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Interview

Super League: Lausanne-Trainer Peter Zeidler im Interview

Peter Zeidler, nouvel entraineur du FC Lausanne-Sport (LS), pose pour le photographe dans la tribune du stade de la Tuiliere a l'issue de la conference de presse de presentation du nouvel entrain ...
In der kommenden Saison steht Peter Zeidler in Lausanne an der Seitenline.Bild: keystone
Interview

Peter Zeidler: «GC wollte mich im November holen, aber das war für mich zu früh»

Sechs Jahre lang trainierte Peter Zeidler den FC St.Gallen. Dann war er plötzlich weg – und nennt es heute eine Flucht. Der 62-Jährige gewährt tiefe Einblicke.
20.07.2025, 10:5723.07.2025, 08:17
Christian Brägger; Patricia Loher / ch media
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Peter Zeidler ist mit 242 Pflichtspielen der Rekordtrainer des FC St.Gallen. Mit den Ostschweizern stand der Deutsche zweimal in einem Cupfinal, es gab den Vize-Meistertitel in der euphorisierenden Saison 2019/20.

Vor einem Jahr verabschiedete sich der 62-Jährige nach Deutschland zum VfL Bochum. Beim Ruhrpottklub der 1. Bundesliga wurde Zeidler nach acht sieglosen Partien (sieben in der Liga, ein Spiel im Cup) entlassen – just vor dem Heimspiel gegen Bayern München.

31.08.2024, Nordrhein-Westfalen, Bochum: Fu�ball: Bundesliga, VfL Bochum - Borussia M�nchengladbach, 2. Spieltag, Vonovia Ruhrstadion: Bochums Trainer Peter Zeidler h�lt die H�nde vor den Kopf. Foto:  ...
Bei Bochum erlebte Zeidler schwierige Zeiten.Bild: keystone

Nun ist er zurück in der Schweiz und mit einem Zweijahresvertrag Coach von Lausanne-Sport, dessen Besitzer der Ineos-Konzern ist. Erstmals seit vielen Monaten sprich Zeidler über Vergangenes. Und hat Ostschweizer Pläne.

Wir müssen über Ihr missglücktes Engagement beim VfL Bochum reden. War der Klub eine Wahlmöglichkeit von vielen?
Peter Zeidler: Gewiss. Im Winter davor war ich mit den abstiegsgefährdeten Mainzern grundsätzlich einig. Die Ablösemodalitäten waren weitestgehend besprochen, es hätte sogar eine schöne Summe für mich bezahlt werden müssen (lacht). Nur hatte ich, im Gegensatz zu Bo Henriksen zwei Monate später, nicht den Mut, zu wechseln. Henriksen wollte ja auch unbedingt weg von Zürich. Ich hingegen sah keinen einzigen Grund, St.Gallen zu verlassen. Damals im Dezember schlief ich nochmals eine Nacht über alles – und bekam kalte Füsse. Zudem wollte mich der FC St.Gallen unbedingt behalten. Bemerkenswerterweise sagten wir Mainz am selben Tag ab, an welchem Alain Sutter als St.Galler Sportchef entlassen wurde.

Und dann?
Ich habe meine Absage kurz bereut und dachte: Wie kann ich nur so ein Angebot ablehnen? Aber ich hatte weiterhin sehr viel Lust mit dem FC St.Gallen und es fühlte sich richtig an, zu bleiben. Dann kam Roger Stilz als Sportchef und wir qualifizierten uns als Fünfte für den Europacup.

«Es war wohl der richtige Ort, aber der falsche Zeitpunkt.»

Dem VfL Bochum sagten Sie im vergangenen Sommer nicht mehr ab.
Es hatte sich beim FC St.Gallen schon einiges verändert und meine Gedanken wurden nun etwas anders: Wenn ich es jetzt nicht mache, wann dann? In all den Jahren mit St.Gallen standen wir in einem guten Licht und es gab deshalb für mich immer wieder Möglichkeiten. Habe ich nun die richtige angenommen? Wahrscheinlich nicht.

Es war wohl der richtige Ort, aber der falsche Zeitpunkt. Der Bochumer Sportdirektor trat zurück, im Präsidium waren sie zerstritten. Der Klub war im Feiermodus, weil er davor die Relegation gewonnen hatte. Und dann kommt so ein verrückter Trainer aus der Schweiz und will Vollgas spielen. Und trotzdem: Ich lasse mich nicht von den acht sieglosen Partien bewerten.

War es ein Missverständnis?
Es war 1. Bundesliga. Also nicht so schlecht. Wir spielten in Dortmund vor 80’000 Fans, lagen dort 2:0 vorne. Aber ich habe das alles nie so als «Wow» empfunden. Bochum war ein besonderer, emotionaler Klub, es gibt eine tiefe Verbindung mit Fans jeglicher Schichten, mit Akademikern oder Leuten, die wirklich sehr wenig Geld im Monat zur Verfügung haben. Es war einfach der falsche Zeitpunkt. Und rein fussballerisch hatte das Team noch nicht einmal ansatzweise meine Handschrift. Auch wenn wir in der Vorbereitung teils hoch gewonnen hatten gegen starke Gegner.

Peter Zeidler, nouvel entraineur du FC Lausanne-Sport (LS), parle lors de la conference de presse de presentation du nouvel entraineur du FC Lausanne-Sport ce lundi, 23 juin 2025 a Lausanne. (KEYSTONE ...
Bei Bochum gewann Zeidler kein Pflichtspiel.Bild: keystone

Das Kader war von der Qualität her ungenügend.
Schon, letztlich ist Bochum ja trotz Verstärkungen im Winter klar abgestiegen.

«In St.Gallen wusste ich, dass der eine oder andere Spieler mal ein Bier trinkt, in Bochum habe ich es nicht erlaubt.»

Es gab mit Ihnen als Trainer auch Diskussionen, ob die Spieler nach Partien Bier trinken dürfen.
Ich habe mir erst kürzlich nochmals überlegt, ob ich mich da richtig verhalten habe. Wir hatten beim unterklassigen Regensburg in der ersten Cuprunde verloren. Dann fragten mich die Spieler auf der Rückfahrt: «Dürfen wir Bier trinken?» Ich dachte mir: «Spinnen die jetzt?» Die Reaktion passte zu mir, weil ich einer bin, der Alkohol im Mannschaftsbus ablehnt und zur Wirkung auf die Regenerationsfähigkeit seine klare Meinung hat. In St.Gallen wusste ich, dass der eine oder andere Spieler mal ein Bier trinkt, in Bochum habe ich es nicht erlaubt. Und danach gespürt, dass das Team dachte: «Was ist jetzt los? Was ist das für einer?»

Man war wohl weiter im Feiermodus, weil der VfL Bochum den Ligaerhalt geschafft hatte.
Nach der Relegation feierten sie eine Woche lang – notabene im Bermuda-Dreieck. Die Feiermeile ist aber grösser als jene von St.Gallen. Nach einem 0:3 zu Hause schafften sie im Rückspiel den Ligaerhalt und die Mannschaft und ihr Umfeld wollte diesen Feiermodus nicht verlassen. Das Bierthema passte so richtig zu unserem Tief, es wurde zu sehr aufgebauscht und lenkte auch vom Wesentlichen ab, dem Fussball. Ich liess mich sogar zum Versprechen verleiten, bei einem Sieg einen Harass Bier in die Kabine zu stellen. Nur gewannen wir halt nie (lacht).

Ausgerechnet der St.Galler Neuzugang Lukas Daschner hat mit einem Penalty-Fehlschuss Ihr Ende besiegelt.
Genau. Daschner war damals ein teurer Wechsel von St.Pauli zu Bochum. Er stammt aus dem Ruhrpott, ein Traumschwiegersohn, der gut Fussball spielen kann. Gegen Dortmund nahm ich ihn nicht ins Kader. Das hat er mir vorerst nicht verziehen – und der harte Kern der gestandenen Spieler auch nicht. Ich suchte mit Daschner das Gespräch, er spielte daraufhin wieder und war dann gegen Hoffenheim richtig gut, vergab aber in der letzten Minute den Ausgleich vom Elfmeterpunkt. Aber wir beide sind schon lange wieder im Reinen und er hat mit St.Gallen eine sehr gute Wahl getroffen, zu der ich ihm gratulierte.

Lukas Daschner (SG) schreitet zum Eckball waehrend dem Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC St. Gallen und dem FC Lugano am Mittwoch, 5. Februar 2025, im Stadion Kybunpark in St. Galle ...
Lukas Daschner wechselte im Winter nach St.Gallen.Bild: keystone

Wie war der Atmosphäre im Klub?
Bochum ist ein spannender Verein. Im Stadion herrscht eine faszinierende Stimmung, und wenn vor Spielbeginn das ganze Stadion Herbert Grönemeyers «Bochum» singt, ist Gänsehaut angesagt. Das Lied vereint die Menschen, das fasziniert mich.

Haben Sie den Musiker kennengelernt?
Nein, aber sein Neffe ist im Verwaltungsrat. Grönemeyer ist in Bochum ein Held. Vor der Saison gab er drei Stadionkonzerte – alle ausverkauft.

Es gab weitere gute Seiten in der Bundesliga. Sie waren in der grössten Sportsendung im Land. «Das aktuelle Sportstudio» schauen 20 Millionen Leute.
Das war einmal, heute sind es weniger, aber nicht wegen mir. Drei Tore habe ich auf die Torwand gemacht (lacht). Ja, es war okay in der Bundesliga, auch medial. Auf den sozialen Medien jedoch war der Druck auf meine Person reflexartig schon gross, wie ich im Nachhinein gehört habe. Der Verein konnte am Ende gar nicht anders entscheiden, als mich zu entlassen.

ARCHIV - 24.08.2024, Sachsen, Leipzig: Fu�ball: Bundesliga, RB Leipzig - VfL Bochum, 1. Spieltag in der Red Bull Arena. Bochums Trainer Peter Zeidler h�lt einen Ball in der Hand. (zu dpa: �Bochum hoff ...
Kurz vor dem Spiel gegen Bayern wurde Zeidler entlassen.Bild: keystone

Wie sehr hat Sie die Entlassung vor dem Spiel gegen Bayern München getroffen?
(lacht) Für diese Partie habe ich den Job doch angenommen! Nach dem Hoffenheim-Spiel dachte ich, es geht weiter, die zweite Halbzeit war ja gut. Am Sonntagmorgen gab’s dann das Gespräch mit dem Verwaltungsrat. Man versicherte mir volles Vertrauen. Aber am Abend wurde ich doch entlassen.

Wie lange tat die Entlassung weh?
Sie tut es immer noch. Ich hatte die Chance auf die Bundesliga, nach drei Monaten ist das zu Ende. Das bleibt in meinem Lebenslauf, und in meinen Gefühlen. Ich lebe einen Verein emotional und identifiziere mich stark. Deshalb kann ich das nicht einfach abhaken und bin verletzt worden in meinem Herzen. An Entlassungen will und kann ich mich auch nicht gewöhnen.

Härten diese nicht mit der Zeit ab?
Nein. Jede Entlassung nahm ich persönlich, Aalen, Salzburg, Hoffenheim. Sion eher weniger. Aber Entlassungen nagen. Man führt sie auf sich zurück und denkt, man sei als Person nicht gut genug. Obwohl Ilja Kaenzig (Geschäftsführer VfL Bochum, Red.) in einem Interview sagte, man habe mir nicht die Voraussetzungen geschaffen, um erfolgreich zu sein. Nur hilft mir das jetzt auch nichts mehr. Bochum war eine schwere Zeit, auch die Monate danach. Vier Jahre lang bei St.Gallen hatte ich Angebote aus der 1. Bundesliga, dieses Jahr: nichts. Klar, man sagt, der ist gescheitert. Aus dem Ausland kamen wenigstens weiter Anfragen. Aber ich wollte zurück in die Schweiz.

Peter Zeidler, nouvel entraineur du FC Lausanne-Sport (LS), photographie lors d'un entrainement du Lausanne-Sport avant la nouvelle saison de Super League de football le jeudi 26 juin 2025 au sta ...
Neu gibt Zeidler bei Lausanne den Takt vor. Bild: keystone

Neu sind Sie also Trainer von Lausanne-Sport und waren damit gar nicht so lange arbeitslos. Tat diese freie Zeit auch gut?
Ich hatte endlich die innere Ruhe, über alles nachzudenken im Leben und habe vieles Revue passieren lassen. Ich habe oft an meine Eltern gedacht, die nicht mehr leben. An die Geschwister, an die eigene Familie, an unsere Töchter. Man merkt gerade in solchen Phasen, wie wichtig Beziehungen mit dem engsten Umfeld sind. Natürlich hatte ich auch Zeit, über die Welt an sich nachzudenken. Es passiert viel Schlimmes, Kriege oder sonstige grosse Veränderungen.

Eine vorwiegend heile Welt hatten Sie in St.Gallen.
Schon. Es wird mir niemand übel nehmen, auch der Lausanner nicht, dass St.Gallen meine Heimat geworden ist. Das habe ich jetzt noch mehr gemerkt. Deshalb ist es meine Idee, dass ich nach dem Trainersein mit meiner Frau wieder nach St.Gallen ziehe. In Bochum hatte ich sogar Heimweh nach der Stadt, trotz der reizvollen Bundesliga. Im Nachhinein war mein Weggang schon schnell und vielleicht sogar eine Flucht, die ich nie richtig verarbeitet hatte.

Besuchten Sie St.Gallen wieder?
Zwei-, dreimal. Die Leute grüssen mich und reden positiv über mich und meine Zeit hier. Es gibt ja Menschen, die behaupten, ich würde diese Bestätigung brauchen. Ich kann sicherlich sagen, dass mir das guttut. Ich fühle mich als St.Galler. Das ist so, das brauche ich auch nicht zu verneinen. Es ist eine gegenseitige tiefe Verbundenheit da.

Der Trainer von St. Gallen, Peter Zeidler beim Super League Meisterschaftsspiel zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen vom Mittwoch, 19. Oktober 2022 in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Von 2018 bis 2024 war der Deutsche Trainer bei St.Gallen.Bild: keystone

Sie wollten in der Stadt ein Haus kaufen, oder?
Ja, aber wir haben es nicht getan. Vielleicht wäre ich sonst nicht weggegangen. Im Quartier Guggeien wäre das gewesen. Von unserem Haus aus hätten wir aufs Espenmoos gesehen. Ich will nicht alles glorifizieren mit St.Gallen, aber meine Beziehung zu Stadt, Klub und Region bleibt halt emotional.

Doch gewisse Abnützungserscheinungen gab es schon.
Gegen dieses Wort habe ich mich immer gewehrt. Schon klar, Spieler, die lange da waren, hatten vielleicht den Gedanken, dass sich die Dinge wiederholen. Es gab einmal einen Trainer, der gesagt hat, man könne nicht zu lange an einem Ort bleiben, ohne die Spieler auszuwechseln. Aber man entwickelt sich auch als Trainer. Vielleicht gab es den einen oder anderen Profi, der etwas Neues wollte. Aber wir waren ja nicht erfolglos. Nachdem ich weg war, hat St.Gallen noch ein paar Monate lang in unserem Fussball weitergespielt und auch mit etwas Glück die Conference League erreicht. Weil Spieler auf dem Platz standen, die unsere Taktik zu ihrer Taktik gemacht haben und wussten, wie sie zu spielen haben. Warum das danach nicht so weiterging, müssen andere beurteilen. Vielleicht wollte man als Verein zu sehr und zu verkrampft auf die nächste Stufe. Dennoch bleibt die vergangene Saison der St.Galler immer mit den tollen Erlebnissen in Europa verbunden.

«In den beiden Cupfinals zum Beispiel war auch ich nicht gut. Das haben wir nicht hinbekommen.»

Würden Sie rückblickend etwas anders machen, damit vielleicht die Diskussionen innerhalb der Mannschaft nicht aufkommen?
Klar hätte man einige Dinge besser machen können. In den beiden Cupfinals zum Beispiel war auch ich nicht gut. Das haben wir nicht hinbekommen. Aber ich denke, dass ich mich weiterentwickelt habe. Ich rede jetzt noch mehr mit Spielern, gehe auf sie ein. Am Schluss hat der Trainer die Verantwortung und gibt die Handschrift vor. Als die Diskussionen um mich oder die Taktik begannen, auch medial, musste ich das akzeptieren.

Es wurde auch Ihre Beziehung zu Lukas Görtler thematisiert.
Wir hatten nie Streit, wir schreiben uns heute noch ab und zu. Ich glaube, Lukas weiss schon genau, wer ihn zum FC St.Gallen geholt hat und ihm die Möglichkeit gab, sich so zu entfalten. Es gehört zur Aufgabe des Trainers, die Spieler stark zu machen und mit Freiheiten auszustatten, dass sie sich entfalten können. Das ist bei Görtler sehr gut gelungen, am Ende hat er alles selbst geschafft. Es war ja sein Wunsch, in St.Gallen eine tragende Rolle zu übernehmen. Wenn ich ihn an der kurzen Leine gehalten hätte, hätte er sich jedenfalls nie so entwickeln können.

Worauf sind Sie am meisten stolz mit dem FC St.Gallen?
Auf alles, was wir gemeinsam geschafft haben. In der ganzen Romandie wird über den FC St.Gallen so positiv gesprochen. Über die Spielweise, die Fans, die Atmosphäre. Dabei wird viel – auch im Ausland – auf den Trainer zurückgeführt. Wir haben alle mit ins Boot genommen. Wir haben viele Spieler weiterentwickelt, auch junge Ostschweizer. Zu Beginn schrieben wir eine halbe Stunde lang Autogramme. Am Schluss dauerte so etwas zweieinhalb Stunden.

St. Gallens Sportchef Alain Sutter, links, und St. Gallens Trainer Peter Zeidler, beim Fussball Super-League Spiel zwischen dem FC St. Gallen und den BSC Young Boys Bern, am Samstag, 10. August 2019,  ...
Zeidler wurde von Alain Sutter in die Ostschweiz gelotst.Bild: KEYSTONE

Eine These: Für Sie wurde es schwieriger nach dem Wechsel von Alain Sutter zu Roger Stilz.
Hmmm, vermutlich. Ich hätte mir von Roger vielleicht ein bisschen mehr Zurückhaltung und Einfühlungsvermögen gewünscht, das habe ich ihm auch gesagt. Ich war nicht gegen ihn, aber es war schon neu: Er war plötzlich der grosse Chef und zeigte das auch. Und wir haben es nicht geschafft, uns gemeinsam neu und gut aufzustellen. Es war lange mein Plan, ewig in St.Gallen zu bleiben. Mit Roger entstanden aber auch die Gedanken, ob es vielleicht nicht doch an der Zeit wäre, weiterzugehen. Meine Frau hat davor immer gesagt: «Du gehst ja sowieso nie weg.»

«GC wollte mich im November holen, aber das war für mich zu früh.»

Roger Stilz, einst Ihr Hospitant in Salzburg, hatte auch mehr Machtansprüche als Alain Sutter. Und Sie waren in St.Gallen sehr wuchtig und hatten viele Freiheiten.
Alain war auch mein Chef, aber das habe ich nie so empfunden, er hatte dieses Kontrollierende nicht. Ich hatte meine Ideen, und Alain war ja auch froh, dass ich mich einbringe. Vielleicht hätte auch ich mehr versuchen sollen, auf Roger einzugehen und mich voll auf ihn einzulassen. Aber ich fühlte mich eingeengt und konnte mich einfach nicht mehr so frei entfalten. Wir haben beide bald gespürt, dass es schwierig wird und ich zweifelte, ob das so funktionieren würde. Auch sorgte ich mich um die Zukunft des FC St.Gallen. Schliesslich kam der Verein auf mich zu und sagte mir, ich hätte doch sicher Angebote und solle mir das eine oder andere genauer anhören – man würde mir jedenfalls keine Steine in den Weg legen. Und ich wusste ja, dass Roger die Unterstützung des Verwaltungsrats hat. Also dachte ich: Okay, jetzt ist der Moment gekommen. Im März oder April habe ich mich dann umgehört.

Jetzt sind Sie bei Blau-Weiss – aber nicht bei den Grasshoppers.
Ich habe mit Verantwortlichen der Grasshoppers gesprochen, korrekt. Das war direkt nach meiner Zeit in Bochum, im November. GC wollte mich damals holen, aber das war für mich zu früh.

Man hat Sie im Stadion gesehen – halbgut getarnt mit Mütze.
Damals war schon klar, dass ich nicht zu GC wechseln würde. Aber ich bin trotzdem ans Spiel gegen St.Gallen gegangen, was ich im Nachhinein lieber gelassen hätte. Aber es tat schon gut, als mich die Sportchefs vom Los Angeles FC und des FC Bayern, die beide mit GC kooperieren, anriefen. Vor allem nach der Enttäuschung in Bochum, wo man mich vom Hof gejagt hatte. Nachdem Alain Sutter neuer Sportchef bei GC geworden war, habe ich auch mit ihm gesprochen. Und dann meldete sich Lausanne-Sport bei mir.

Was sagt Ihre Frau zu Lausanne?
Sie kommt mit. Es ist ein Abenteuer. Aber klar: Am liebsten wäre sie in St.Gallen geblieben.

ARCHIVBILD ZUR ENTLASSUNG VON SION-TRAINER ZEIDLER --- L'entraineur du FC Sion Peter Zeidler, lors de la rencontre de football de Super League entre le FC Sion et le FC Vaduz, ce dimanche, 12 fev ...
Zeidlers erste Station in der Schweiz war der FC Sion.Bild: KEYSTONE

Vor allem das Französische müsste Ihnen doch jetzt gefallen.
Es ist anders als in Sitten und St.Gallen. Sitten ist St.Gallen viel ähnlicher, die Menschen sind offener. In Sitten wird man am ersten Abend gleich zu zwei Apéros eingeladen. In Lausanne ist das distanzierter. Die Stadt ist grösser, internationaler. Hier leben viele Expats, es gibt grosse Firmen und viele Studierende. Die Grösse der Stadt hat mich überrascht. Natürlich: Es ist die Romandie, vieles ist französisch geprägt. Und was am wichtigsten ist: Ich bin in Lausanne herzlich aufgenommen worden, die Zusammenarbeit mit dem Staff und Sportdirektor Stéphane Henchoz ist sehr gut.

Wie beschreiben Sie die St.Galler?
Sie sind auch aufgeschlossener und herzlicher. Man kennt sich. Es gibt die Olma, das Bermudadreieck, jetzt das Kulturfestival – wenn ich daran denke, bekomme ich ein bisschen Heimweh.

Wie ist es, Nachfolger von Ludovic Magnin zu sein?
Alle sprechen hier noch über Ludo – ein echter Typ. Es gibt tausend Anekdoten. Er war hier der Chef. Aufstieg, Klassenerhalt, Europacup – besser geht es nicht. Das bleibt haften, das ist seine Geschichte. Jetzt ist er in Basel.

Cheftrainer Ludovic Magnin (FCB) bei einem Testspiel zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Winterthur in Basel, am Samstag, 12. Juli 2025. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Zeidler folgt bei Lausanne auf Ludovic Magnin.Bild: keystone

Was ist Ihre Aufgabe in Lausanne?
Unsere drei Topstürmer sind weg, dazu fällt Alvyn Sanches nach dem Kreuzbandriss noch vier Monate aus. Koba Koindredi, den wir einmal nach St.Gallen holen wollten, ist nach Basel gewechselt. Das Ziel ist, in Europa lange mitspielen zu können. Wir sind ambitioniert, aber es gibt keine offizielle Zielvorgabe.

Den Zuschauerschnitt erhöhen?
Ja, das wünschen sich die Verantwortlichen. Aber die Voraussetzungen hier sind ganz anders. Was in St.Gallen passiert ist, lässt sich nicht kopieren. Dort ist der Fussball tief verwurzelt. In Lausanne müssen wir kleine Schritte gehen und langfristig vielleicht den Fussball stärker verankern. Das neue Stadion ist gut, es hat nur den Nachteil, dass es im Winter zieht.

Von aussen wirkt es, als würde dank Ineos das Geld locker sitzen.
Nein, hier wird sehr genau aufs Geld geschaut. Klar, Besitzer Ineos investiert Millionen. Aber seit das Unternehmen auch bei Manchester United stärker engagiert ist, wird noch genauer gerechnet. Es gibt Bestrebungen, die Verbindung zu Manchester United wie zu Nizza zu intensivieren.

Peter Zeidler, nouvel entraineur du FC Lausanne-Sport (LS), photographie lors d'un entrainement du Lausanne-Sport avant la nouvelle saison de Super League de football le jeudi 26 juin 2025 au sta ...
Mit Lausanne wird der 62-Jährige auch auf der europäischen Bühen zu sehen sein.Bild: keystone

Müssen Sie Spieler für diese Vereine entwickeln?
Weniger für diese Klubs direkt. Es geht eher darum, Spieler besser zu machen und gewinnbringend zu verkaufen. Das war in St.Gallen auch nicht anders.

Bei einem solchen Mutli-Owner-Konstrukt können die Besten auch sehr schnell wieder weg sein.
Natürlich wären die Wege nach Nizza kürzer als zu einem anderen Erstligaklub. Aber auch in St.Gallen sind die Besten schnell weg. Wenn ein Spieler wie Miro Muheim zu gut ist, geht er. Ich bin sehr stolz auf Silvan Hefti, Cedric Itten, Ermedin Demirovic, die Jungs aus Salzburg, später auch Isaac Schmidt und eben Muheim. Viele von ihnen sprechen heute noch von «uns».

Schmidt spielte in Lausanne keine grosse Rolle, trotzdem hat St.Gallen ihn verpflichtet und vor einem Jahr gewinnbringend verkauft. Nun ist er Schweizer Nationalspieler. Wie lief der Transfer damals ab?
Ich habe ihn in Vaduz gesehen bei einem Spiel der Lausanner B-Elf und sagte zu Alain: «Ich glaube, der ist gut.» Er kannte ihn auch, also haben wir ihn eingeladen. Es war keine Ablöse fällig, das Gehalt betrug ein paar tausend Franken. Bei seinem Wechsel von St.Gallen nach Leeds bekam Lausanne noch einen schönen Anteil der Ablösesumme, das war ein Teil des Deals. Schmidt besuchte vor ein paar Tagen ein Testspiel von uns in Lausanne, er hat extra auf mich gewartet. Er weiss, was er uns zu verdanken hat.

St. Gallens Trainer Peter Zeidler, im Schweizer Fussball Cup Final zwischen dem FC Lugano und dem FC St. Gallen, am Sonntag, 15. Mai 2022, im Stadion Wankdorf in Bern. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Zeidler schwärmt weiterhin von seiner Zeit in St.Gallen.Bild: keystone

Ist es ein Unterschied, Trainer eines FC St. Gallen zu sein oder Coach eines Unternehmensklubs?
Im Alltag nicht. Aber in St.Gallen ist das Gefühl der Zugehörigkeit einzigartig. Da bist du Teil der Stadt. In Lausanne kennt mich keiner, hier in der Stadt bin ich irgendjemand.

Stört Sie diese Anonymität?
Nein, aber ich wünsche mir, dass wir gemeinsam etwas aufbauen. Dass wir wieder Identifikationsfiguren haben. Wie sie Sanches vor seiner Verletzung war. Wenn Kinder kommen und Idole finden, ist das doch wunderbar. In St.Gallen war genau diese besondere Chemie spürbar, nach dem Spiel, bei Autogrammstunden. Das kann man nicht kopieren. In St.Gallen bekommt man als Gegner ja nur schon wegen der vielen Fans Angst – das geht nur dort.

Coachen Sie hier anders? In St.Gallen war ja auch viel Show dabei.
(lacht) Show gehört dazu. Ich lebe das. In St. Gallen kann man das auch mehr ausspielen.

Wenn man in St.Gallen zwei Testspiele gegen unterklassige Teams verliert, ist die Unruhe gross. Was war hier los nach den Niederlagen gegen Lausanne-Ouchy und Nyon?
Gewinnen ist immer schöner, auch in Testspielen. Beim Spiel gegen Lausanne-Ouchy habe ich mich über das Wiedersehen mit Patrick Sutter gefreut, der sich in St.Gallen wie hier gut entwickelt und als Rechtsverteidiger direkt aufgedrängt hat. Nach dem Testspiel kam der kleine Sutter zu mir und fragte mich, wie es mir geht. Und bot sich uns prompt als Verstärkung an (lacht).

Haben Sie das in Deutschland eigentlich beibehalten und Medienschaffende weiter angerufen?
Einmal einen von der WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Red.). Vom Kicker-Reporter hatte ich keine Nummer, sonst hätte ich mich auch bei ihm gemeldet. Aber ich habe mich in Deutschland von den Medien nicht schlecht behandelt gefühlt. In St.Gallen habe ich halt ab und zu einiges anders gesehen als Sie. Ihre Quellen waren eben nicht immer die besten.

Sie haben manchmal dünnhäutig reagiert.
Das mag sein. Sie haben kritisch hingeschaut, das gehört zu Ihrer Arbeit. Sie waren jedenfalls gewiss keine Hofberichterstatter. Und am Ende war’s auch ein Spiel zwischen uns.

Schmerzt es Sie, dass Sie in St.Gallen nie verabschiedet wurden?
Ja, das hätte ich mir gewünscht. Aber es war schwierig, weil ich in Bochum war und St.Gallen plötzlich viele Spiele hatte. Ein offizieller Abschied hätte mir aber gewiss gutgetan und vielleicht auch den St.Gallern. (riz/aargauerzeitung.ch)

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nummy33
20.07.2025 11:29registriert April 2022
ein sympatisches und ehrliches Interview
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TanookiStormtrooper
20.07.2025 11:52registriert August 2015
"Er war plötzlich der grosse Chef und zeigte das auch."
Oh ja, solche Leute kenne ich. Da wäre ich auch so schnell wie möglich gegangen. Die vermutlich unangenehmste Art Chef überhaupt.
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Raon
20.07.2025 13:56registriert April 2021
Früher oder später werden sie in St.Gallen erkennen, was für einen Bock sie geschossen haben, indem sie Sutter entlassen und Stilz geholt haben.
Mit Sutter und Zeidler war SG gut unterwegs.
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