Die alten Römer liessen zur Belustigung des Volks Sklaven gegeneinander kämpfen. Sie hatten keine Wahl.
Stuart Austin hat die Wahl. Er hasst es, zu kämpfen. Aber er kämpft trotzdem.
«Es ist wie ein Vorstellungsgespräch, aber eines vor 10'000 Leuten. Es ist schrecklich», sagte Austin dieser Tage bei der BBC. Dabei liebe er den Kampfsport und übe ihn aus, seit er fünf Jahre alt sei. Doch zum unerbittlichen Duell Mann gegen Mann, bis einer nicht mehr kann, sagt der moderne Gladiator: «Es ist eine furchtbare Erfahrung, in einem Käfig gegen jemanden zu kämpfen.»
Er sei bei weitem nicht der einzige Kämpfer, dem es so gehe, erzählt der 35-jährige Engländer. «Die meisten, die behaupten es zu geniessen, tun es nicht.» Er hat mithilfe eines Sportpsychologen, seinem Bruder, einen Weg gefunden, mit dem Problem umzugehen. «Wenn ich nun in den Ring steige, habe ich einen Tunnelblick. Ich stelle mir vor, wie ich meinem Gegner in einer einfachen Halle gegenüberstehe und das hilft mir.»
Aber warum lässt man seine Fäuste sprechen und sich auf die Birne prügeln, wenn man es verabscheut? Stuart Austin redet gar nicht lange um den heissen Brei herum: «Niemand zwingt mich, da rauszugehen und zu kämpfen. Ich bin aber an einem Punkt angelangt, an dem ich damit vernünftiges Geld verdienen kann. Und wenn man etwas lange Zeit gemacht hat und langsam die Früchte sieht, die man ernten kann, sollte man sich zusammenreissen und weitermachen.» Es gebe schliesslich nichts Schlimmeres als verschwendetes Talent.
Der 1,91 m grosse Faustkämpfer vergleicht seine Situation mit einem gewöhnlichen Angestellten. «Es gibt viele Leute, die nicht aus dem Haus zur Arbeit gehen wollen, wenn es regnet. Manchmal will man etwas nicht tun, aber wenn man gut darin ist und Geld verdienen kann …»
Bei 18:8 Siegen steht die Bilanz des MMA-Schwergewichtlers, der bei Oktagon kämpft und den sie «He-Man» rufen, wie die Action-Figur. Wie lange Austin noch in den Ring steigt? Er lässt es offen, sagt aber zugleich, dass es nicht einfacher werde. «Es ist eine wahnsinnige Stress-Situation. Du kämpfst nicht um dein Leben, aber so reagiert der Körper darauf. Und da ich älter und weiser werde, macht es mir einfach keinen Spass mehr.»
Das Perfide: Stuart Austin sagt, ausgerechnet jetzt sei er so gut wie nie zuvor. Seine letzten drei Kämpfe hat er gewonnen. «Das Lustige ist: Je weniger ich es mag und je weniger ich es wettkampfmässig machen will, desto losgelöster werde ich. Das hat mir einen klaren Kopf verschafft und ich bin viel eher in der Lage, im Ring kluge Entscheidungen zu treffen.»
Kampfsportfans können heute Samstag mitverfolgen, wie klug Stuart Austin handelt. In Frankfurt bestreitet er einen Schwergewichts-Titelkampf gegen den Deutschen Hatef «Boss» Moeil.