Eine Szene ganz am Ende sagte so ziemlich alles aus über die Fussball-Weltmeisterschaft in Russland. Als es während der Siegerehrung nach dem Final im Moskauer Luschniki-Stadion wie aus Kübeln zu schütten begann, war nur für einen sofort ein Schirm zur Stelle: Wladimir Putin. Er stand im Trockenen, während die anderen Honoratioren in Nullkommanichts klatschnass waren.
Selbst die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic wurde nicht gerade gentlemanlike im Regen stehen gelassen. Besser lässt es sich nicht ausdrücken, wer nicht nur am Finaltag, sondern während des ganzen Turniers die Hauptperson war. Dabei hatte sich Putin sehr zurückgehalten. Er war nur zum Eröffnungs- und zum Endspiel im Stadion erschienen. Selbst die Parforceleistung der russischen Nationalmannschaft konnte ihn nicht zum Besuch bewegen.
Der Präsident müsse eben regieren, hiess es aus dem Kreml. Eine clevere Strategie. Die Reizfigur Wladimir Putin trat während des 31-tägigen Spektakels in den Hintergrund und überliess die Bühne dem russischen Volk. Dieses zeigte sich von seiner besten Seite. Berichterstatter und Fans zeigten sich sehr angetan von der Freundlichkeit der Russen und der tadellosen Organisation.
Beides ist nicht selbstverständlich in einem Land, in dem ausserhalb der Metropolen so manches an sowjetische Zeiten erinnert. SRF-Kommentator Sascha Ruefer jedenfalls konnte sich während des Finals kaum einkriegen vor Begeisterung: «Die Russen waren tolle Gastgeber, haben viele Vorurteile entkräftigt, bravo.» Die «Putin-Versteher» werden es mit Freude gehört haben.
Aber wird die erfolgreiche WM Russland in eine positive Richtung verändern?
Im Vorfeld wurden entsprechende Hoffnungen geäussert. In Provinzstädten, «die auch Jahrzehnte nach dem Untergang der Sowjetunion isoliert leben, beschallt vom Kreml-treuen Staatsfernsehen», würden nun plötzlich «Millionen gut gelaunter Ausländer» auftauchen, hiess es etwa im «Tages-Anzeiger». Wenn Russen und Europäer nach den Spielen zusammensässen, würden sie schnell merken, «dass die Welt nicht so schwarz und weiss ist, wie es die Propaganda darstellt».
So weit die schöne Idee. Allerdings kamen keine «Millionen» nach Russland. Vor allem aus dem nahen Europa reisten deutlich weniger Fans an als aus dem fernen Mittel- und Südamerika. Woran liegt dieses eigenartige Missverhältnis? An der Fan-ID, die immerhin eine visafreie Einreise ermöglichte? An Vorurteilen gegenüber Osteuropa? Oder doch am negativen Image Russlands wegen seiner aggressiven Aussenpolitik und seiner schamlosen Einmischung in demokratische Prozesse?
Umgekehrt wird der Westen in Russland mal als feindselig und dann wieder als dekadent und dem Untergang geweiht dargestellt. In manchen Fällen mag die WM dazu beigetragen haben, solche Klischeevorstellungen zu überwinden. Aber einen grundlegenden Wandel darf man nicht erwarten, dazu ist dieses Land zu riesig. Selbst in Rostow oder Saransk war das WM-Geschehen auf einen überschaubaren Bereich zwischen Innenstadt und Stadion beschränkt.
«Die Fans und die nur kurzzeitig in Russland arbeitenden WM-Reporter haben eine Ausnahmesituation erlebt, sie haben nur einen Ausschnitt der russischen Wirklichkeit gesehen», kommentierte die frühere Korrespondentin von Deutschlandradio in Moskau. Für die NZZ ist es nicht ersichtlich, «weshalb sich Russland insgesamt durch diese WM nachhaltig verändern sollte».
Die schönen Bilder aus Russland täuschen nicht darüber hinweg, dass die Repressionsschraube eher angezogen wird. Das Gesetz, das ausländische Medien als «Agenten» einstuft, soll auf einzelne Journalisten ausgedehnt werden. Und im Fall des ukrainischen Filmregisseurs Oleg Senzow, der seit vier Jahren wegen «Terrorverdachts» in einem Straflager inhaftiert ist und sich seit mehr als 60 Tagen im Hungerstreik befindet, zeigte die Regierung keinerlei Entgegenkommen.
Als FIFA-Präsident Gianni Infantino, der das Turnier in Russland als «beste WM der Geschichte» rühmte, an seiner Medienkonferenz vom Freitag auf die Menschenrechtslage angesprochen wurde, meinte er nur, es gebe «viele Ungerechtigkeiten». Das sei aber nicht nur in einer Region oder einem Land der Fall, «sondern in der ganzen Welt». So kann man es auch sehen.
Wladimir Putin kann zufrieden sein. Die Fussball-Weltmeisterschaft ist geworden, was er sich erhofft hat. Eine grandiose PR-Show in eigener Sache. Ob sie langfristig zu einer Öffnung des Landes beitragen wird, muss sich zeigen. Allerdings darf man von Sportevents nicht zu viel erwarten.
Nach Sotschi haben Putin und Russland eine exzellente Fussball-WM organisiert und präsentiert:
Schön ausgebaute Stadien, gastfreundliches Ambiente für Fans aus aller Welt, reibungslose Organisation, spannende Spiele - und einfach alles was zu einem gelungenen Anlass dieser Art gehört. Neidlos anerkannt!
Und so wird er sehr wohl von diesen Anlässen profitieren, zumal der Westen nichts unversucht lässt, ihm und seinem Land ans Bein zu pinkeln. Die ganze, auch die politisch eher neutrale Welt, hat das ganze Spektakel live im TV konsumiert - optimale PR 😉!
Aber die Jagd nach Imperialen Prestige-Erfolgen, wie dem Durchführen von Olympiaden und Weltmeisterschaften hat einen Haken: Sie ist enorm kostspielig und kann ein Land auch ruinieren!
Die Walliser jedenfalls waren so schlau genug, auf ein solches super-teures Spektakel zu verzichten.
(Sehr zum Ärger ihres "Oligarchen" Constantin...)