David Degen, das war ein heikles Spiel bis zum Schluss. Wie sehr haben Sie gelitten?
David Degen: Am Ende vom Tag sind wir weiter, überwintern europäisch, und das ist das Wichtigste.
Wie wütend waren Sie, als Dan Ndoye die Gelb-Rote Karte sah?
Einen kurzen Moment war ich wütend, aber ich habe nicht mal gross geflucht. Bei mir geht ein anderer Film durch den Kopf: Ich weiss, wie schwierig es ist, egal gegen welchen Gegner, wenn du ab der 53. Minute zu zehnt spielst. Das war brutal. Die hatten die Fans im Rücken, dann wird es schwierig. Ich bin eher deshalb unruhig geworden, weil ich weiss, was so ein Spiel bedeutet.
Am Ende lagen die Nerven komplett blank. Pyunik-Trainer Yeghishe Melikyan hat dem eigenen Spieler eine Taktiktafel angeworfen, Darian Males wurde mit Handys und Bechern beworfen, auch Alex Frei sah noch die Gelbe Karte.
Der Pyunik-Trainer wollte auf den eigenen Spieler los, ja! Und so wie ich es beobachtet habe, hat Alex seinerseits nicht viel gesagt. So hat er es mir auch erzählt. Da erwarte ich einfach auch ein bisschen Fingerspitzengefühl vom vierten Offiziellen. Aber auch vom Schiedsrichter beim Platzverweis. Es ist nämlich eher ein Penalty als eine Schwalbe. Aber nichtsdestotrotz hat unsere Mannschaft das am Ende noch souverän gemeistert. Als Kasim Adams rein kam, gab das Sicherheit, Pyunik hatte kaum mehr Chancen. Das stimmt mich auch für die Zukunft unserer Mannschaft positiv. Sie hat gemerkt, dass sie auch solch schwierige Spiele bestehen kann.
Wie wichtig ist dieses Weiterkommen für den FC Basel?
Finanziell, und das sage ich immer wieder, sind wir noch lange nicht dort, wo wir mit dem Klub – was die Kosten betrifft – hin wollen. Daher ist dieses Weiterkommen sicher wichtig. Dennoch ist das Wichtigste, dass die Mannschaft und der Trainer sich heute belohnt haben, dass wir sicher überwintern. Wir sind jetzt halt Zweiter, haben eine Runde mehr, gegen den Dritten der Europa League, aber ich glaube an diese Mannschaft und den Trainer. Und auch wenn es ein bisschen viele Experten gibt in der Schweiz, die es anders sehen, lasse ich es mir nicht schlechtreden, dass wir eine Mannschaft haben, die eine gute individuelle Klasse hat, wie ich finde. Dass das eine oder andere im Moment noch nicht zusammenpasst, darüber kann man reden. Und wir müssen sicher über das Wieso und Warum diesbezüglich Analysen machen. Aber das machen wir zu einem späteren Zeitpunkt.
International läuft es. National ist der Meisterzug fast schon abgefahren. 14 Punkte Rückstand hat der FCB mit einem Spiel weniger auf YB. Ist das Titelrennen gelaufen für Basel?
Wenn man die Punkte anschaut, kann man schon sagen, dass das Meisterrennen beendet ist. Aber darum geht es mir gar nicht. Wir müssen Demut zeigen, arbeiten, Konstanz hinkriegen. Wir müssen jeden Tag Gas geben und versuchen, unsere Fehler auszumerzen und im Training alles zu geben. Wichtig ist, die richtigen Analysen zu machen und Rückschlüsse zu ziehen. Und jetzt hoffentlich in den drei verbleibenden Spielen bis zur Winterpause das Maximum an Punkten herauszuholen. Das ist das kurzfristige und wichtigste Ziel. Dann können wir mit einer gewissen Ruhe in diese Winterpause.
Pausen waren, seit Sie den FCB übernommen haben, nie ruhig. Es gab auf der Transferseite immer viele Wechsel. Wird das in diesem Winter ähnlich?
Auch hier muss ich sagen: Alle reden immer von vielen Transfers. Aber wir mussten die Struktur der Mannschaft verändern, in vielerlei Hinsicht. Die Leute erachten es als viele Transfers, okay. Aber vier, fünf Spieler haben wir auch geholt, damit sie sich zwischen U21 und 1. Mannschaft mal bewegen können, und die in ein, zwei Jahren zünden sollen. Die sollen sich jetzt erst einmal an den FC Basel gewöhnen. Im Training, in Spielen, in der U21. Das waren keine Transfers für die 1. Mannschaft, sondern für die Perspektive. Damit es uns nicht mehr passiert, dass wir keinen Fluss aus dem Nachwuchs haben. Dort zählen eigenen Junge genau so dazu wie solche aus dem Ausland. Aber diesen Umstand haben bis heute viele Leute nicht verstanden. 14 Transfer? Dem ist nicht so. Aber wir haben ja viele Experten in der Schweiz, die glauben, es besser zu wissen.
Wie wichtig ist dieses europäische Überwintern dafür, dass in Ruhe analysiert und gearbeitet werden kann?
Sicher wichtig. Aber ich sage es ja auch immer: Diese Jungs, die kommen zum FC Basel, weil sie Ambitionen haben. Ein Andy Diouf, beispielsweise. Der will hier Meister werden und international dabei sein. Darum sind Spieler wie er hier. Jetzt ist er für die U21 Frankreichs aufgeboten. Schauen Sie sich mal dieses Kader an! Das ist brutal, wenn man da dabei ist. Aber solche Dinge sehen viele Leute nicht. Wir gehen dennoch unseren Weg konsequent. Meiner Meinung nach ist es der einzige Weg, als FC Basel die Zukunft zu gestalten und zu bestreiten, aber auch als jeder andere Super-League-Verein. Wir sind hier eine Ausbildungsliga und werden immer eine Ausbildungsliga bleiben. Wir können nicht vom Mäzenatentum leben. Das ist nicht möglich. Ausser, man findet jemanden, der jedes Jahr 10 bis 30 Millionen einzuschiessen bereit ist. Aber ich sage: Das hängt jedem nach drei Jahren aus. Egal, wie viel Geld der hat. Das müssen die Leute verstehen.
Ein Verein muss also auf eigenen Beinen stehen.
Ja, es braucht saubere Strukturen, gesunde Strukturen. Man muss weg kommen von diesem Mäzenatentum. Das machen wir, und viele Leute haben noch nicht verstanden, was wir in diesem Prozess alles schon unternommen haben. Wir fahren permanent Kosten runter und versuchen gleichzeitig, die maximale Qualität zu holen. Das ist ein Balanceakt. Momentan ist die Konstanz nicht da, ja. Aber ich bin mir sicher, wir kriegen das hin. Wir werden alles hart analysieren, die richtigen Schlüsse ziehen und dann werden wir in der Rückrunde einen anderen FCB sehen – was Konstanz und alles andere anbelangt.
Von was für einem Zeithorizont reden wir, wenn es darum geht, dass der FC Basel ein gesunder Verein sein wird?
Unsere Altlasten – andauernde Verträge mit Spielern beispielsweise – dauern noch ein, zwei Jahre an. Es tut mir weh, glaubt mir dass, dass ich der bin, der dauern die Sparbremse zieht. Aber man kann nicht einfach Spieler holen, wenn man kein Geld hat. Dann muss man kreative Lösungen finden. Das verstehen aber viele nicht. Aber ich bin der Meinung: Wir haben eine Mannschaft mit individuell teils sehr guter, teils guter Qualität. Es stimmt, dass wir gewisse Strukturen anpassen müssen. Aber wir alle verstehen den Fussball, wir alle sind nicht blind, sehen das alles auch und gehen mit uns hart ins Gericht. Aber man kann nicht alles von heute auf morgen ändern.
Gegen Jerewan hat die Mannschaft den Charaktertest eindrücklich bestanden. Einverstanden?
Wenn man diese Gelb-Rote Karte anschaut, dann ja, definitiv. Wenn die nicht kommt, dann wird es eine klare Sache, gewinnen wir 3:0 oder 4:0. Aber das ist jetzt egal. Wichtig war die Reaktion, die die Mannschaft gezeigt hat. Die war super und stimmt mich positiv. (bzbasel.ch)
Es ist durchaus vorstellbar, dass der FCB in der Rückrunde stabilere Leistungen erbringt wenn nun nicht an allen Einzelteilen rumgeschraubt wird.
ABER das Modell mit jungen schweizerischen und ausländischen Spielern ist stimmig und viel klarer als das von YB (mit „reifen“, international mittelmässigen, für CH jedoch überdurchschnittlichen Spielern)
Wenn auch von RB Salzburg abgekupfert, in CH hat es Platz für einen jungen und wilden FCB, der die Spieler auf höhere Aufgaben vorbereitet und entsprechende Transfer-Erlöse erzielt.
Mit seriöser Arbeit, Ruhe im Verein und etwas Zeit, kann da etwas entstehen.