Zu schwach für die Super League!
Als der FC Vaduz im Dezember letzten Jahres bei 1:11 Toren fünf Mal hintereinander verliert, sind die Meinungen gemacht: Der Aufsteiger wird absteigen und der dritte Aufenthalt in der Super League so kurz sein wie 2008/09: Eine Saison. Damals waren die Vaduzer unter dem teuren Trainer Pierre Littbarski und mit dem weitaus höheren Budget als heute mit 13 Punkten Rückstand auf den Barrageplatz sang- und klanglos abgestiegen.
Auch dieses Mal sind die vernichtenden Kritiken nicht ausgeblieben. Aber sie haben die Vaduzer angestachelt. «Als Trainer konnte ich damit die Mannschaft motivieren, es allen zu zeigen», sagt Mario Frick. «Es ist unser Trumpf, immer der Underdog zu sein.»
Der 46-Jährige hat es inzwischen geschafft, seinem Team einen pragmatischeren Spielstil einzuimpfen. Obwohl er am Sonntag bei der 0:3-Heimniederlage gegen Lugano keinen guten Tag erwischt hat, liegt der FC Vaduz in der Rangliste als Schlusslicht nur noch zwei Punkte hinter dem FC Sion auf dem Barrageplatz. Der vierte Rang in der Jahrestabelle 2021 bestätigt die gute Entwicklung der Liechtensteiner; und wenn es keine Pandemie gäbe, würden wohl 4000 Zuschauer zu den Heimspielen in den Rheinpark strömen.
Gemäss Medienberichten muss der FC Vaduz 1,375 Millionen Franken zahlen, damit er als ausländischer Verein in der Super League mitspielen darf. Die Geschröpften finden dies etwas gar viel und argumentieren zu Recht, ihr Klub biete vielen jungen Schweizern eine ideale Plattform, um sich in der Liga zu etablieren. Welcher Schweizer Klub kann von sich sagen, mit neun Schweizern in der Startaufstellung anzutreten? Beim FC Vaduz war dies am 28. Februar beim 2:0-Sieg in Sion der Fall.
Wir haben beim Aufsteiger den Puls gefühlt und im Fürstentum mit dem Trainer, dem Sportchef, einem Spieler, einem Reporter und dem Bürgermeister gesprochen.
«Wie das 0:4 in Luzern ist auch dieses 0:3 gegen Lugano ein Rückschlag», sagt Mario Frick. «Doch ich bin überzeugt, dass die Mannschaft auswärts gegen Servette und Basel darauf reagieren wird.» Der Trainer weiss halt, dass sie immer dann am besten ist, wenn sie nichts zu verlieren hat.
Als sein Team am 20. Dezember in Sion durch ein Tor in der letzten Minute 1:2 verlor, es war die fünfte Niederlage in Folge, forderte Frick seine Spieler bei der Rückkehr ins Hotel auf, zwei oder drei Bierchen zu trinken – danach beginne der Neustart. Die Mannschaft blieb in Lausanne, weil sie drei Tage später in Genf antreten musste und tatsächlich: Sie spielte gegen Servette ausgezeichnet.
In der Jahrestabelle 2021 haben nur YB, Luzern und Servette mehr Punkte geholt als Vaduz. «In der Schweiz bekommen wir die viel besseren Kritiken als in Liechtenstein», sagt Frick, und weiter:
Der 46-Jährige hat mit seinem Team seit 2018 schon einiges erreicht: In der Europa League gegen Frankfurt gespielt, den Aufstieg geschafft und sich in der Super League zurechtgefunden. «Ich lebe meinen Traum, bin mega dankbar, dass ich als Einheimischer diese Chance erhalten habe», sagt der 125-fache Nationalspieler Liechtensteins, «ich bin ganz sicher der glücklichste Trainer der Super League.»
Im Moment noch verletzt, will Sandro Wieser schon sehr bald wieder auf dem Platz stehen. Spiele mit dieser verschworenen Mannschaft zu verpassen, ist für ihn keine Option. «Uns wirft nicht so schnell etwas aus der Bahn», sagt Wieser, «jeder ist für den andern da, und jeder gönnt es dem Kollegen, wenn dieser spielt.»
Als 13-jähriger Nachwuchsspieler des FC Vaduz war er einst aufgebrochen, um Europas Fussballwelt zu entdecken. Basel, Hoffenheim, Ried (Aut), Aarau, Thun, Reading (Eng) und Roeselare (Bel) waren die Stationen, ehe er 2018 in die Heimat zurückkehrte. Wieser ist ein echter Vaduzer und stolz, Liechtenstein in der Super League zu vertreten.
Das Nati-Trikot hat er aber nach 53 Länderspielen an den Nagel gehängt. Denn Wieser ist dabei, sich ein zweites Standbein aufzubauen, macht derzeit ein Treuhandpraktikum und lässt sich zum Sacharbeiter ausbilden. «Ich wünsche mir einen sauberen Übergang ins Berufsleben und will nicht bei null anfangen», sagt Wieser. Das alles macht er neben dem Fussball. Wieser:
Nach sieben Knieoperationen will er noch solange wie möglich spielen. «Nach dem Aufstieg sind wir für jeden Fehler bestraft worden, jetzt sind wir in der Super League angekommen. Die Chance ist intakt, dass wir drinbleiben», sagt Wieser.
Der FC Vaduz ist fest in den Händen der Gebrüder Burgmeier. Der 40-jährige Patrick ist geschäftsführender Präsident, der zwei Jahre jüngere Franz seit zwei Jahren Sportchef. «Wir verstehen uns gut, aber manchmal gibt es schon auch Meinungsverschiedenheiten», sagt Franz.
Seitdem die Klubphilosophie angepasst wurde und möglichst viele Spieler aus der Region das Kader bilden sollen, erkennt Burgmeier viel Goodwill bei den Fans und in der Bevölkerung. Vom nicht gerade fussballaffinen Fürsten Hans-Adam II. hat der FC Vaduz nach dem Aufstieg zwar ein Glückwunschkärtchen erhalten, mehr an Unterstützung gibt es indes nicht.
Der Kampf um den Klassenerhalt ist einer zwischen dem David und den Goliaths. «Wir haben ein Budget von 6 Millionen Franken, die nächstgrösseren, jene von Lugano und Lausanne, umfassen aber bereits 14 Millionen», sagt Burgmeier, da sei es halt schon schwierig mitzuhalten. Zumal wegen Corona die Zuschauereinnahmen fehlen und sein Klub, anders als die Schweizer Konkurrenten, nicht beim Bund À-fonds-perdu-Gelder beantragen könne. «Mein Bruder ist deswegen aber im Austausch mit unserer Regierung», hofft Burgmeier auf liechtensteinische Unterstützung.
Aber er ist stolz, wie gut der Klub sich schlägt und über welche Topstruktur er verfügt. Er streicht heraus:
Der 38-Jährige sagt zu Recht, dass Vaduz damit mehr für den Schweizer Fussball tue als etwa Lausanne und Servette mit sechs Franzosen. Und regt die Liga an, den Vertrag zu überdenken, der den Liechtensteinern diese so e hohe Antrittsgebühr abverlangt.
«Ich bin stolz auf den FC Vaduz», sagt Manfred Bischof. «Er ist ein guter Botschafter und Repräsentant der Gemeinde Vaduz.» Diese zählt 5600 Einwohner, in ganz Liechtenstein leben 38 400 Menschen. Der Klub gebe ein schönes Bild ab und ermögliche es den Menschen in der Region bis hin ins Rheintal, Super-League-Fussball zu sehen, sagt Bischof und führt aus:
Der 47-Jährige schaut sich normalerweise jedes Spiel im Rheinpark-Stadion an. Während der Corona-Pandemie und dem Ausschluss der Zuschauer muss sich aber auch der Bürgermeister damit begnügen, die Spiele im Liveticker zu verfolgen. Lieber sässe er aber auf der Tribüne. «Es ist toll, was der FC Vaduz trotz des bescheidenen Budgets zu Stande bringt und wie die Spieler füreinander kämpfen», sagt Bischof.
Als Ernst Hasler im März 2019 in Pension ging, erschien in der Zeitung «Vaterland» eine achtseitige Beilage: «Danke Ernst, für 34 Jahre pure Leidenschaft.» Unzählige Menschen, von Marco Büchel bis zu Hanni Weirather-Wenzel, gratulierten Hasler dafür, wie kompetent er über den Liechtensteiner Sport berichtet hatte. Der FC Vaduz dankte ihm zwei Wochen später auf einer ganzen Zeitungsseite mit Texten und Bildern für seine Arbeit, zudem ist er bei einem Heimspiel in der Halbzeitpause verabschiedet worden.
Als der Verein 2018 einen Trainer suchte, startete das «Vaterland» eine Umfrage. 62 Prozent votierten für Hasler, 12 Prozent für Mario Frick, 8 Prozent für Murat Yakin und 7 Prozent für Uli Forte. Hasler – eine Koryphäe.
Aber auch als Pensionär verfolgt er den FCV weiter hautnah. Hasler ist überzeugt, dass der Ligaerhalt zu schaffen ist. Er denkt sogar, dass sich Vaduz für längere Zeit oben halten kann, wenn für die Offensive noch ein guter Stürmer geholt wird. Trainer Mario Frick attestiert er einen guten Riecher: «Er fällt oft Entscheide, die überraschen, sich aber als gut herausstellen.» Er müsse aber noch mehr mit jenen Spielern reden, die nicht so zum Zug kämen. «Und für meinen Geschmack werden zu viele lange Bälle gespielt», sagt Hasler.
«Doch wir haben viele Charaktertypen, vor denen ich nur den Hut ziehen kann.» Er würde sich wünschen, dass noch der eine oder andere Liechtensteiner – etwa Nicolas Hasler und Dennis Salanovic von Thun – beim FC Vaduz auflaufen würden. «Und auch beim 1.Ligisten Eschen-Mauren gäbe es Kandidaten. «Aber zusammen mit dem Job und den Spesen können sie halt mehr verdienen als beim FC Vaduz.»
Ich habe die 1000x lieber in der Super League als den Chinesen-Verein aus Niederhasli. Würde den Liechtensteinern den Klassenerhalt sehr gönnen.