Was war das für ein Fest! Ein ganzes Land steht hinter dem Nationalteam. 25'000 Menschen auf einem Fanmarsch in Bern, proppenvolle Public Viewings und ausverkaufte Stadien mit grossartiger Stimmung. Mittendrin junge Schweizer Fussballerinnen, die in den letzten zwei Wochen zu Heldinnen einer ganzen Nation geworden sind. Unsere Nationalspielerinnen sind an der Heim-EM trotz dem Viertelfinal-Aus die grossen Siegerinnen dieses Turniers. Das wissen auch die spanischen Superstars, die nach dem Schweizer Aus Spalier stehen – aus Respekt vor einem Team, das weit mehr bewegt hat als nur den Ball.
In diesem Heimturnier ging es immer um viel mehr als das Resultat an sich. Es ging darum zu zeigen, dass auch Frauen Fussball spielen und für Begeisterung sorgen können. Die Nationalspielerinnen stellten diese Anforderungen auch an sich, für sie ging es um mehr als nur den Sport. Umso beeindruckender war es, wie sie mit der Situation umgegangen sind. Mit dem engagierten Auftritt beim 1:2 im Eröffnungsspiel haben sie die Herzen der Fans gewonnen, mit den Resultaten danach gegen Island und Finnland Begeisterungsstürme ausgelöst. Und durch das knappe Ausscheiden gegen Spanien mit vielen Tränen danach unsere Herzen gebrochen. Es spielt in der Nachbetrachtung keine Rolle, dass die Schweizerinnen in zwei von vier EM-Spielen als Verliererinnen vom Platz gingen.
Wie beeindruckend der Auftritt des Teams von Trainerin Pia Sundhage aus sportlicher Sicht war, zeigt der Blick zurück. Vor zwei Jahren war an der Weltmeisterschaft auch gegen Spanien Schluss, damals im Achtelfinal. Doch die Diskrepanz zwischen jenem 1:5 in Auckland und dem 0:2 in Bern könnte grösser kaum sein. Statt einer mutlosen Klatsche gibt es diesmal nach engagiertem Kampf eine knappe, wenn auch verdiente Niederlage. Das Schweizer Nationalteam nähert sich den Weltbesten an.
Viel ist passiert in den letzten Wochen im Schweizer Nationalteam. Noch vor dem Turnier dominierten negative Nachrichten die Schlagzeilen. Ein 1:7 gegen ein Bubenteam, Fragezeichen wegen der Goalieposition und angeblich zu harte Trainingsmethoden. Doch statt der allgemeinen Nervosität nachzugeben hat es Sundhage verstanden, ihre Spielerinnen zu einer Gemeinschaft einzuschwören. Der unglaubliche Teamgeist führte zu Schweizer Höchstleistungen.
Nach dem Schlusspfiff des letzten EM-Spiels verlässt Pia Sundhage das Wankdorfstadion, die Fans skandieren ihren Namen. Sie verneigt sich. Innert kürzester Zeit wurde auch die 65-jährige Schwedin zu einer Schweizer Volksheldin. Sie selber war beeindruckt von den Schweizer Fans, völlig überrascht vom plötzlichen immensen Support.
Dennoch stellt sich nun die Frage, ob sie in Zukunft Nationaltrainerin bleibt. Noch bis Ende Jahr läuft der Vertrag. Sowohl sie selber als auch der Verband lassen noch offen, ob die Reise weiter geht. In den nächsten Wochen muss Klarheit folgen. Zwar sind bis Ende Jahr nur noch einige Testspiele angesetzt, dennoch wäre eine mögliche Veränderung jetzt zeitlich besser, um die Spiele im Hinblick auf die WM-Qualifikation optimal nutzen zu können.
Für einen Verbleib Sundhages spricht der Auftritt an dieser EM. Sie hat es geschafft, dass das Team dann bereit war, als es unter riesigem Druck stand. Spielerisch waren das Team mutig, aktiv und zeigte Leidenschaft. Es sind ausgerechnet diese Attribute, die das Schweizer Frauen-Nationalteam in den letzten Jahren vermissen liessen. Dennoch könnte der Zeitpunkt für einen Wechsel jetzt genau richtig sein. Der grosse Reiz des Heimturniers, den Sundhage erst in die Schweiz gelockt hat, ist weg. Eine hungrige neue Trainerin oder Trainer könnte ein neues Feuer entfachen und das Team weiter voranbringen.
Egal mit welchem Trainerin oder Trainer: Die Zukunft des Schweizer Frauenfussballs ist eine rosige. Schon in diesem Heimturnier schaffte eine goldene Generation den Durchbruch. Mit Iman Beney, Sydney Schertenleib und Noemi Ivelj stehen drei 18-Jährige in der Startelf im EM-Viertelfinal, daneben glänzen andere junge Spielerinnen wie Smilla Vallotto (21), Alayah Pilgrim (22), Leila Wandeler (19) oder Livia Peng (23).
Und das ist noch längst nicht alles. An der U17-Europameisterschaft 2023 stürmten die Schweizerinnen sensationell in das EM-Halbfinal. Neben Beney, Schertenleib und Ivelj waren auch Spielerinnen wie Leela Egli, Lia Kamber, Emanuela Pfister Teil jenes Teams. Sie alle klopfen schon jetzt an die Tür des A-Nationalteams. Die Schweiz verfügt bei den Talenten um ein riesiges Reservoir – vor allem in der Offensive.
Die vielen Schweizer Juwele sind die Folge der Ausbildung im Schweizer Frauenfussball, die ihre Früchte tragen. Sie wurden gefördert wie ihre männlichen Pendants und geben mit Leistung einiges zurück. Wenn sie Fussball spielen, ist ihnen in Technik, Spielintelligenz und Reife anzusehen, dass ihre Förderung eine andere war als in den Generationen vor ihnen. Die Talente laden zum Träumen ein: War der Viertelfinaleinzug an der Heim-EM nicht nur eine Eintagsfliege? Und ist vielleicht irgendwann noch viel mehr möglich?
Die harte Realität wird nach der EM dennoch kommen. Die Euphorie in diesem Sommer wird höchstens einen kleinen Einfluss auf Länderspiele haben, in der heimischen Liga verlieren sich wieder einige hundert Menschen auf einen Sportplatz für ein Spiel der Frauen-Super-League. Schon seit Jahren steigt das Interesse am Frauenfussball – doch fast nur an Highlightspielen. Cupfinals, Playoff-Finals oder Länderspiele sorgen für Zuschaueraufkommen, sonst bleiben die Fanmassen aus.
Und doch: Dieser Sommer ändert alles. Viele Menschen sind dank der Heim-EM zum ersten Mal mit dem Frauenfussball in Kontakt gekommen. Sie haben gespürt, dass genau das, was der Männerfussball bei grossen Turnieren auslöst, der Frauenfussball ebenso schafft. Im Schweizer Frauenfussball wird es immer ein vor und nachher geben. Der Sommer 2025 hat den Sport in diesem Land verändert. Dank jungen Schweizer Fussballerinnen, die ein ganzes Land berührt haben. (riz/aargauerzeitung.ch)
wer ernsthaft behauptet, die Schweiz sei knapp ausgeschieden, die Schweizerinnen seien die Siegerinnen des Turniers und es spiele keine Rolle, dass die Schweiz 2 mal verloren hat, da geht jemandem wirklich das Temperament durch.
Sorry, langsam kann ich das Geschreibe nicht mehr ernst nehmen.