Sag das doch deinen Freunden!
«Es fühlt sich sehr cool an zu wissen, dass Zinédine Zidane Real Madrid trainieren wird. Auch wenn der Name allein keine Titel bringt.» Als ich einem Kumpel, der wohl in Real-Bettwäsche schläft und dessen persönliches Wohlbefinden stark von den Resultaten der Königlichen abhängt, auf Zidane als neuen Trainer anspreche, ist seine Reaktion eindeutig: Vorfreude auf einen der grössten Spieler der Vereinsgeschichte, der nun an der Seitenlinie stehen wird.
Als ich ihm sage, dass ich einen Artikel darüber schreibe, weshalb Zidane grandios scheitern könnte, kommt direkt ein gepflegtes «F*** dich». Das habe ich natürlich verdient, schliesslich stelle ich eine Klublegende noch vor ihrem ersten Arbeitstag als Trainer in Frage. «Nimm mir jetzt nicht die Freude», ergänzt mein Kollege noch. Sorry, das muss ich ein Stück weit.
Der Gedanke, dass mit Zinédine Zidane ein Mann übernimmt, der den Verein über alles liebt, ist romantisch wie ein Hollywood-Streifen mit Julia Roberts in der Hauptrolle. Nur ist das Fussballbusiness keiner dieser Schnulzenfilme, das Happy End mit dem leidenschaftlichen Kuss auf den Pokal, welches so herbeigesehnt wird, ist nicht garantiert. Am Schluss könnten einige gebrochene Real-Madrid-Herzen zurückbleiben.
Zinédine Zidane war der wohl eleganteste Fussballer, den ich je live spielen gesehen habe. War «Zizou» am Ball, herrschte jeweils dieses Gefühl des Perfekten, das doch so einfach schien. Zidane, dieser charismatische Franzose, der den Ball lieber gefühlvoll mit dem Fuss streichelte als ihn zu kicken. Es wirkte, als würden sich die Gegner gar nicht trauen, diesem grossartigen Fussballer den Ball abzunehmen.
Das Herz von Zinédine Zidane schlägt voll und ganz für Real Madrid, er wird immer das Beste für den Verein geben, deshalb glaube ich dem Franzosen auch, dass er die Worte bei seinem Amtsantritt ernst meinte: «Wir haben den besten Klub der Welt, die besten Fans der Welt. Ich werde mein Bestes geben, damit wir bis zum Ende der Saison etwas gewinnen. Ich glaube, es wird alles klappen.» Aber reicht dieser Optimismus und Wille, um das von Rafa Benitez verschmutzte, weisse Ballett zu reinigen?
Tatsache ist, Zidane hat als Trainer keinen grossen Leistungsnachweis. Er hat die Real Madrid Castilla, die Reserven in der dritten spanischen Liga, in der letzten Saison auf den sechsten Platz gecoacht. In dieser Saison steht die Castilla derzeit auf dem starken zweiten Zwischenrang.
Trotzdem fehlt ihm die Erfahrung – der Schritt Real Madrid zu übernehmen ist riesig. Bei Pep Guardiola in Barcelona hat dies hervorragend geklappt, es gibt aber auch andere Beispiele:
Einen vergleichbaren Versuch, nicht von der Qualität der Spieler, sondern mehr vom Stellenwert im Verein, wagte die AC Milan 2014 mit Filippo Inzaghi. «Superpippo» war Fanliebling und übernahm die erste Mannschaft ohne Trainererfahrung direkt nach der U19 von Milan. Er durfte ein Jahr bleiben, holte in 40 Spielen durchschnittlich 1,38 Punkte. Seither war er nicht mehr als Trainer aktiv.
«Um ein Jockey zu werden, muss man ja nicht als Pferd geboren sein», sagte der italienische Trainer Arrigo Sacchi einst, da er als Nicht-Profi zu Italiens Nationaltrainer wurde und dafür viel Kritik einstecken musste. Für Zidane kann man das Zitat umdrehen: «Wenn man eines der besten Pferde war, wird man dann automatisch zum guten Jockey?»
Zidane hat zweifelsohne das Potential, ein cleverer, guter Trainer zu werden – er hat das Know-how, um einer Mannschaft seine Handschrift zu verpassen, das hat er bereits in der «Castilla» gezeigt. Gelingt dies auch auf höherem Niveau? Dass Zidane die Mannschaft mitten in der Saison übernimmt, macht die Sache nicht einfacher. Um seine Spielideen zu vermitteln, fehlt ihm die Zeit für eine saubere Vorbereitung. Gerade für einen Trainer ohne Erfahrung ist dies eine grosse Herausforderung, zumal bei Real auf Ende Saison Titel gefordert werden.
Zidane, der unter Carlo Ancelotti als Assistent gearbeitet hat, hatte einen grossen Lehrmeister, kennt zudem praktisch alle Spieler persönlich. Die Beziehung zu den Spielern ist, im Gegensatz zu Benitez, gut. Diesen hätten die Spieler angeblich verspottet, weil er selbst nie Profi war. Dazu gehört Zidane zu einer Spielergeneration, die den modernen Fussball mit schnellem Umschaltspiel, falschen Flügeln etc. bereits selbst als Aktiver gespielt hat.
Ein entscheidender Faktor wird sein, wie viel Geduld Real-Präsident Florentino Pérez mit Zidane hat. «Zizou» ist der Liebling von Pérez, hat im Verein und bei den Klubmitgliedern ein unglaublich hohes Standing. Zidane galt schon länger als Wunschtrainer von Pérez, Benitez war nur sein Platzhalter. Auch die Fans stehen hinter «Zizou»: In einer Umfrage der Sportzeitung «As» hatten sich vor Weihnachten bereits 72 Prozent der Befragten für Zidane als idealen Real-Trainer ausgesprochen.
Es dürfte bei Misserfolgen länger gehen, bis Zidane vom königlichen Hof gejagt wird. Trotzdem ist es gut möglich, dass Zidane in dieser Saison keinen Titel holt. Dann hat er im Sommer Zeit, seine Mannschaft zu formen, kann sich bestimmt aus der Schatzkammer bedienen und den einen oder anderen Topspieler verpflichten. Hat er dann wieder keinen Erfolg, wird es wohl schon knapp. In Spanien gibt es wegen Dauerrivale Barcelona kaum Erfolgsgarantie wie zum Beispiel in Deutschland bei den Bayern oder in Italien bei Juventus, da ist zumindest der Meistertitel praktisch gebucht.
Die Beziehung von Zidane zu Florentino Pérez ist eventuell auch so gut, weil Pérez bisher klar sagte, wo es lang geht, und Zidane gehorchte. Während seiner Zeit als Castilla-Trainer stand Zidane unter der Fuchtel von Pérez. So wurde Zidane von der Führungsetage praktisch gezwungen, Vereinsjuwel Martin Odegaard spielen zu lassen, obwohl dieser nie wirklich überzeugen konnte. Auch Borja Mayoral, einer von Pérez' Lieblingen, kam teilweise zu überdurchschnittlich viel Spielzeit, während stärkere Spieler auf der Bank schmorten. Scheinbar waren Zidane zeitweise von oben die Hände gebunden. Sollte dies auch als Trainer der ersten Mannschaft der Fall sein, könnte es früher oder später zum Knall kommen.
Real Madrid hat einen mutigen Schritt getätigt. Endlich, mag man sagen, hat Real etwas Neues probiert, einen unverbrauchten Trainer ins kalte Wasser geschmissen. Wenn hinter der Verpflichtung von Zidane ein Projekt steht, macht das Sinn. Wenn Zidane die Zeit versprochen wird, die er braucht, ist es möglich, in diesen Verein endlich mal etwas Kontinuität zu bringen. Die Hoffnung dazu ist bei den Fans zurückgekommen. Ich würde es ihnen gönnen. Doch wie schon Goethe sagte: «Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.»
Siehe Inzaghi, Seedorf bei der AC Milan etc.
Natürlich gibt es auch gleich viele Gegenbeispiele!
Zidane war schon ziemlich lange mit dem Team auf dem Trainings-Pitch, könnte also ein Vorteil sein.
Naja hin oder her... Ancelotti hätte man behalten müssen!