Rasenmeister Zappella lässt sich nur noch als «Don Sandro» ansprechen, seit seine Italiener am späten Sonntagabend das Penaltyschiessen gegen England gewannen und Europameister wurden.
Natürlich hatte der Klugscheisser überaus kompetente Sportchef das genau so vorausgesehen, als er schrieb: «Die ganz grossen Stars haben sie nicht im Kader, aber Italien überzeugt als Einheit und wird so den Titel holen. Roberto Mancini leistet hervorragende Arbeit, die ‹Squadra Azzurra› ist seit dem Jahr 2018 ungeschlagen. Das bleibt auch 2021 so.»
Die Azzurri hatte sonst keiner auf der Rechnung. Aya Baalbaki, Peter Blunschi und Nik Helbling lagen mit England nicht weit daneben. Jedenfalls näher als der notorische Risiko-Tipper Reto Fehr, dessen Europameister-Tipp Russland gerüchteweise zustande kam, indem er einen kleinen Buben mit verbundenen Augen auf ein Scheunentor kicken liess (die Methode ist auch als Züri-Oberland-Tell bekannt). Dass der Ball sechs Meter daneben in den Tomatensträuchern landete, war wohl doch kein gutes Omen.
Unser B-Team war viel zu pessimistisch: Baalbaki, Blunschi und Adrian Bürgler glaubten an ein sang- und klangloses Ausscheiden in der Gruppenphase. Corsin Manser sah die Schweiz zwar im Achtelfinal, «aber wenn dann Portugal, England, oder sonst ein Hochkaräter wartet, ist leider wieder Schicht im Schacht.» Zum Glück gab es mit Weltmeister Frankreich keinen solch starken Gegner, so dass es die Nati in den Viertelfinal schaffte.
Wer es voraussagte? Natürlich der Besserwisser hellseherisch wahnsinnig begabte Sportchef Sandro Zappella: «Dieses Jahr reicht es endlich mal, um ein K.o.-Spiel zu gewinnen. Aber nur eines.»
Mit Viktoria Weber und Salome Woerlen glaubten auch zwei weitere Expertinnen an den Viertelfinal, während Nico Franzoni und Reto Fehr mit ihrer Prognose «Halbfinal» haarscharf – und zu unser aller Leidwesen – am Ziel vorbei schrammten.
An den Titel glaubte Manser zwar nicht, aber dass Italien weit kommt, das wusste unser Tulpenkönig haargenau: «An dieser EM wird die ‹Squadra Azzurra› gross auftrumpfen.»
Auch Mister Oberschlau Prognosen-Gott Don Sandro sah mit Österreich ein Team positiv überraschen, dem dies tatsächlich gelang. Und Woerlen (erster Impuls: «Spontan aus dem Bauch heraus hätte ich jetzt gesagt Griechenland, aber die spielen ja gar nicht mit») landete mit dem Ersatztipp Dänemark ebenfalls einen Volltreffer.
Ziemlich im Schilf stand hingegen Ralf Meile da, der das Geschriebene bei einem Tippspiel tatsächlich so in die Resultatspalten eintrug: «Als seriöser Tipper habe ich die EM durchgerechnet und die Türken kamen dabei in die Viertelfinals gegen die Niederlande. Doch da muss nicht Schluss sein.» Nein, es war schon nach der Gruppenphase mit drei Niederlagen und einem Torverhältnis von 1:8 Schluss.
Zu sagen, dass Fehr für seine Risiko-Tipps mal belohnt wurde, wäre wohl auch übertrieben. Sein Geheimtipp Schottland brachte nebst zwei Niederlagen immerhin ein 0:0 gegen England zustande.
«Lieber Herr Mancini, so wird das nichts», belehrte Franzoni den italienischen Nationaltrainer. «Alles nur Show und keinen Fokus fürs Wesentliche», unterstellte er dem frischgebackenen Europameister. Nun ja …
Auch Weber lacht nicht mehr, hatte sie vor dem Turnier doch noch geschrieben: «Hier tippe ich wieder mal mit dem Herzen und sage (sorry, Zappi!) Italien. Hihihi.»
Dass Deutschland schwach abschneiden würde, sahen Baalbaki, Blunschi und Manser goldrichtig voraus. «Die Hoffnung auf ein Happy End der Ära Löw ist vergebens, denn dem Team fehlt es an Substanz», konstatierte Grandmaster Blunschi.
Praktikant Helbling ist zwar noch so jung, dass er kaum auf der Welt war, als Frankreich 2018 Weltmeister wurde. Dennoch wusste er, dass «Les Bleus» keinen Spaziergang hinlegen würden: «Im Vergleich zur WM sind sie etwas schwächer und es ist unglaublich schwierig, zwei Turniere nacheinander zu gewinnen.»
Don Sandro lag zwar einerseits richtig, als er über England als negative Überraschung schrieb: «England kommt als Gruppensieger weiter, auf der Insel grölen sie dann schon wieder ‹It's coming home!›» Aber dann lag auch der Vorhersagen-Überflieger der Stunde mal leicht daneben, sagte er doch das Achtelfinal-Out der «Three Lions» voraus.
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass dieser Tipp häufig mit der Voraussage des Europameisters zusammenhängt. So hatte sich etwa Meile für Kylian Mbappé entschieden, weil Frankreich sein Europameister-Tipp war. Die Ansage «Mit 7 Treffern in 7 Spielen» hätte er sich im Nachhinein lieber gespart, es wurden 0 Treffer in 4 Spielen.
Helbling hatte im Internet gelesen, dass jede wichtige Auszeichnung der letzten 318 Jahre stets an Messi oder Ronaldo ging. Und weil der eine Argentinier ist (und sein Land zum Sieg in der Copa America führte), nahm er den anderen und siehe da: Cristiano Ronaldo wurde mit fünf Toren EM-Torschützenkönig.
Eine trefferlose Gruppenphase legte Harry Kane hin, trotz Mansers Ansage: «Nur schon in der Vorrunde wird der Tottenham-Star ein Tor nach dem anderen erzielen.» Mit vier Toren in Achtel-, Viertel- und Halbfinal kam die Maschine nach anfänglichem Stottern doch noch auf Touren.
Und wen sah Fehr mit der Torschützenkrone auf dem Haupt? Natürlich den Russen Artjom Dsjuba, wen auch sonst: «Ich hatte Dsjuba ja schon an der EM 2016 als Torschützenkönig getippt. Da war ich der Zeit wohl mal wieder voraus. Habe mich damals um vier fünf Jahre getäuscht. Sorry.»
Von der UEFA wurde Italiens Europameister-Goalie Gianluigi Donnarumma als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet. Das hatte von uns niemand vorausgesehen, das waren unsere Tipps vor der EM:
Wir verneigen uns widerwillig in Hochachtung vor Sportchef Sandro Zappella. Der Rasenmeister hatte entweder den richtigen Riecher oder er versteht tatsächlich so viel von Fussball, wie er ständig behauptet. An dieser EM hat er eindeutig die besten Prognosen gemacht. Da das nächste Turnier, die WM 2022 in Katar, im Winter stattfindet, wird er seinen Triumph jedoch kaum wiederholen können. Denn es gibt dort mit Sicherheit keinen Torschützenkönig, der auf den Namen Sofia Goggia hört.