoffenheim, sondern auch in Köln, Dortmund und bei Union Berlin Schmähgesänge und beleidigende Plakate gegen Hopp.
Wie geht es nun weiter? In Hoffenheim hat die Deutsche Fussball Liga (DFL) einen Präzedenzfall geschaffen, der sie arg in die Bedrouille bringen kann. Konsequenterweise müsste sie Spiele nun nach jeder Beleidigung unter- oder gar abbrechen. Denn die Ultras werden Hopp weiter diffamieren. Denn nur so werden sie in Zukunft Gehör für ihre Anliegen gegen Kollektivstrafen und einen durchkommerzialisierten Fussball finden.
Geht es gegen einen wichtigen Geldgeber wird hart duchgegriffen.
Ob die Strafe nun angemessen ist, kann ich nicht beurteilen, dass hier aber mit verschiedenen Ellen gemessen wird kann nicht ignoriert werden.