Bevor der neue Trainer vor die Kameras trat, war der alte Coach nochmals in aller Munde: Niko Kovac hatte sich zwei Tage nach seiner Trennung vom FC Bayern München persönlich von seinem Team verabschiedet. Anschliessend rauschte er mit seinem Auto davon und Interimscoach Hansi Flick trat auf den Rasen, um sein erstes Training mit den Bayern-Stars zu leiten. Der bisherige Co-Trainer Flick soll die Mannschaft zunächst in den Heimspielen gegen Olympiakos Piräus am Mittwoch und gegen Borussia Dortmund am Samstag als Aushilfschef betreuen.
Vor dem Champions-League-Spiel gegen Piräus am Mittwochabend bat der 54-Jährige am Dienstagvormittag sichtlich gut gelaunt auf dem Vereinsgelände an der Säbener Strasse zum Abschlusstraining, gemeinsam mit seinem Assistenten Hermann Gerland. Nach dem Aufwärmen war für die Medien jedoch Schluss und die Trainingseinheit wurde hinter verschlossenen Türen weitergeführt. Anschliessend meldete sich Flick mit Abwehrspieler Joshua Kimmich auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen den griechischen Vizemeister.
Den Anfang machte Joshua Kimmich. Ob es möglich sei, nach dem schwachen Spiel beim 1:5 gegen Eintracht Frankfurt sofort wieder eine gute Leistung zu bringen, wurde Kimmich gefragt: «Wir werden es morgen sehen, ist schwierig zu beantworten», sagte der 24-Jährige, der die kurze Vorbereitungszeit hervorhob. «Für den Hansi ist es nicht so einfach. Wir haben wenig Zeit», sagte Kimmich, der sich und seine Mitspieler in die Pflicht nahm: «Die Hauptverantwortung tragen wir Spieler. Es gibt für keinen mehr ein Alibi oder eine Ausrede.»
Auf der Trainerposition wünsche sich Kimmich in Zukunft mehr Kontinuität. «Man wünscht sich, dass ein Trainer über einen längeren Zeitraum bleibt», erklärte der Defensivspezialist und sagte weiter: «Heutzutage ist es aber so, dass bei schlechten Spielen der Trainer als erstes gehen muss, weil du nicht alle Spieler rauswerfen kannst.»
Die erste Ansprache von Flick sei sachlich gewesen, verriet Kimmich: «Es war nicht das erste Mal, dass er vor der Mannschaft stand. Er hat das locker flockig gemacht.» Wesentlich trauriger sei die Verabschiedung von Kovac gewesen. «Es ist eine komische und traurige Stimmung gewesen», sagte Kimmich. «Es kann keiner glücklich sein, weil eine Verabschiedung bedeutet, dass jeder von uns schlecht gearbeitet hat.»
Ob es weiter mit Flick als Chefcoach gehe, wisse er nicht: «Unser Ziel ist, mit Hansi die beiden Spiele zu gewinnen», sagte Kimmich. «Erstmal morgen, um Selbstvertrauen zu bekommen und dann geht es am Samstag sofort weiter.» Über eine Zukunft von Flick wolle er nicht spekulieren: «Diese Entscheidung treffen nicht wir Spieler.»
Hansi Flick berichtete erstmal, wie er von seinem neuen Job erfuhr: So sass er beim Abendessen mit seiner Frau am Sonntagabend, als Hasan Salihamidzic ihn anrief. «Für mich war klar, dass ich das mache», sagte Flick. «Es war aber nicht so einfach am Montag, vor allem weil ich Niko und Robert (Kovac, Anm.d.Red.) sehr schätze», sagte Flick.
Der Interims-Coach forderte wie Kimmich das Team: «Die Mannschaft hat verstanden, dass sie nun in der Verantwortung ist.» Flick schwärmte zwar von der Qualität der Bayern-Spieler, machte aber gleichzeitig eine Ansage an seine Spieler und gab ihnen eine mit:
Deswegen suche er Einzelgespräche mit seinen Stars: «Ich möchte mit jedem sprechen und Klarheit erlangen. Ich möchte jeden darauf hinweisen, was in ihm steckt und was für eine Verantwortung er besitzt.»
Angesprochen auf seine Zukunft wurde Flick deutlich. «Ich sage eins: Ich bin keiner, der in der Vergangenheit oder in der Zukunft lebt, die Gegenwart ist entscheidend. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was jetzt kommt», sagte Flick, der danach betonte: «Alles, was kommt, interessiert mich null.»
Flick sprach auch über seine Startelf für das anstehende Spiel gegen Piräus: Javi Martinez, Thomas Müller und Joshua Kimmich sollen in der Startelf stehen und er wolle zudem ein wenig umstellen. Mehr wollte Flick aber nicht verraten. Über den unter Kovac degradierten Müller sagte Flick: «Ich glaube, er ist eine wichtige Identifikationsfigur für den FC Bayern. Er ist auf dem Platz sehr intelligent und einer, der die Mannschaft rumreissen kann.»
Flick liess in Sachen Zukunftsplanung aber noch eine Hintertür offen. Auf die Frage, ob er sich eher als Co-Trainer oder Cheftrainer sehe, sagte er nur: «Ich kann mir vieles vorstellen.» Für ihn sei es wichtig, auf dem Platz zu stehen und direkt mit den Spielern zu arbeiten: «Das jetzt auf dem Platz tut mir gut und gefällt mir. Der Kontakt mit den Spielern ist das, was mir in den letzten Jahren gefehlt hat.»
Am Ende gab es noch einen Lacher, obwohl Flick gerade über die Kovac-Verabschiedung und somit über ein ernstes Thema sprach. Mitten in der Pressekonferenz ging sein Handy los und Siri erklärte: «Ich bin nicht sicher, ob ich das verstanden habe.» Flick fragte lachend mit Blick auf seine Apple-Watch daraufhin: «Hat jemand ‹Hey Siri› gesagt? Auch nicht schlecht.»
Die gute Laune könnte sich am Mittwoch noch weiter verbessern: Der FC Bayern kann sich mit einem Sieg gegen den Tabellenletzten der Gruppe B das Weiterkommen in der Champions League sichern. (bn/watson.de)
Wenn ein Spieler dafür sorgt, dass er in der Stammelf ist und dass er bei den nächsten Vertragsverhandlungen zu den gleichen oder besseren Konditionen wieder einen Vertrag erhält, hat er seine Verantwortung bereits wahrgenommen. Alles andere (wie z.B. Siege) braucht ihn nicht zu interessieren.
Selbstredend, dass es ihn trotzdem interessiert.