Während aus dem Kreis der Nationalmannschaft immer wieder betont wurde, dass die «Doppeladler-Affäre» intern für keine Diskussionen sorgte, erzählte SFV-Generalsekretär Alex Miescher gestern in einem Interview mit der NZZ, «dass die Vorfälle gezeigt haben, dass es eine Problematik gibt.» Man schaffe Probleme, in dem man die Mehrfachnationalität ermögliche. Nicht nur auf den Fussball bezogen.
Miescher ging noch weiter und erklärte:
Miescher buddelt damit eine Thematik wieder aus, die man eigentlich begraben wollte. Man wollte den Doppeladler doch ruhen lassen. Oder galt das nur während sich die Mannschaft auf ihre Spiele an der WM konzentrieren sollte?
Jetzt, da die Schweiz unrühmlich ausgeschieden ist, darf der Doppeladler seinen Kopf offenbar wieder als Grund für das Scheitern hinhalten. Xhakas und Shaqiris Identifikation mit ihrer zweiten Heimat hat den Fussballverband – oder zumindest den Generalsekretär – so sehr gestört, dass jetzt in Erwägung gezogen wird, Doppelbürger gar nicht mehr auszubilden. Im Schweizer Fussball soll zukünftig nur noch gefördert werden, wer sich 100 Prozent für die Schweiz entscheidet und damit gebunden werden kann. Für Mehrfachnationalitäten gibt es keinen Platz.
Tatsächlich steckt der Schweizer Fussballverband viel Geld in die Ausbildung von Nachwuchstalenten. Mit Trainern, Staff, Trainingslagern, Infrastruktur et cetera. Doch für diese Investitionen wurde der Verband auch immer wieder belohnt. So mit den Endrunden-Teilnahmen 2004, 2006, 2008, 2010, 2014, 2016 und 2018. Ohne die zahlreichen Doppelbürger wären diese grossen Turniere kaum möglich gewesen. Ohne sie wäre die Schweiz nicht konkurrenzfähig.
Wie polemisiert die Debatte ist, zeigt ein Blick auf die Fakten. Denn die Angst, dass sich gut ausgebildete Spieler für andere Länder entscheiden, ist unbegründet.
Von sportlicher Relevanz waren bloss die Entscheidungen von Mladen Petric und vor allem Ivan Rakitic, bei dem es der SFV damals allerdings verschlampt hatte, ihn für die Schweiz zu gewinnen. «Wenn du Lust hast, dann komm, aber es wird schwierig», hiess es damals aus dem Schweizer Lager.
Petric entschied sich im Jahr 2001 für Kroatien zu spielen, Rakitic 2007. Seither ist kein sportlich bedeutender Spieler abgewandert und hat sich für seine «zweite Heimat» entschieden.
Zwar haben sich in der Schweiz ausgebildete Spieler wie Amir Abrashi oder Taulant Xhaka für Albanien entschieden, allerdings vor allem aus dem Grund, dass es ihnen in der Schweizer Nationalmannschaft nicht gereicht hätte.
Für Miescher scheint die Mehrfachnationalität aber ein grundlegendes Problem zu sein. Er erklärt, dass man den Spielern mit Doppelbürgerschaft keinen Gefallen mache:
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Miescher diesen «Scheidungskindern» lieber Mutter oder Vater wegnimmt als beide zu behalten und sie später vor eine allfällige Entscheidung zu stellen.
Und gehen wir einen Schritt weiter und denken Mieschers Idee zu Ende: Sie würde bedeuten, dass ein Nachwuchsspieler mit 14 Jahren vor die Wahl gestellt wird: Welchen Pass willst du behalten? Eine solche Massnahme scheint kaum gerechtfertigt, vor der Tatsache, dass sich seit über zehn Jahren kein «wichtiger» Spieler gegen die Schweiz entschieden hat.
Man braucht nicht sonderlich viel Empathie, um zu realisieren, dass diese Aussage nicht durchdacht ist.
Am einfachsten lässt sich die Unsinnigkeit der Thematik aus betriebswirtschaftlicher Sicht erklären. Man muss sich bloss fragen: Bilde ich lieber 20 talentierte Arbeitskräfte aus, von denen dann vielleicht einige später nicht für mich arbeiten oder verzichte ich lieber komplett auf deren Ausbildung?
Ja, das ist es, Herr Miescher. Eine Schnapsidee.
Multikulti, DAS ist die Schweiz für mich. Darauf war und bin ich stolz. Diese engstirnige, sinnlose Schnapsidee ist pures Gift und sollte keinen Platz haben in unserem Land.
Dass wir überhaupt darüber diskutieren müssen, macht mich wütend.
Der Schweizerische Fussballverband darf keine Rassisten in den eigenen Reihen tolerieren, die dem organisierten politischen Rassismus von Rechts in die Hände spielen!