Viereinhalb Jahre muss sich Roger Federer auf seinen 18. Grand-Slam-Sieg gedulden. Viereinhalb lange Jahre zwischen Wimbledon 2012 und Australian Open 2017. Dort glückt ihm eine sensationelle Rückkehr auf den Tennis-Thron. Seither lässt er die Grand-Slam-Titel 19 und 20 folgen, er kehrt zurück auf Platz 1 der Weltrangliste. Federer feiert eines der eindrücklichsten Comebacks der Geschichte.
Gegen Tiger Woods' Durststrecke ist das Warten des Schweizers aber gar nichts. Fast elf Jahre liegt der letzte Majortitel des wahrscheinlich besten Golfers der Neuzeit zurück, im Sommer 2008 triumphiert Woods am US Open.
Es folgt ein Jahrzehnt, das mit der Bezeichnung «schwierig» noch nett umschrieben ist. Erst wirft Woods ein Sex-Skandal aus der Bahn, dessen Folge auch die Scheidung von Ehefrau Elin Nordegren ist. Zahlreiche Sponsoren kündigen ihre Millionen-Verträge.
Der gefeierte Superstar fällt tief. Die Krise neben dem Golfplatz greift auch auf die Greens über. Woods verliert nach über fünf Jahren seinen Platz an der Spitze der Weltrangliste, 2010 ist die schwächste Saison seiner Karriere.
Trotz wiederkehrenden Verletzungssorgen kämpft sich der Tiger zurück. 2013 feiert er bei den Players Championship seinen 78. Turniersieg auf der amerikanischen PGA-Tour. Er ist jetzt wieder die Nummer 1 der Welt. Diese ist auch privat in Ordnung: Woods und Ski-Star Lindsey Vonn bilden ein Sport-Traumpaar.
Aber das Glück ist von kurzer Dauer, privat wie sportlich. 2015 trennt sich das Paar. Woods hat immer grössere Probleme mit seinem Rücken. Mehrere Operationen werfen ihn zurück, die Fortsetzung seiner Karriere steht in den Sternen. «Ich dachte, dass alles aus ist», gibt Woods vor wenigen Tagen zu. «Damals war ich durch.»
Tiefpunkt ist ein Polizeifoto, das um die Welt geht: Woods wird unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss im Auto aufgegriffen. Zu einer Verurteilung kommt es nicht.
Doch der Tiger beisst. Er gibt nicht auf und gewinnt im August 2018 erstmals nach fünf Jahren wieder ein Turnier. Und nun die triumphale Rückkehr ganz nach oben: Eldrick Tiger Woods gewinnt das US Masters in Augusta. Es ist für Golfer das, was für Skifahrer Kitzbühel ist, für Formel-1-Piloten Monaco und für Roger Federer Wimbledon.
Am viertletzten Loch des vierten Tages übernimmt Woods die alleinige Führung, die er nicht mehr abgibt. Zum fünften Mal darf er ins berühmte Grüne Jackett des US-Masters-Siegers schlüpfen. Im Alter von 43 Jahren lässt er die Weltelite hinter sich, holt den 15. Majortitel der Karriere. Erstmals überhaupt gewinnt Woods ein grosses Turnier, ohne dass er als Führender auf die Schlussrunde geht.
Als Woods 1997 erstmals das Masters gewinnt, fällt er nach dem Triumph seinem Vater und Förderer Earl in die Arme. Nun – 22 Jahre später – ist sein eigener Sohn Charlie einer der ersten Gratulanten. «Charlie und Sam (seine Tochter, d. Red.) sahen ihren Vater hier siegen, so wie mein Vater mich hier siegen sah», freute sich Woods. Bislang hätten ihn seine beiden Kinder eher als «YouTube-Golfer» gekannt, von Highlight-Clips und aus Videogames. Nun sahen sie hautnah, dass ihr alter Herr im richtigen Leben immer noch der beste Golfer der Welt sein kann.
I can’t thank my family, friends and fans enough for their support. Having my family by my side today is something I will never forget. To not only be able to play again, but to be able to win again, is something I will forever be grateful for. This jacket sure is comfortable. pic.twitter.com/LsOUX2dWH1
— Tiger Woods (@TigerWoods) 14. April 2019
«Ich freue mich sehr für Tiger», sagte sein langjähriger Rivale Phil Mickelson, «dieser Tag wird in die Geschichte des Golfsports eingehen.» Justin Thomas, der Sieger der PGA Championships 2017, meinte: «Ich denke, ich spreche für einen grossen Teil der Golfwelt, wenn ich sage: Wir freuen uns mit dir. Was für ein Sieg.» Für NBA-Superstar Stephen Curry ist Woods' Rückkehr nichts Geringeres als «das grossartigste Comeback des Sports». Englands WM-Torschützenkönig 1986, Gary Lineker, reiht lediglich Leicester Citys sensationellen Gewinn des englischen Meistertitels als noch grössere Errungenschaft ein.
Tennis-Star Serena Williams gab zu, dass sie Tränen in den Augen hatte. «Wenn man weiss, wie es dir körperlich ging und wie du nun zurückgekommen bist: Wow! Ich gratuliere eine Million Mal, du hast mich sehr inspiriert. Danke, Kumpel.» US-Präsident und Hobby-Golfer Donald Trump gratulierte dem Champion ebenfalls. Für dessen Amtsvorgänger Barack Obama ist der Triumph nach all den Höhen und Tiefen eine grosse Willensleistung, die von Charakterstärke zeugt.
Mit dem Titel gestern in Augusta hat Tiger Woods bereits mehr erreicht, als es ihm viele noch zugetraut hatten. Roger Federer liess seiner Rückkehr nach ganz oben weitere Triumphe folgen. Auch für Woods scheint wieder alles möglich zu sein. Für das US Masters 2020 haben ihn die Buchmacher bereits zum 8:1-Topfavoriten ernannt.
Woods hat nun 81 Siege auf der PGA-Tour errungen – ihm fehlt nur noch einer, um mit dem bisherigen Rekordhalter Sam Snead gleichzuziehen. Noch drei Erfolge an grossen Turnieren fehlen Woods auf Jack Nicklaus, der 18 Majortitel feiern durfte. Der «Goldene Bär» liegt auch beim Masters voran – mit seinen sechs Erfolgen aber nur noch um eine Länge. Es sind Bestmarken, die plötzlich wieder zum Thema werden. Totgesagte leben länger – besonders dann, wenn sie den Kampfgeist eines Tigers besitzen.
Er war auf dem Olymp des Sports. Wurde dann im Sport und im Privaten nach ganz unten durchgereicht. Und jetzt wieder ganz oben.
Die Speichelleckerfirmen finden den Tiger jetzt natürlich wieder ganz toll und kommen aus ihren Löchern gekrochen..
Aber etwas unmögliches fehlt im noch:
Einmal gegen Trump gewinnen!