Eldin Jakupovic, du spielst jetzt in der Premier League. Ein Bubentraum?
Eldin Jakupovic: Jeder weiss, dass die Premier League die beste Liga der Welt ist. Sicher war das für mich als kleiner Junge ein Traum. Mein Weg dahin war sehr schwierig und hier in England brauchte ich etwas Angewöhnungszeit. Die zweite Liga hier ist ebenfalls sehr stark, es geht immer auf und ab, du hast wenig Ruhe.
Bei Hull lief auch nicht alles von Anfang an gut.
Es war nicht einfach. Ich habe als Nummer 1 begonnen, doch dann kam ein neuer Trainer, der einige Spieler holte. Obwohl die Statistik für mich sprach, spielte ich nicht mehr regelmässig. Seit Januar ist nun Marco Silva unser Trainer. Er hat das gewisse Etwas zurück in die Mannschaft gebracht und setzt auf mich – momentan bin ich glücklich.
Als Jüngling hast du mit Thun in der Champions-League gegen Arsenal gespielt. Jetzt hast du Spiele gegen Chelsea, Manchester United oder Liverpool hinter dir und am Wochenende warten die «Gunners». Sind solche Duelle gegen absolute Topmannschaften noch etwas Spezielles?
Als ich damals mit Thun gegen Arsenal spielte, war ich noch ein Kind (lacht). Ich war so nervös. Im Tunnelgang habe ich immer wieder zu Spielern wie Sol Campbell, Robin van Persie oder Robert Pires rübergeschaut – alles Weltstars. Jetzt ist das etwas anders, ich habe schon einige Spiele auf dem Buckel und in der Premier League gehören grosse Namen zum Alltag. Für mich ist es heute einfach ein Genuss, gegen Topstars zu spielen.
Im Spiel gegen Manchester United letzte Woche (0:0) hast du fantastisch gespielt. Anschliessend sagte ein gewisser Zlatan Ibrahimovic: «Manche Paraden macht er für die TV-Kameras.» Wie gehst du damit um?
Ach, das gehört einfach zum Geschäft. Beim ersten Spiel gegen ManUtd habe ich mit «Ibra» das Trikot getauscht und kurz gesprochen – er ist ein guter Typ.
Nach dem 0:0 waren die United-Spieler frustriert und man kennt Ibrahimovic, der braucht das manchmal einfach. Ich nehme es als Kompliment auf und auch das Lob von United-Trainer Mourinho, einem der besten Trainer auf der Welt, freut mich sehr.
Fussballerisch läuft es aktuell sehr gut. Wie lebt es sich denn sonst so in Hull?
Also es ist nicht Zürich (lacht). Ich bin jetzt seit über vier Jahren da, aber in der Stadt bin ich eigentlich nicht oft. Manchmal auf einen Kaffee mit meiner Frau oder im Wald spazieren. Unser Zuhause ist schön und wir haben ein gutes Leben hier.
Also alles tiptop?
Ja fast. An das Wetter hier habe ich mich auch nach vier Jahren noch nicht gewöhnt. Du hast hier an einem Tag alle Facetten, das ist unglaublich. Ich kann mich noch genau an einen Match erinnern. In der ersten Halbzeit hat es stark gewindet, geregnet, und geschneit. Dann kam die Sonne kurz raus, danach hat es wieder geschneit mit viel Wind. Das alles in 45 Minuten, so etwas habe ich noch nie erlebt.
Apropos Erlebnis: Kannst du dich noch erinnern, was am 26. Juli 2005 war?
Eldin Jakupovic: Hm, das ist jetzt über elf Jahre her (überlegt lange). War das ein Champions-League-Spiel mit Thun?
Genau, es war das Auswärtsspiel gegen Dynamo Kiew (2:2). Hast du noch Erinnerungen an diese Partie?
Ja, da sind immer noch Erinnerungen im Kopf. Ich bin mit dem FC Thun in die Ukraine gereist und wir hofften, irgendetwas mitnehmen zu können. Dynamo Kiew war damals eine absolute Top-Mannschaft. Sie waren die Favoriten, aber mit dem 2:2 haben wir ein für uns perfektes Resultat geholt.
Du persönlich hast damals im Alter von 20 mit zahlreichen starken Paraden das 2:2 gesichert.
Ja, es lief sehr gut für mich. Ich kann mich an einige Paraden gut erinnern. Nach dem Spiel telefonierte ich mit meinem Vater und er sagte: «2:2, wie konntest du zwei Tore zulassen?». Dann habe ich geantwortet: «Ehm, welches Spiel hast denn du gesehen? Wir hätten locker auch 2:7 verlieren können, Kiew hatte so viele gute Torchancen.»
Apropos Torchancen: Der 29. September 2007, das Spiel mit GC gegen YB (3:3). Das war speziell für dich oder?
Ah, mein Kopfballtor – ja das war wirklich eine spezielle Geschichte. Ich kam aus Moskau zurück zu GC und die ersten Spiele war ich richtig schlecht, es ist mir nichts gelungen. Gleich zu Beginn gab es eine 0:4-Klatsche im Derby gegen Zürich, anschliessend eine 3:5-Pleite gegen St.Gallen. Dann kam dieses Spiel gegen YB und ein Freund von mir scherzte vor dem Spiel noch: «Du schiesst heute ein Tor.» Wir lagen mit 2:3 zurück. In der Nachspielzeit fand der Ball tatsächlich den Weg zu meinem Kopf und wir holten einen Punkt.
Besteht noch Kontakt zu ehemaligen Teamkollegen von Thun oder GC?
Viel und enger Kontakt zu Spielern besteht nicht mehr. Ab und zu telefoniere ich mit Veroljub Salatic oder Senad Lulic (beide ehemals GC, A.d.R.). Über Facebook habe ich noch Kontakt mit den Brasilianern, die mit mir bei Thun gespielt haben. Grundsätzlich habe ich es aber mit allen gut und wenn ich jemand in Zürich auf der Strasse treffe, dann spreche ich mit ihm oder wir gehen etwas trinken.
Wie oft bist du denn noch in der Schweiz?
Über die Sommerferien und meistens wenn Nati-Pause ist, bin ich mit meiner Familie in der Schweiz. Manchmal treffe ich meine Eltern oder Kollegen auch in London. Wenn es hier kalt ist, gehe ich während den Ferien aber auch gerne mal an die Wärme.
Du hast ein Spiel für die Schweizer Nati absolviert, danach aber gesagt: «Ich will nie mehr für die Schweiz spielen.» Einsätze für die Auswahl von Bosnien-Herzegowina wären noch möglich. Ist das ein Thema?
Dieses Kapitel ist für mich schon länger beiseite gelegt. Für mich kommt an erster Stelle die Familie und dann der Fussball. Ich bin zufrieden bei Hull und an mehr möchte ich gar nicht denken. Als Goalie kann man zwar lange spielen, aber ich bin 32 Jahre alt und die Nationalmannschaft ist kein Thema mehr.
In England lebst du mit deiner Frau und deiner fünfjährigen Tochter, Alina. Fiebert sie schon im Stadion mit?
Ja, sie ist an den Heimspielen oft mit meiner Frau im Stadion dabei. Die ersten zehn Minuten schaut sie zu, dann sagt sie: «Mama, mir ist langweilig.» Sie ist eben noch ein Kind, das ist normal. Nach dem Spiel gegen Manchester United hatte ich aber grosse Freude. Als ich zuhause ankam, sprang die Kleine zu mir und sagte: «Wir haben ‹Hopp Daddy, Hopp Daddy› geschrien und gefeiert».
Viele Stars teilen ihre Erlebnisse regelmässig auf Social Media. Nach Eldin Jakupovic sucht man auf Twitter, Instagram oder Facebook aber vergebens. Hat das einen speziellen Grund?
Nein, ich bin einfach noch nie einer gewesen, der viele Bilder oder Selfies macht und diese dann der ganzen Welt präsentiert. Ich muss mich doch nicht in der Stadt mit Sonnenbrille fotografieren und zeigen, ob ich jetzt eine Cola oder eine heisse Ovomaltine trinke. Meine Frau hat ein Profil, weil sie in den USA aufgewachsen ist und den Kontakt in die Staaten behalten will.
Blicken wir auf das Spiel vom Samstag gegen Arsenal. Der Schweizer Granit Xhaka ist leider noch gesperrt.
Ja, das ist schade. Im letzten Spiel hat er mir ein schönes Tor gemacht.
Ich wollte mich dafür noch revanchieren (lacht). Nein im Ernst, wir haben jetzt zwei gute Spiele hinter uns, trotzdem wird es gegen Arsenal sehr schwierig. Wir spielen auswärts, müssen aber versuchen, unser Spiel durchzuziehen. Als Underdog sollten wir Respekt, aber keine Angst haben.
⏪ | Who remembers our last trip to the Emirates Stadium? We’re pretty sure Eldin Jakupović does! #TBT pic.twitter.com/YeheQLKQJ6
— Hull City (@HullCity) 9. Februar 2017
Wie steht es um deinen Stammplatz?
Unter dem neuen Trainer habe ich alle Spiele absolviert und mit meinen Leistungen bin ich zufrieden. Ich glaube, ich habe meine Chance gepackt und hoffe jetzt, bis Ende Saison spielen zu können.
Zum Schluss möchte ich dir noch ein Bild zeigen, das ich im Twitter-Archiv gefunden habe.
Wäre Real Madrid tatsächlich dein Traum?
Das hättest du mich fragen müssen, als ich 20 war (lacht).
Welches Team war es denn damals?
Mein Nachbar war grosser Fan von der AC Milan und so habe ich etwas Sympathien für dieses Team entwickelt, das damals übrigens eine Weltklasse-Auswahl war. Ich habe früher aber hauptsächlich die Goalies beobachtet. Buffon zum Beispiel, oder Edwin van der Sar.
Ein Traumverein gibt es für dich also nicht?
Nein. Heute kann ich sagen: Ich habe meinen Traum erfüllt, ich spiele in der Premier League.