Die Erinnerungen an den sechswöchigen Shutdown im Frühling verblassen langsam, längst haben wir uns an die Abstandsregeln gewöhnt, und daran, dass überall Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt werden. Auch das Tragen einer Maske im öffentlichen Verkehr und in einigen Kantonen auch in Läden geniesst breite Akzeptanz.
Wie sich die Massnahmen des Bundes auf die Volksgesundheit auswirken, lässt sich indes erst in Monaten, wenn nicht sogar Jahren abschätzen. Claudio Nigg, Gesundheitswissenschafter am Institut für Sportwissenschaften an der Uni Bern, rechnet langfristig mit einem Anstieg von chronischen Krankheiten wie Diabetes. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 Jahren.
Diese Altersgruppe ist schon länger das Schweizer Sorgenkind. Gemäss einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO, die im November 2019 im medizinischen Fachblatt «The Lancet» publiziert wurde, bewegen sich 9 von 10 Jugendlichen in der Schweiz weniger als die empfohlene Stunde pro Tag. Das sind nicht nur mehr als bei der letzten Erhebung vor 15 Jahren, sondern liegt auch über dem weltweiten Durchschnitt der Untersuchung von 80 Prozent. Die logische Konsequenz: Jeder Fünfte unter 18-Jährige in der Schweiz ist übergewichtig. Dazu ernähren sich die Betroffenen oft mit überwiegend inhaltsarmen Lebensmitteln. Sie sind deshalb meist nicht nur übergewichtig, sondern auch mangelernährt.
Die Erkenntnis ist nicht neu, sie spiegelt sich schon in der SOPHYA-Studie des Bundesamts für Sport BASPO wider, die das Bewegungsverhalten der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz von 2013 bis 2016 untersuchte. Demnach verbringen die Kinder tagsüber die meiste Zeit (90 %) im Sitzen, liegend oder mit leichter Aktivität. Und mit jedem Lebensjahr nimmt die körperliche Aktivität ab, während die sitzend verbrachte Zeit zunimmt. Das hat viel mit dem Zeitgeist zu tun. «Wir hatten eine digitale Revolution, die die Bewegungsmuster von Jugendlichen offensichtlich verändert hat – und sie dazu anregt, mehr zu sitzen, weniger aktiv zu sein, mehr zu fahren, weniger zu gehen», sagt Leanne Riley, von der WHO. Gespielt wird digital.
Abhilfe verschaffen könnte der Schulsport. In der obligatorischen Schule sind mindestens drei Stunden Sport pro Woche obligatorisch, vielerorts kommt das Schwimmen dazu. Für ein Viertel der Kinder und Jugendliche ist es die einzige sportliche Betätigung. Eine entsprechend wichtige Rolle spielt der Schulsport. Das deckt sich mit den Erfahrungen, die viele Lehrerinnen und Lehrer in den letzten Monaten gemacht haben. Nach dem Shutdown seien viele Kinder körperlich in einem «alarmierenden Zustand», und die schlechte Verfassung habe sich über die Sommerferien noch verschärft. Eine Lehrperson aus einer Nordwestschweizer Schule, die unerkannt bleiben will, berichtet, ein Schüler habe in sechs Wochen 15 Kilogramm zugenommen und sei kaum wiederzuerkennen gewesen.
Entsprechend stark gefordert sind die Sportlehrer, doch ausgerechnet sie fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen. In den Schutzkonzepten und Empfehlungen sei dem Sportunterricht kaum Beachtung geschenkt worden, beklagt der Schweizerische Verband für Sport in der Schule SVSS in einem Positionspapier. Darin gibt der Verband Empfehlungen ab, welche Massnahmen ergriffen, und auf welche Aktivitäten verzichtet werden soll.
Von Sportarten mit Körperkontakt wird abgeraten. Heisst: Kein Fussball, kein Unihockey, kein Geräteturnen. Stattdessen: Koordinationsübungen, Leichtathletik. Seit dem Ende der ausserordentlichen Lage im Juni kann der Schulsport praktisch uneingeschränkt stattfinden. Theoretisch.
Denn viele Sportlehrer fürchten sich vor Ansteckungen im Unterricht und den möglichen Konsequenzen, die bis zu einer Schliessung ganzer Schulen reichen können, sofern das vom Kantonsarzt verordnet wird. Dazu kommt die Verunsicherung über die Frage, was sinnvoll ist. Wie unterschiedlich die Kantone diese Frage beantworten, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Aargau. Nach einem positiven Coronafall an einer Kantonsschule findet der Sportunterricht dort nach Geschlecht getrennt und mit Maske statt. Nach Einschätzung von Epidemiologen und Virologinnen dürfte sich die Infektionslage im Herbst verschärfen. Der Sportunterricht bleibt auf unbestimmte Zeit ein Balanceakt. Die Rückkehr zum Homeschooling wäre der Horrorszenario. Für Lehrer, Schüler, Eltern und die Volksgesundheit.
Der hohe Preis bezahlt man nicht WEGEN Corona sondern aufgrund fehlender Disziplinen und Faulheit!