Präsident Emanuel Macron tat in seiner Ansprache an die Nation wenig, um seine Landsleute zu beruhigen. Erst mahnte er dazu, nicht in Panik zu verfallen, ehe er sich einer martialischer Rhetorik bediente und sagte, Frankreich befinde sich in einem Krieg gegen das Corona-Virus und eine Ausgangssperre verhängte.
Macron sagte: «Der Feind ist da und er ist unsichtbar. Aber wir werden den Krieg gewinnen.» Macron tat, was dieser Tage alle tun: zur Solidarität aufrufen. Mit den Älteren und den Kranken. Frankreich zählt 6000 Ansteckungen, 148 Todesfälle sind zu beklagen.
Es fällt in diesen Tagen schwer, sportliche Entscheidungen einzuordnen. Man fragt sich: Wo ist die Relevanz, wenn sich auf dem ganzen Erdball eine Pandemie verbreitet? Und doch ist der Sport auch in denkwürdigen Tagen wie diesen das, was er schon immer war: Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Kein bisschen besser, aber auch kein bisschen schlechter. In den Lebensmittelgeschäften werden die Regale leer gekauft, und in den Spitälern wird Desinfektionsmittel geklaut. Ohne Rücksicht auf andere.
Solidarität ist ein grosses Wort, gelebt wird es kaum.
Schon gar nicht im Sport. Statt die Europameisterschaft im Fussball, die in 12 Ländern hätte stattfinden sollen, in Zeiten des Klimawandels ohnehin ein Anachronismus, gleich ganz abzusagen, gibt es eine Verschiebung. Und die Uefa, nach Schweizer Zivilgesetzbuch ein gemeinnütziger Verein, und damit von der Gewinnsteuer befreit, verlangt von ihren 55 Mitgliedern offenbar 300 Millionen Euro Schadensersatz. Ein Verein notabene, der in Jahren mit Grossveranstaltung drei Milliarden Euro Umsatz erzielt.
Einen Alleingang wagen nun auch die Veranstalter der French Open. Das Turnier hätte vom 24. Mai bis 7. Juni stattfinden sollen. Dass es das nicht tut, mag angesichts der Corona-Krise niemanden überraschen.
Das Turnier steht schon länger im Schatten der drei anderen Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Wimbledon und New York. Die Anlage ist kleiner, das Wachstum begrenzt und die Anwohner erschweren den Umbau. Immerhin hätte man in diesem Jahr unter einem Dach spielen können.
Nun soll das Turnier vom 20. September bis 4. Oktober stattfinden. Denn man könne die Vorbereitungen unter diesen Bedingungen nicht fortsetzen und müsse die Angestellten schützen. In einem Nebensatz erwähnte man dann auch: «Und die Modernisierung des Stadions erlaubt es, das Turnier dann durchzuführen.» Man lobt sich beim französischen Verband für den Mut, den man mit diesem Schritt zeige. Und versteckt sich hinter dem Schutz der Gesundheit. Eine Solidarität der Veranstalter? Fehlanzeige!
Die Verschiebung ist rücksichtslos. Ein Alleingang.
Dazu muss man wissen: Die vier Grand-Slam-Turniere sind nicht Teil der ATP-Tour, die Veranstalter geniessen viel Autonomie, denn sie sind die Kronjuwelen des Tennis-Kalenders. Doch in den letzten Jahren haben sich die Fronten verhärtet, dabei es geht um einen aufgeblasenen Kalender, die Neuausrichtung von Davis Cup und Fed Cup, die Rolle des von Roger Federer initiierten Laver Cups, und vor allem: um die besten Termine im dichten Kalender. Und dort wird es wegen des Corona-Virus noch enger.
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— Belinda Bencic (@BelindaBencic) March 17, 2020
Die Entscheidung der Organisatoren der French Open haben offenbar alle übergangen - die ATP, den internationalen Tennisverband und vor allem: die Spieler. Vasek Pospisil, der im Spielerrat sitzt, sagt: «Das ist absoluter Wahnsinn.» Es habe keine Kommunikation gegeben mit den Spielern und auch nicht mit der Profi-Organisation ATP. «Wir haben in diesem Sport nichts mehr zu sagen», schreibt der Kanadier. Stan Wawrinka sagt zum Alleingang der Franzosen: «Dürfen die machen, was sie wollen?»
Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach, der im Vorstand der ITF sitzt und sich derzeit in der Schweiz in Selbst-Quarantäne befindet, fällt aus allen Wolken, als er mit den Aussagen von Pospisil konfrontiert wird und sagt zu dieser Zeitung: «Das überrascht mich extrem.»
Sie hätten vor zwei Wochen im Vorstand einige Szenarien durchgespielt, «die Verschiebung der French Open war dabei aber kein Thema.» Stammbach spricht von einem unilateralen Entscheid. «Ich weiss nicht, wie viel Sinn das macht.»
Das letzte Wort ist in dieser Causa noch nicht gesprochen.